BND vertuschte offenbar illegale Spionagehilfe

Bericht: 12.000 Suchwörter nach Überprüfung gelöscht / Linke spricht von Krise der Demokratie / SPD schließt personelle Konsequenzen nicht aus / Ex-Geheimdienstkoordinator attackiert Kanzleramt

  • Lesedauer: 4 Min.

Berlin. Die politische Affäre um den Bundesnachrichtendienst und dessen offenbar illegale Hilfsdienste für den US-Geheimdienst NSA bei der Ausforschung von Politikern und Unternehmen auch in Deutschland und Europa wächst sich weiter aus. Wie der »Spiegel« meldet, wurden bei einer Untersuchung der am BND-Horchposten Bad Aibling verwendeten und von der NSA vorgegebenen Suchbegriffe im Jahr 2013 zahlreiche so genannte Selektoren gefunden, die auf eine Spionage von Diplomaten und Mitarbeitern von Regierungen in Europa hindeuteten.

»Es fanden sich insgesamt 12.000 solcher Merkmale in der Suchdatei, darunter etliche E-Mail-Adressen, die zu hochrangigen französischen Diplomaten führten«, schreibt das Magazin. »Auch E-Mail-Accounts von EU-Institutionen und von Mitarbeitern mehrerer europäischer Regierungen sollen sich darunter befunden haben.« Auf die Frage eines BND-Sachbearbeiters, was er mit seiner Entdeckung machen solle, habe der örtliche BND-Verantwortliche erklärt: »Löschen.«

Wie zudem die »Bild am Sonntag« meldet, hat der US-Geheimdienst NSA auch versucht, über den BND österreichische Behörden auszuspionieren. Zuvor war schon bekannt geworden, dass die NSA BND-Technik zum Ausspähen hochrangiger Beamter des französischen Außenministeriums und des Präsidentenpalastes sowie der EU-Kommission in Brüssel benutzt.

Bereits am Donnerstag hatte der Linkenpolitiker Jan Korte mit Blick auf die BND-Affäre von »Krise der parlamentarischen Demokratie geworden«. Der Fraktionsvize machte Bundeskanzlerin Angela Merkel persönlich dafür verantwortlich und forderte eine Regierungserklärung. Merkel müsse deutlich machen, »was sie zu tun gedenkt, um die Rechte des Parlaments wiederherzustellen. Sie muss erklären, ob und wie sie die deutsch-französische Freundschaft erhalten will und was sie konkret tun wird, um Bevölkerung und Unternehmen vor Ausspähung zu schützen«. Als Kanzlerin, die seit 2005 im Amt ist, könne »sie die Öffentlichkeit am besten darüber aufklären, wer das Handeln des BND konkret angeordnet, toleriert oder genehmigt hat«, so Korte. Die Bundesregierung müsse »mit der peinlichen Heimlichtuerei Schluss« machen, forderte der Linkenpolitiker. »Ich frage mich, ob irgendjemand seit den Enthüllungen von Edward Snowden irgendeinmal für irgendetwas die Verantwortung übernimmt.« Dass verschiedene Vertreter der Bundesregierung »die falschen Antworten auf parlamentarische Anfragen mit sich teils widersprechenden Begründungen rechtfertigen, statt einfach einen Fehler zuzugeben«, mache deutlich, »dass dieser Respekt vor der Bevölkerung der Bundesregierung momentan fehlt.«

In der Spionageaffäre hat nun auch erneut die SPD das Kanzleramt scharf kritisiert. »Die Aufsicht des Kanzleramts über den BND scheint kläglich versagt zu haben«, sagte SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi der »Passauer Neuen Presse«. Das Kanzleramt, »das seit zehn Jahren von der CDU geführt wird, trägt die Verantwortung dafür, dass sich der deutsche Geheimdienst ordentlich verhält«, so die Sozialdemokratin. Auf die Frage nach Vorwürfen an Innenminister Thomas de Maizière (CDU), eine parlamentarische Anfrage zur NSA-Spionage falsch beantwortet zu haben, sagte Fahimi: »Natürlich gibt es kritische Fragen, auch an ihn. Meines Wissens hat aber gar nicht sein Haus, sondern das Kanzleramt jene Passage in der Anfrage formuliert, über die es jetzt so viel Aufregung gibt.« Sie fügte hinzu: »Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, schließe ich auch personelle Konsequenzen nicht aus.«

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte das Kanzleramt in der selben Zeitung auf, dem Untersuchungsausschuss die Akten mit den Angaben zu den Ausgespähten zu übergeben. Anders als aus Sicht der Grünen funktioniert für den Vorsitzenden des NSA-Untersuchungsausschusses, Patrick Sensburg (CDU), die Aufklärungsarbeit gut. »Die Bundesregierung hat bisher alle Dokumente, die wir haben wollten übermittelt. Auch die Amerikaner kooperieren. Das ist zwar nicht immer leicht, aber so ist das international nun einmal«, sagte er der »Neuen Westfälischen« aus Bielefeld. »Die Aufklärungsarbeit funktioniert aber im Ergebnis, wie man ja sieht.« Sie dauert jedoch, wenn man sie gründlich mache.

Derweil hat der frühere Geheimdienstkoordinator und Staatsminister im Kanzleramt, Bernd Schmidbauer (CDU), den Umgang der Bundesregierung mit dem eigenen Geheimdienst deutlich kritisiert. »Jeder prügelt derzeit auf den BND ein, zumeist aus ideologischen Gründen«, sagte Schmidbauer dem Nachrichtenmagazin Focus. »So machen wir unsere Sicherheit für dieses Land kaputt.« BND-Präsident Gerhard Schindler sei einsamer Rufer in der Wüste. »Es ist eine Schande, wie er von diesen Herren im Kanzleramt im Stich gelassen wird. Dabei wäre es die vornehmste Aufgabe, Schindler in dieser Zeit den Rücken zu stärken«, sagte Schmidbauer, der in den 90er Jahren unter Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) die deutschen Geheimdienste koordinierte. »Wir sind nichts ohne die nachrichtendienstlichen Erkenntnisse der Amerikaner. Wir wären blinde Hühner.«

In Regierungskreisen wird der Affäre nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur inzwischen eine große politische Dimension zugemessen. Personelle Konsequenzen von Verantwortlichen bei BND und Regierung wurden nicht ausgeschlossen. Agenturen/nd

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal