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Berufungsprozess gegen Tim läuft

»Kommt nach vorne!«: Berliner Antifaschist wegen Blockaden von Naziaufmarsch in Dresden erneut vor Gericht / Solidaritätsaufruf im Internet

  • Lesedauer: 6 Min.

Update 17.05 Uhr: Keine einvernehmliche Lösung im Berufungsprozess um Tim H. Eine Zusammenfassung des ersten Prozesstages finden Sie hier. Der Prozess wird am 19. Dezember fortgesetzt.

Update 15.39 Uhr: Die Befragung des ersten Zeugen, der unvereidigt blieb, endete. Als nächstes wird ein Anwohner befragt, der die Szenerie von seinem Balkon aus verfolgte. Dieser gibt an, eine Person mit einem Megafon und einem Basecap gesehen zu haben. Die Person, die in Videos zu sehen ist und Tim H. sein soll, trägt dagegen eine Mütze. Auch nach mehrmaligen Nachfragen der Staatsanwaltschaft gibt der Zeuge zu Protokoll, dass die Person , die er gesehen hat, keine Mütze sondern ein Basecap trug. Damit bestätigt er seine Aussage, die er bereits im Prozess vor dem Amtsgericht traf. Danach erklärtAnwalt Ulrich von Klinggräff: »Dieser Zeuge ist der einzige, der irgendwelche Angaben dazu machen kann, wie die Person mit Megafon aussieht. Keiner der anderen Zeugen konnte irgendeine Aussage dazu machen, wie die Person ausgesehen haben soll.«

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Komm nach vorn! Wolfgang Hübner über das Skandalurteil gegen Tim H. und ein Brecht-Gedicht

Dass Neonazis am Jahrestag der Dresdner Bombennacht seit drei Jahren praktisch nicht mehr marschieren und Geschichtsfälschungen verbreiten können, wird als Sieg der Zivilgesellschaft gefeiert. Teile der sächsischen Justiz sehen das offenbar anders. Wolfgang Hübner über die Forderung der Dresdner Staatsanwaltschaft

Nach der Beschwerde eines Dresdner Politikers zur Handyüberwachung im Februar 2011 ist einem Amtsrichter ein peinlicher Fehler unterlaufen – dem gleichen Richter, der einen Teilnehmer der Anti-Naziproteste für 22 Monate ins Gefängnis schickte. Das skandalöse Urteil gegen Tim L. nicht die erste groteske Fehlentscheidung.

Update 14.21 Uhr: Erste Verständigungsgespräche waren erfolglos, Staatsanwaltschaft und Verteidigung konnten sich nicht einigen. In den Zeugenstand wird ein Polizist aus Nordrhein-Westfalen gerufen. Er war an der Sperre Bamberger Straße/ Bernhardstraße beteiligt. Er habe die »Konfrontation an der Sperrstelle als organisiert empfunden«. Die Aussagen »Nach vorn« habe er gehört, allerdings keine Person gesehen. Die Bitte der Verteidigung, ungeschnittene Video-Aufnahmen zu zeigen, wird abgelehnt. Die Verteidigung argumentiert, dass die Aufnahmen manipuliert wären und die Realität verzerren würden. (Nähere Infos hier). Das Video wird dann in Ausschnitten gezeigt. Nach Angaben des Polizeizeugen gab es Vermummung und Bewurf, sagt aber auch, dass von den DemonstrantInnen heruntergezählt wurde – dabei aber kein Megafon zu hören war. Der Zeuge kann sich an »vieles nicht mehr erinnern«. An die Ausrufe »Nach vorne« und »Lasst euch nicht abdrängen« erinnert er sich: Er hielt sie für Befehle von der Polizei.

Update 12.40 Uhr: Der Richter verkündet eine Pause bis 13.30 Uhr. Zuvor kam es zu einem weiteren Rechtsgespräch zwischen Staatsanwaltschaft, Richter und Anwälten.

Update 10.10 Uhr: Der Prozess wird für ein Rechtsgespräch zwischen Staatsanwaltschaft, Richter und Anwälten unterbrochen. Zuvor hat der Angeklagte nach Angaben von Prozessbeobachtern eine »kurze eigene Erklärung« abgegeben und sich zu Dresden Nazifrei und den Naziaufmärschen positioniert. Katharin König berichtet auf Twitter, dass die Zeugen der Polizei teilweise die gleichen sind, wie beim Prozess gegen den Jenaer Jugendpfarrer Lothar König. Dessen Rechtsanwalt hat im Bezug auf einen dieser Polizisten, der Videos geschnitten hat, von einer »Fälscherwerkstatt« gesprochen.

