Konfrontation und Katharsis

DEFA-Filme in Wolfen

  • Lesedauer: 3 Min.

nd: Herr Paul Werner Wagner, Sie kuratieren die Wolfener Filmtage, die nun im zweiten Jahr DEFA-Produktionen präsentieren. Ab heute stellen Sie dort Literaturverfilmungen in den Fokus.
Wagner: Die Literaturverfilmungen gehören zum Besten, das die DEFA geschaffen hat. Sie sind auch Beweis dafür, dass es in der DDR eben nicht nur den »verordneten Antifaschismus« gab, sondern aus echter Überzeugung wichtige Aufklärung geleistet wurde. Man kann »Nackt unter Wölfen« (1963, Regie: Frank Beyer), den wir auch zeigen, zwar einerseits eine Tendenz zur Schwarz-Weiß-Malerei unterstellen. Vor allem aber wirkt er positiv - als Katharsis und Erschütterung. Wir eröffnen mit »Professor Mamlock« (1961, Regie: Konrad Wolf), da sich der Geburtstag des Autors Friedrich Wolf dieses Jahr zum 125. Mal jährt.

Sind DEFA-Filme heute noch relevant?
Es gibt einen großen Schatz an sehr sehenswerten Filmen, die aber zum Teil des erklärenden Kommentars bedürfen. Darum schließen sich an unsere Filmvorführungen Gespräche mit Mitwirkenden oder Kritikern an. Diese Filme leuchten vergangene Zeiten aus, sie sind Konfrontationen mit der eigenen Biografie, einige waren sogar verboten. Wir betreiben keineswegs Ostalgie. Die Filme zeigen vielmehr eine Lebensrealität der DDR, die in der sonstigen Betrachtung des Staates oft unter den Tisch fällt. Außerdem sind sie handwerklich hervorragend. Die Relevanz spiegelt sich auch in der guten Auslastung unserer Vorführungen.

Sie saßen in der DDR wegen Fluchtversuchs im Gefängnis. Dennoch sorgen Sie sich um das kulturelle Erbe des »Unrechtsstaats«?
Während meiner Bewährungszeit habe ich in einer Filmfabrik in Wolfen gearbeitet. Das war eine schwere Zeit. Aber die Kultur, die ich dort auch über das Arbeitertheater kennenlernte, war eine große Hilfe. Später wurde ich Kulturvermittler und habe dadurch einen Überblick über die Schätze der DDR-Szene gewonnen. Ich war Exot, nie Mitglied der SED. Das repressive Element der DDR habe ich immer abgelehnt. Aber die Kulturarbeit des Landes war beispielhaft. Und es gab in der DDR auch zweifellos viele Spielräume, die etwa von mutigen Regisseuren genutzt werden konnten, was sich auch in den Filmen unserer Reihe niederschlägt.

Sie haben auch Vorführungen in den »alten Bundesländern« organisiert.
Ich finde, man muss wertvolle Kulturprodukte der DDR bekannt machen - auch im Westen. Das entfaltet auch Wirkung gegen die Deutungshoheit über die deutsche Geschichte oder die Ignoranz gegenüber DDR-Erfahrungen. Zumal sich die DEFA-Regisseure - was Handwerk, Standpunkt und künstlerischen Wert der Werke betrifft - gegenüber Filmemachern aus dem Westen keineswegs verstecken müssen. Ich würde die Arbeit vieler DDR-Regisseure sogar höher einordnen als die vieler Kollegen aus dem Westen.

Interview: Tobias Riegel

Bis 22. September, Industrie- und Filmmuseum Wolfen, Programm unter www.wolfenkultur.de/2-wolfener-filmtage.html

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