Nicht nur GDL und EVG

Tarifverträge gelten für 20 000 Bahnbeschäftigte / In den Verhandlungen gibt es dagegen kein Vorankommen

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 4 Min.
Der Tarifstreit bei der Bahn bleibt festgefahren. Das liegt nicht nur am vom Unternehmen geforderten Kooperationsabkommen, sondern auch am Streit der Eisenbahnergewerkschaften GDL und EVG.

Im Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn ist auch nach dem bundesweiten Warnstreik der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) am vergangenen Montag keine Lösung in Sicht. Die Unternehmensleitung verlangt vor der Aufnahme regulärer Tarifverhandlungen über Löhne und Arbeitszeiten den Abschluss einer Kooperationsvereinbarung zwischen den im Konzern vertretenen Gewerkschaften, in der die Zuständigkeiten für die Vertretung der einzelnen Berufsgruppen, geregelt werden soll. Dabei soll das Prinzip gelten, dass die jeweils mitgliederstärkste Gewerkschaft vertretungsberechtigt wäre, was auch für spartenübergreifende Regelungen für den Gesamtkonzern gelten soll. Konkurrierende Tarifverträge, etwa mit unterschiedlichen Regelungen zur Vergütung, zur Arbeitszeit und zum Schichtdienst lehnt die Bahn AG kategorisch ab.

Ein derartiges Abkommen wäre im Großen und Ganzen die Fortschreibung des Status quo. Nach einem erbitterten Arbeitskampf hatte sich die GDL 2008 das Recht erkämpft, Tarifverträge für die 20 000 Lokführer des Konzern abzuschließen. Ihre Forderung nach Vertretung des gesamten Fahrpersonals, zu dem nach Auffassung der GDL auch Zugbegleiter, Bordgastronomen, Disponenten, Lokrangierführer und Ausbilder gehören, konnte sie aber nicht durchsetzen. Vielmehr wurde in einem Grundlagenvertrag festgelegt, dass die Tarifzuständigkeit für alle Berufsgruppen des Konzerns außer den Lokführern bei der Mehrheitsgewerkschaft Transnet verbleibt, die 2010 mit der Beamtenorganisation GDBA zur Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) im DGB verschmolz. Dieser Vertrag lief im Mai 2014 aus, was der GDL die Gelegenheit bot, ihre alte Forderung nach einem Fahrpersonaltarifvertrag wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Ihr Vorsitzender Claus Weselsky erklärte in der vergangenen Woche in Berlin, man sehe das Eisenbahnfahrpersonal, zu dem rund 37 000 Beschäftigte der Bahn AG gehören, als eine Berufssparte an, in der es gleichartige Probleme bei Arbeitszeit-, Schichtdienst- und Pausenregelungen gebe, die in einem gemeinsamen Tarifvertrag am besten geregelt werden könnten. Dafür habe habe die GDL die Kompetenz und auch die Durchsetzungsmacht, so Weselsky.

Würde man das Fahrpersonal tatsächlich als eine einheitliche Beschäftigtengruppe betrachten, wären die gewerkschaftlichen Machtverhältnisse klar. Durch ihre starke Position bei den Lokführern käme die GDL nach Angaben der Bahn AG auf 19 000 Mitglieder, die EVG lediglich auf 8 000, der Rest (rund 10 000) ist nicht organisiert. Unternehmensleitung und EVG weisen diese Sichtweise aber zurück und verweisen auf den Konzerntarifvertrag, in dem eine eigene Funktionsgruppe Fahrpersonal nicht vorgesehen ist. Die Bahn spricht in diesem Zusammenhang von einer »Tarifeinheit light«, da man ja bereit sei, der GDL das Vertretungsmandat für die Lokführer zuzugestehen.

Von Tarifeinheit kann bei der Bahn aber nicht nur wegen der GDL keine Rede sein. In der Logistiksparte DB Schenker und bei den konzerneigenen Fernbus- und Nahverkehrsunternehmen führt die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di nach Angaben eines Sprechers für rund 20 000 Beschäftigte die Tarifverhandlungen, eine Anbindung an den Konzerntarifvertrag gibt es dabei nicht. Vielmehr unterlägen diese Kollegen vollkommen unterschiedlichen Tarifsystemen, manchmal nur auf Firmenebene, manchmal an unterschiedliche regionale Flächentarife der Verkehrs- beziehungsweise Logistikbranche angekoppelt. Daher gebe es auch beträchtliche Unterschiede bei Entlohnung und Arbeitszeiten innerhalb von Berufsgruppen wie beispielsweise bei den Busfahrern, so der Sprecher. Auch darauf verweist GDL-Chef Weselsky bei seiner Weigerung, die Tarifhoheit der EVG für das Fahrpersonal mit Ausnahme der Lokführer anzuerkennen.

Der gebürtige Dresdner und gelernte Lokführer scheint sich seiner Sache sicher zu sein und kündigt bereits weitere Streiks an. Vorwürfe, er spalte die Bahnbelegschaft und Kritik an seiner Mitgliedschaft in der eher gewerkschaftsfeindlichen CDU weist er zurück. Er wolle daran gemessen werden, wie erfolgreich er als GDL-Vorsitzender die Interessen des gesamten Eisenbahnfahrpersonals vertrete und nicht an seiner parteipolitischen Präferenz, sagte er bei einem früheren Gespräch. Aktuell steht der GDL-Vorsitzende allerdings nicht nur wegen seiner umstrittenen Tarifpolitik unter Beschuss. Auf einem Aktionstag in Fulda verglich er in der vergangenen Woche die Fusion von Transnet und GDBA zur EVG mit zwei Kranken, die ein behindertes Kind zeugen. Zwar hat Weselsky dies nach massiven Protesten als »falsche Wortwahl« bedauert, doch dem EVG-Vorsitzenden Alexander Kirchner reicht dies nicht. Es werde keine weiteren Gespräche mit Weselsky geben, so lange sich dieser nicht »ehrlich entschuldigt« habe, so Kirchner in einer Erklärung.

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