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Nicht mehr die Allergrößten

Die Basketball-WM wurde verschoben, um den Fußballern aus dem Weg zu gehen. Dafür fehlen nun in China die großen Stars der USA.

Wenn Sportfunktionäre etwas gut können, dann sich selbst zu feiern. Das ist auch bei der FIBA nicht anders. Und so gaben sich die 22 Männer und fünf Frauen des Zentralvorstands des Basketballweltverbandes am Mittwoch in Peking durchweg Bestnoten für ihre Arbeit in den vergangenen fünf Jahren. Schließlich stand tags darauf eine Neuwahl des Gremiums an. Zentraler Punkt des seitenlangen Eigenlobs: »Die Einführung eines neuen Wettkampfsystems war ein voller Erfolg. Die Qualifikation zur WM 2019 hat sich in der Basketball-Community als extrem populär erwiesen.« Mit der Wahrheit hatte das nicht viel zu tun. Die vergangenen Jahre waren geprägt vom Streit zwischen Verbänden und Vereinen, besonders in Europa, der zum Fernbleiben vieler Stars von ihren Nationalmannschaften in den Qualifikationsspielen geführt hatte. Beim größten Event jedoch, den an diesem Sonnabend in China startenden Weltmeisterschaften, sollte dies ein Ende finden, hoffte die FIBA. Doch auch hier hat eine ihrer Entscheidung dazu geführt, dass die größten Namen nun fehlen.

Viele Jahre hatte die Basketball-WM darunter gelitten, dass sie stets im selben Sommer ausgetragen wurde wie die Fußball-WM. Fernsehsender wollten nur selten Lizenzen für zwei Sportgroßereignisse ersteigern und entschieden sich fast immer für die Fußballer. Daher änderte die FIBA einmalig den Austragungsrhythmus, machte nach der letzten WM fünf Jahre Pause statt vier und hoffte ab der WM 2019 auf mehr Aufmerksamkeit für den eigenen Sport - und für das eigene Produkt. Schließlich ist die WM der Hauptgeldbringer der FIBA, die fast ausschließlich über Turniere der Nationalmannschaften Einnahmen generiert.

Keine Übertragung in Deutschland

In Deutschland ist der Plan nicht aufgegangen. Die WM-Partien werden lediglich über einen Internetstream der Telekom zu sehen sein, dort aber immerhin kostenlos. Übertragungen im Fernsehen sind nicht vorgesehen, weder bei ARD und ZDF, noch bei den üblichen Spartensendern. Dem deutschen Verbandschef Ingo Weiss bleibt nur der Silberstreif eines ungewöhnlich starken Turniers der deutschen Mannschaft: »Wir hoffen, dass wir eine größere Verbreitung über die Öffentlich-Rechtlichen bekommen, wenn es eine deutsche Beteiligung am Halbfinale oder Finale gibt.«

Die größten Namen der Szene würde man aber auch dann nicht im Fernsehen erleben, denn Trainerlegende Gregg Popovich kassierte beim Einsammeln der Superstars aus der NBA für das Team der USA eine nie gekannte Absagewelle: LeBron James, Kevin Durant, James Harden, DeMar DeRozan, Stephen Curry, Russell Westbrook, Kyle Lowry, Kevin Love, Damian Lillard, Bradley Beal, Anthony Davis, Klay Thompson oder Kawhi Leonard: allesamt Allstars in der heimischen Eliteliga - doch niemand wollte zur WM. Und nur die wenigsten von ihnen sind verletzt. LeBron James zum Beispiel dreht gerade lieber in Hollywood Szenen für »Space Jam 2«.

Das Problem ist offenbar, dass die FIBA den neuen WM-Termin zu spät und außerdem zu nah an den Olympischen Spielen angesetzt hat. »Ich denke, viele Spieler setzen dieses Jahr aus, weil die Weltmeisterschaft im September und damit kurz vor Beginn der neuen NBA-Saison terminiert wurde. Vor allem Spieler, die bis Juni in den NBA-Finals spielten, brauchten eine Pause und wollten nach der WM nicht gleich wieder ins Trainingslager ihres Klubs einsteigen. In der Zeit arbeiten sie lieber zu Hause daran, ihr Spiel zu verbessern«, sagte Basketballexperte Ohm Youngmisuk vom US-Sportsender ESPN. »Nächstes Jahr, wenn es bei Olympia in Tokio wirklich darum geht, ihr Land zu repräsentieren, werden die meisten Stars wieder dabei sein. Da bin ich sicher.« Dave McMenamin pflichtete bei, wenn auch mit einer anderen Begründung. Schließlich sei »Olympia auch eine viel größere Marketingbühne als eine WM«.

Wenn die FIBA nun verlauten lässt, das Turnier in China sei die beste WM aller Zeiten, liegt das eher daran, dass erstmals 32 Teams antreten dürfen und damit mehr internationale Stars zu sehen sein werden als je zuvor. Das gilt für den wertvollsten Spieler der vergangenen NBA-Saison, Giannis Antetokounmpo aus Griechenland, wie auch für den Serben Nikola Jokic, Frankreichs Center Rudy Gobert oder Deutschlands besten Aufbauspieler Dennis Schröder.

Das war in der von der FIBA so sehr gepriesenen Qualifikationsphase noch ganz anders. Aufgrund eines vom Verband neu eingeführten Kalenders, der Länderspiele auch in die Saison der Vereine verlegte, durften die besten Spieler aus der NBA und der Euroleague fast nie mitspielen. Das führte dazu, dass zum Beispiel Europameister Slowenien trotz des vergrößerten Starterfeldes den Sprung zur WM verpasste - ohne ihre NBA-Stars Luka Doncic und Goran Dragić waren sie nur noch halb so stark. Die FIBA meint, die Umstellung sei dennoch ein Erfolg gewesen und verweist auf steigende Zugriffszahlen bei Live-Streams im Internet. Dass dieser Trend aber eher auf das viel größere Angebot im Netz zurückzuführen ist, verschweigt sie lieber.

Sportlich bleibt es spannend

Ohne die US-Stars bei der WM dürfte das Turnier jedoch sportlich die spannendste seit vielen Jahren werden. Die Amerikaner sind nicht mehr per se die Allergrößten. Die Wettanbieter stufen sie zwar noch als Favoriten ein, doch knapp eine Woche vor WM-Start verloren sie erstmals seit knapp 13 Jahren ein Spiel bei oder kurz vor einem großen Turnier: Sie verloren ihre Testpartie gegen Australien mit 94:98. Da zudem die starken Generationen der Franzosen und Spanier mittlerweile über ihren Zenit hinaus sind, ist die WM völlig offen. Die Franzosen verloren in dieser Woche ein letztes Testspiel gegen Mitfavorit Serbien, und die Spanier gingen gegen Russland unter.

»Man kann locker fast zehn Teams aufzählen, die ganz weit oben landen können«, sagte Bundestrainer Henrik Rödl. Seine Mannen verloren jüngst zwar auch gegen Japan, besiegten am Mittwoch aber die US-Bezwinger aus Australien mit 74:64. Sogar eine Überraschung des deutschen Teams ist also möglich. Vielleicht sieht man die dann sogar im Fernsehen.

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