Ärzte gegen Ärzte

Auf dem Branchentreffen der Mediziner überwiegen Partikularinteressen

  • Silvia Ottow
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Ärzteschaft als homogene Gruppe gibt es nicht mehr. Jeder neue Ärztetag - das bedeutendste Branchentreffen der Mediziner - bestätigt die Entwicklung. Partikularinteressen verhindern eine zukunftsfeste, solidarische Ausrichtung des Gesundheitssystems und zentrale politische Vorhaben werden vor allem daraufhin überprüft, ob die Pfründe des eigenen Bereichs nicht angetastet werden.

Ein Beispiel dafür ist das Versorgungsstärkungsgesetz. Es sieht die Schließung frei werdender Arztpraxen in überversorgten Gebieten vor. Ärzte-Präsident Frank Ulrich Montgomery wetterte zum Auftakt des 118. Deutschen Ärztetages am Dienstag in Frankfurt am Main, die Ärzteschaft werde dagegen kämpfen, dass ihre Freiberuflichkeit beschnitten wird. Sogenannte überversorgte Gebiete können lukrativ sein, wenn gut verdienende Patienten darin wohnen. Doch jede Praxis wird von den gesetzlich Krankenversicherten mitbezahlt.

365 247 Mediziner sind laut Bundesärztekammer als Ärzte berufstätig, 2,2 Prozent mehr als im Jahr davor. Doch immer häufiger entscheiden sich junge Mediziner gegen eine eigene Praxis. Die dürfte zu teuer und vor allem auf dem Land mit zu viel Arbeit und schlechter Infrastruktur verbunden sein. Lösungen für dieses Problem fanden die Spitzengremien der Kassenärzte bisher nicht, sie sind eher mit internen Streitigkeiten zwischen Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) und entsprechenden Ländergremien beschäftigt. Dabei geht es um die Verteilung der Gelder und um Vorwürfe an das Spitzenpersonal.

Ärztegruppen liegen im Clinch mit ihren Funktionären. Die Bundesärztekammer habe »wenig bis gar nichts für die Förderung der hausärztlichen Versorgung in Deutschland getan«, sagte der Vorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt.

Psychotherapeuten fordern für ihre Berufsgruppe mehr Geld. Sie verdienen nach eigenen Angaben mit Abstand am wenigsten von allen Arztgruppen. Die Klinikärzte-Gewerkschaft Marburger Bund (MB) kritisiert den Entwurf zur Krankenhausreform. Unter dem Deckmantel einer Qualitätsoffensive würden weiter Kapazitäten abgebaut, sagte MB-Vorsitzender Rudolf Henke. Er forderte mehr Geld für die Versorgung ambulanter Patienten in den Kliniknotaufnahmen. Der Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte (vdää) fordert einen Abbau der Kommerzialisierung im Gesundheitswesen und Transparency International macht darauf aufmerksam, dass medizinische Leitlinien von Ärzten verfasst werden, die den Arzneiherstellern verpflichtet sind. So empfiehlt die neue Leitlinie zur Behandlung des Schlaganfalls den bevorzugten Einsatz neuer und teurer Blutverdünner gegenüber den herkömmlichen Vitamin-K-Antagonisten. Die Hälfte der Entscheider hatten Beraterverträge mit den Herstellern der neuen Blutverdünner.

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