Carsten Schulz: Der Wahrheit verpflichtet

Langjähriger Linke-Bezirksvorsitzender von Tempelhof-Schöneberg beigesetzt

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.
Carsten Schulz (r.) bei einem Besuch in Prag
Carsten Schulz (r.) bei einem Besuch in Prag

»Die Bundes- und Landesparteitage, auf denen wir gemeinsam gekämpft haben, sind ungezählt«, erinnert sich Ellen Brombacher an Carsten Schulz. »Über seine Lippen kamen kein falsches Wort und kein falscher Ton.« Schulz sei ein »durch und durch redlicher, aufrichtiger Mensch« gewesen, voller Mitgefühl »für die in aller Welt, die unsere Solidarität benötigen«, Internationalist, Antifaschist, Feind des deutschen Militarismus. So schreibt es Brombacher in einem Nachruf, der in den Mitteilungen der Kommunistischen Plattform erschienen ist.

Am 23. November erlag der 61 Jahre alte Carsten Schulz einem Krebsleiden. Am Montag wurde er auf dem Friedhof Karlshorst beigesetzt. Schulz gehörte in der Berliner Linken nicht zu den Prominenten. Er drängte sich nicht in den Vordergrund. Viele haben ihn dennoch gekannt und geschätzt. Um die 100 Menschen erwiesen ihm am Montag die letzte Ehre. Neben einigen Angehörigen waren das beispielsweise Linke-Landesgeschäftsführer Bjoern Tielebein, Laura von Wimmersperg von der Berliner Friedenskoordination sowie vom BSW der Landesvorsitzende Alexander King und Schatzmeister Martin Rutsch.

King und Rutsch waren Weggefährten in Tempelhof-Schöneberg, wo Schulz viele Jahre Bezirksvorsitzender der Linken gewesen ist. Anders als King und Rutsch lief Schulz nicht zum BSW über. Bei der großen Friedenskundgebung mit Sahra Wagenknecht am Brandenburger Tor im Februar 2023 war er einer der Ordner. Doch obwohl unzufrieden mit dem Kurs seiner Partei, wäre Schulz im BSW keineswegs glücklicher gewesen. Denn er wollte eine konsequent linke Partei und hielt nichts von dieser Spaltung – so wie die Kommunistische Plattform insgesamt, deren Landessprecherrat und Bundeskoordinierungsrat Schulz angehörte.

Er war auf der sogenannten Roten Insel in Schöneberg aufgewachsen. Von Insel wird bei diesem Viertel wegen seiner Lage zwischen Eisenbahngleisen geredet. Die Bezeichnung als Rot kommt wie beim Roten Wedding von der politischen Einstellung der Bewohner. Ende des 19. Jahrhunderts war die Gegend eine Hochburg der SPD, später auch eine der KPD. Hier trug Carsten Schulz als 16-Jähriger »Die Wahrheit« aus – die Tageszeitung des Westberliner SED-Ablegers Sozialistischen Einheitspartei Westberlins (SEW). Von der SEW kam er in die PDS.

Zur Beerdigung kamen Kolleginnen der Kita in Kreuzberg, die der Erzieher Schulz leitete, und außerdem Menschen, die ihn aus der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes oder aus der Arbeitsgemeinschaft Cuba Sí kannten. Obwohl doch einige Kränze gebracht wurden, sollten Trauergäste lieber Geld für Kuba spenden. Gespielt wurde bei der Trauerfeier »Ich mache meinen Frieden« von Gerhard Gundermann, dessen Lieder Schulz sehr mochte. Er hatte sich das so gewünscht.

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