Update 9.25 Uhr: Die Staatsanwaltschaft hat ihre Berufung gegen das Urteil der 1. Instanz zurückgezogen – man sei mit der Haftstrafe von 22 Monaten ohne Bewährung dann doch zufrieden. Die Verteidigung hat das Urteil von Anfang 2013 erneut als »politisch motiviert« kritisiert.

Update 9 Uhr: Der Gerichtsaal ist voll.

Update 8.55 Uhr: In wenigen Minuten soll der Prozess gegen Tim vor dem Landgericht in Dresden starten. Vor dem Gebäude versammelten sich Dutzende Unterstützer – auf Transparenten war zu lesen: »Mach in Sachsen keine Faxen, sonst werden deine Kinder ohne dich aufwachsen« oder »Free Tim«.

Update 8.10 Uhr: Für halb Neun ist vor dem Landgericht in Dresden eine Solidaritätskundgebung mit Tim geplant. Es werden auch Unterstützer aus Berlin erwartet - der Bus ist unterwegs.

Update 8 Uhr: Die Dresdner Piratenpartei hat das erste Urteil gegen Tim als »ein Skandal« kritisiert. »Hier geht es um nichts weiter als um Repressionen und Einschüchterung antifaschistischen Engagements«, sagte der Stadtvorsitzende Marcel Ritschel. »Es sollen Exempel statuiert werden. Wieder einmal zeigt die 'sächsische Demokratie' ihr Gesicht«. Damit müsse nun endlich Schluss sein. »Die letzten Tage und Wochen zeigen wie wichtig Antifaschismus ist und dass dieser mehr gefördert werden muss«, sagte Ritschel mit Blick auf aktuelle Anti-Islam-Aufmärsche und rechte Aktionen gegen Flüchtlinge in Dresden.

Berliner Antifaschist wegen Blockaden von Naziaufmarsch in Dresden erneut vor Gericht

Berlin. In Dresden beginnt am Montag der Berufungsprozess gegen den Antifaschisten Tim. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, bei den Protesten gegen einen Naziaufmarsch in der Elbestadt im Februar 2011 mit Megafon mit den Worten »Kommt nach vorne!« angeblich dazu aufgerufen zu haben, eine Polizeisperre zu durchbrechen. Obwohl die Behörden praktisch keine Beweise vorlegen konnten, war Tim Anfang 2013 zu einer Haftstrafe von einem Jahr und 10 Monaten ohne Bewährung verurteilt worden. Kein Zeuge konnte ihn identifizieren, ein Anwohner der vor Gericht aussagte, verneinte sogar, dass Tim einer der vermeintlichen Anführer gewesen sei.

Ticker vom Prozess: hier
oder auf Twitter unter @dd_nazifrei

In Unterstützerkreisen wird kritisiert, dass die Staatsanwaltschaft das auf einer Videoaufnahme hörbare »Kommt nach vorne!« zu einem Aufruf zur Straftat und einer Rädelsführerschaft umgedeutet wurde. Das Amtsgericht begründete das harte Urteil seinerzeit damit, dass die Dresdener Bevölkerung die Auseinandersetzungen zwischen Linken und Rechten in ihrer Stadt satt habe und dafür jemand sein Kopf hinhalten müsse. Selbst in der Politik wurde das Urteil als »höchst befremdlich« bezeichnet.

»An einzelnen Antifaschisten wie Tim oder dem Jugendpfarrer Lothar König aus Jena, dessen Verfahren nun eingestellt wurde, sollen Exempel statuiert werden«, kritisiert das Bündnis »kommt nach vorne!« im Internet. »Die Prozesse eint die politische Motivation, einen Sündenbock zu finden und Aktivisten abzuschrecken. Sie hätten jeden treffen können.« Im Internet wurde ein Soliaufruf veröffentlicht, der unter anderem von Politikern aus der Linkspartei, der Grünen und von Gewerkschaftern unterschrieben wurde.

Tim hatte gegen das urteil Berufung eingelegt. Am Landgericht Dresden beginnt nun der neue Prozess. Der 38-Jährige, der Angestellter der Linkspartei in Berlin war, war der erste Blockierer vom 19. Februar 2011, der vor Gericht stand. Unter den Teilnehmern der Blockaden des Naziaufmarsches waren auch bekannte Politiker von Linken, Grünen und SPD. Zu Prozessbeginn werden am Montag auch Unterstützer von Tim erwartet. Die Berufungskammer hat zunächst zwei Sitzungstage gesetzt. nd/mit Agenturen

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