Berichte aus der Black Box

EU-Kommission stellt Pläne zum Country-by-Country-Reporting bei Unternehmenssteuern vor

Große, in der EU tätige Konzerne sollen künftig offenlegen, in welchen Ländern sie Gewinne machen und Steuern zahlen.

Es ist eines der Standardbeispiele, die die Finanzlobby bemüht, wenn es um die Frage geht, ob denn Briefkastenfirmen in Panama für irgendetwas anderes benötigt werden als für Steuerhinterziehung und Geldwäsche: Unternehmen könnten dort wichtige Geschäftsgeheimnisse vor der Konkurrenz sichern, etwa Patente und Lizenzen oder Investments in aufstrebende Start-ups.

Auch in anderen Bereichen möchten multinationale Konzerne möglichst ungestört und unbeobachtet bleiben. Etwa beim Hin- und Herschieben von Gewinnen und Verlusten mit dem Effekt, dass man in Ländern mit niedrigen Steuersätzen einen möglichst großen Teil der Gewinne ausweist und in Hochsteuerländern möglichst hohe Kosten oder Verluste. Bislang gleicht die Steuerbilanz von Konzernen einer »Black Box« - in Publikationen wie dem Geschäftsbericht findet sich meist nur eine pauschale Summe weltweit gezahlter Steuern. So lassen sich heikle Nachfragen vermeiden, warum denn ein Konzern den Großteil seiner Steuern in einem Land zahlt, wo er kaum Geschäfte betreibt.

Das Country-by-Country-Reporting ist denn auch ein Kernpunkt der international diskutierten Maßnahmen gegen Steuervermeidung durch multinationale Unternehmen. Der BEPS-Aktionsplan der OECD, den die G20-Staaten im Herbst 2015 beschlossen haben, beinhaltet einheitliche Richtlinien über länderbezogene Berichterstattung an die nationalen Finanzbehörden und über deren Informationsaustausch. In Europa hat die EU-Kommission bereits mehrere Detailvorschläge zur Umsetzung vorgelegt, wobei es hier aber auch um Konsequenzen aus den im Rahmen der Luxemburg-Leaks-Enthüllungen bekanntgewordenen dubiosen Steuerdeals nationaler Finanzbehörden mit einzelnen Konzernen geht.

Am Dienstag stellte Jonathan Hill, EU-Kommissar für Finanzstabilität, nun die Gesetzespläne über die länderbezogene Berichterstattung vor. Alle in der EU tätigen Konzerne mit einem Umsatz über 750 Millionen Euro sollen demnach verpflichtet werden, ihre Steuerzahlungen und Gewinne nach Ländern aufgeschlüsselt offenzulegen. Auch Gewinne außerhalb Europas würden von der Veröffentlichungspflicht erfasst - sie müssen aber nur gebündelt angegeben werden. Lediglich im Falle »unkooperativer« Steueroasen sollen sie aufgeschlüsselt werden - ein Punkt, der nach den »Panama-Papers«-Enthüllungen kurzfristig in den Gesetzesvorschlag aufgenommen wurde. »Wir brauchen eine gut informierte Öffentlichkeit«, sagte Hill in Straßburg. »Ich glaube, dass wir mit diesem Vorschlag einen Beitrag dazu leisten.«

»Für echte Steuertransparenz taugen die Vorschläge nicht«, kritisiert Sven Giegold, finanzpolitischer Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion im Europaparlament. »Solange die meisten Länder ausgenommen sind, wird das Steuerdumping weitergehen.« Die EU-Kommission erlaube Unternehmen, ihre Geschäfte in der Schweiz oder den USA im Verborgenen zu lassen. Dabei seien alleine in der US-Steueroase Delaware mehr als eine Million Firmen registriert. Darüber hinaus sei die Berichtsschwelle von 750 Millionen Euro viel zu hoch.

Dennoch sind deutsche Großunternehmen nervös. Der Bundesverband der Deutschen Industrie möchte die Informationspflicht auf die Finanzverwaltung beschränken. Durch die öffentliche Aufschlüsselung von Gewinnen und Steuerangaben nach Ländern drohten Wettbewerbsnachteile, erklärte Hauptgeschäftsführer Markus Kerber. Da ist es wieder - das Totschlagargument der Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen.

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