»Kahlschlag« bei der »Berliner Zeitung«

Faktische Zusammenlegung mit Boulevard-Blatt »Kurier« / Etwa ein Drittel der Stellen soll gestrichen werden / Scharfe Kritik bei Betriebsrat, Redaktionsausschuss, Gewerkschaften

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Die traditionsreiche »Berliner Zeitung« und das Boulevardblatt »Berliner Kurier« werden künftig in ein- und derselben Redaktion produziert. Die DuMont Mediengruppe stellte am Donnerstag ihre Pläne für einen so genannten Neuanfang bei den beiden Blättern vor. Kernpunkt des harten Sanierungskonzepts ist der Aufbau eines neuartigen integrierten Newsrooms. Dort sind 50 Stellen weniger vorgesehen als in den bisherigen Redaktionen, bei denen rund 140 Kolleginnen und Kollegen arbeiten. Es sei nicht auszuschließen, dass es am Ende des Umbaus in den bestehenden Print-Redaktionen von »Berliner Zeitung« und »Berliner Kurier« zu Teilbetriebs- und Betriebsschließungen komme, hieß es.

Gewerkschaften und Mitarbeiter-Vertretungen übten scharfe Kritik an den Umbauplänen. Die Betriebsratsvorsitzende Renate Gensch sprach von einer »knallharten Sanierung« statt des angekündigten Neuanfangs. Jeder dritte Beschäftigte in den beiden Redaktionen solle seine Arbeit verlieren. Für die verbleibenden Mitarbeiter würden sich die Arbeitsbedingungen drastisch verschlechtern. Redaktionsausschuss-Sprecher Frederik Bombosch sagte, mit den Umbauplänen werde die Zukunft der Redaktion gefährdet: »Wenn unser Besitzer DuMont sein Bekenntnis zum Qualitätsjournalismus ernst nimmt, muss er diese Pläne zurücknehmen.«

Auch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) sprach von einem »Desaster für die betroffenen Journalisten« und einer »Bankrotterklärung des Managements«. Die Kollegen der beiden Zeitungen würden einem unerträglichen Druck ausgesetzt, weil sich jeder für den Newsroom bewerben müsse, sagte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall.

Einen Kahlschlag nannte die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di die Pläne. Im Mittelpunkt aller Überlegungen stehe allein die Reduzierung von Kosten. Statt um Innovation gehe es um Entlassungen, Arbeitsverdichtung und Tarifflucht, erklärte Vize-Gewerkschaftschef Frank Werneke. Der regionale Journalistenverband Berlin-Brandenburg (JVBB) fragte, »ob dieser angebliche Befreiungsschlag nicht eher den Anfang vom Ende für beide Zeitungen bedeutet.« Auch rechnen die Gewerkschaften damit, dass der Umbau in Berlin der Auftakt für Kürzungen auch bei »Kölner Stadtanzeiger« und »Express« ist.

In der neuen Berliner Newsroom GmbH sollen künftig die Stärken beider Zeitungen gedruckt wie digital verzahnt werden, erklärte die DuMont Mediengruppe. Zuvor hatten die drei neuen Chefredakteure Jochen Arntz, Elmar Jehn und Thilo Knott die Pläne den Mitarbeitern vorgestellt. Für den Umbau verlässt die »Berliner Zeitung« den traditionellen Standort am Alexanderplatz, was bereits länger feststand. Die Arbeit am neuen Standort in Berlin-Kreuzberg solle zum 1. November starten. Der Aufbau des neuen Newsrooms soll schrittweise bis voraussichtlich Mitte 2017 erfolgen.

DuMont-Aufsichtsrat Hans Werner Kilz sagte, entweder würden »Berliner Zeitung« und »Berliner Kurier« noch »zwei Jahre beim Niedergang« begleitet oder es werde ein Neuanfang gewagt. Das erfordere die Offenheit, »Strukturen gänzlich und mitunter radikal neu zu denken«. Er fügte hinzu: »Nur wenn dieser Neuanfang gelingt, können wir unseren publizistischen Auftrag sicherstellen.«

Die DuMont Mediengruppe erzielte im Jahr 2015 einen Gewinn von 10,3 Millionen Euro. Der Umsatz stieg 2015 um rund sieben Millionen Euro auf 546 Millionen Euro. Im Anzeigengeschäft gab es allerdings einen Rückgang um 6,8 Prozent. epd/nd

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