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Die NSA errötet nicht beim Netzwerk-Lesen

Betreiber von Plattformen beschwören ihre Gesetzestreue, doch die taugt als Alibi allenfalls national

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Früher mussten Landesfürsten Priester gefügig machen, um zu erfahren, was Untertanen denken. Heute stehen der NSA dafür Facebook und Dutzende andere soziale Netzwerke zur Verfügung.

Welch Quantensprung der Informationsfreiheit! Nutzer sozialer Netzwerke stellen Tag für Tag freiwillig unermesslich viele Meta- und inhaltliche Daten über sich und ihr privates oder dienstliches Umfeld zur Verfügung. Vieles davon hätte dereinst selbst abgebrühteste Beichtväter erröten, Landesfürsten aber erstrahlen lassen.

Etwas Besseres als Facebook hätten die National Security Agency (NSA) nicht erfinden können, um an globales Wissen zu kommen. Spätestens seit den Veröffentlichungen von Edward Snowden machen glaubwürdige Gerüchte die Runde, dass bei der Programmierung der Plattform-Software sogenannte Hintertüren eingebaut wurden, damit sich die NSA holen kann, was sie braucht, um ihre Datenbanken über Millionen Internetmenschen zu komplettieren.

Facebook, Google und Apple bestreiten immer wieder, etwas damit zu tun zu haben. Noch nie hätten sie von solchen Sicherheitslücken oder gar Infiltrationsprogrammen gehört, die ein »Mitlesen« durch Fremde ermöglichen. Man würde die Sicherheit der persönlichen Daten der Nutzer garantieren, heißt es. Facebook schwört gar: »Wir gewähren keiner Regierungsorganisation direkten Zugang zu Facebook-Servern.« Man kann das glauben, muss es aber nicht, denn es gibt hinreichend Belege dafür, wie willig US-Kommunikationsanbieter Daten ihrer Nutzer weitergaben.

Selbst wenn Facebook wollte, kann der Konzern die zugesicherte Verschwiegenheit nicht einhalten. Und dass weiß der Konzern nur zu gut. Allenfalls auf der Basis eines Gerichtsbeschlusses würde man Informationen herausrücken, sagen die Betreiber sozialer Netzwerke. Man verhalte sich dabei absolut gesetzestreu. Das hält die NSA - zumindest nach außen hin - ebenso. Man beachte die US-Gesetze sehr genau, heißt es. Doch diese Gesetze - und damit auch Beschränkungen - betreffen allenfalls Bürger der USA. Der Rest der Menschheit ist informationelles Freiwild. »Die NSA muss sich nicht an deutsche Gesetze halten«, sagte in der vergangenen Woche Ex-BND-Chef August Hanning im BND-NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages. Adäquat treffe das auf den deutschen Bundesnachrichtendienst (BND) zu. Aber durch Kooperation kann der eine dem anderen durchaus nützlich sein. Fast legal. Mehrfach wurde im Ausschuss deutlich, dass die angeblich sicheren Filter, die beispielsweise sogenannte G10-Verkehre deutscher Staatsbürger herausfiltern sollen, für Messenger-Verkehr völlig untauglich sind.

Nun wäre es unfair zu behaupten, nur Facebook und die NSA verletzten permanent den Datenschutz. Der BND gibt zwischen 2014 und 2020 rund 300 Millionen Euro für eine »Strategischen Initiative Technik« aus. Man will mit verbesserter Technik Weblogs, Foren und Portale wie Flickr, Facebook und Twitter systematischer auswerten. Als Begründung muss herhalten, dass der Dienst den sogenannten Arabischen Frühling, der weitgehend über soziale Netzwerke organisiert wurde, verschlafen hat.

Wer allzu forsch über solche Entwicklungen berichtet, wird von Geheimdienstlern gerne als mutmaßlicher Landesverräter ausgemacht. Doch ist mehr Licht im Dunkel dringend notwendig. Beleuchtet werden sollte auch die Rolle der Bundeswehr. Bei der gab der BND nicht nur eine Studie zur »Automatisierten Beobachtung von Internetinhalten« in Auftrag. Inzwischen teilt man sich mit dem flügge gewordenen Militärgeheimdienst - Kommando Strategische Aufklärung genannt - die Auswertung von abgefangenem Material. Wie praktisch, dass das Militär dabei nicht im Fokus von parlamentarischen Kontrollgremien steht.

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