Für 29,95 Euro die Welt retten?

Mit einem Großevent im Olympiastadion wollen ein Drogerieprodukthersteller und Teile der »for Future« Bewegung ein Zeichen für Klimaschutz setzen

Am 12. Juni 2020 soll es so weit sein. Mit 90.000 Menschen im Berliner Olympiastadion will eine Initiative, bestehend aus der Berliner Ortsgruppe von »Fridays for Future«, den »Scientist for Future«, einem Hersteller für Kondome, Tampons und Menstruationstassen sowie der Unternehmensinitiative »Entrepreneure for Future«, eine riesige Bürger*innenversammlung stattfinden lassen. Den »Super Bowl der Demokratie«, wie einer der Initiatoren erklärt. Beeinflusst vom Erfolg einer Bundestagspetition zur Senkung der sogenannten »Tamponsteuer« auf Hygieneartikel für Frauen haben die Initiatoren des Events die Idee an diesem einen Tag, »einen entscheidenden Anstoß« dafür zu geben, eine »handfeste Perspektive für unseren Planeten« zu schaffen.

Geleistet werden soll das alles mittels Online-Petitionen, die vor Ort gezeichnet und abgeschickt werden können. »Die Lösung« für »die größte Krise der Menschheit« soll es für 29,95 Euro auf einer Crowdfundingplattform zu kaufen geben, versprechen unter anderem Charlotte Roche und Luisa Neubauer in einem Werbevideo für das Event. 29,95 Euro, das ist der Eintrittspreis für die Bürger*innenversammlung. Um das Event stattfinden zu lassen wollen die Initiatorinnen bis Weihnachten mindestens 60.000 Tickets für zusammen 1,8 Millionen Euro verkaufen. Vier Tage nach Beginn des Vorverkaufs sind schon über 350.000 Euro zusammengekommen.

Die Welt retten, an einem Tag, für einen Eintrittspreis von 29,95 Euro? Eine Idee, die nicht überall auf Gegenliebe stößt. Die »Fridays for Future«-Gruppe aus Frankfurt am Main distanziert sich via Twitter von dem Event. Schon alleine der Eintrittspreis mache die Veranstaltung undemokratisch. Demokratie müsse »für jeden zugänglich sein, egal in welcher finanziellen Lage der Mensch ist«. Die Botschaft, an dem einen Tag könne man mittels Petitionen die Welt retten sei ein »Schlag ins Gesicht« für die Jugendlichen von »Fridays for Future«, die seit fast einem Jahr auf die Straße gehen.

Auch kritisiert die Frankfurter Gruppe, dass auf der Crowdfundingseite der Eindruck erweckt worden sei, ganz »Fridays for Future« stehe hinter dem Event, während dies innerhalb der Bewegung nie abgestimmt oder abgesprochen worden sei. Das »Lower Class Magazine« versucht sich in einer solidarischen Kritik. Die Massenveranstaltung im Olympiastadion diene der »Entpolitisierung« und strotze vor »Start-Up Mentalität«. Das linkssradikale Onlinemagazin verweist zudem darauf, dass Petitionen kein Element von Basidemokratie sondern »die schwächste Form des Appells an den bürgerlichen Staat« seien.

Auch Kooperationspartner wie die NGO »Deutschplus« oder das »Centre for a Feminist Foreign Policy« seien durch ihre enge Anbindung an staatliche Institutionen nicht dazu geeignet radikale Veränderungen in Gang zu setzen. Andere Twitternutzer kritisieren das Ziel des Events, eine Masse »Emotional aufladen« zu wollen und dass Soli-Tickets für den kostenfreien Eintritt ins Stadion verlost würden.

Tadzio Müller, Klimareferent der Rosa-Luxemburg-Stiftung und lange Jahre in der Klimagerechtigkeitsbewegung aktiv, ist der Meinung, das Event bediene durch seine Kommunikation einen »grünkapitalistischen Mythos«. Der Gedanke, ein Ticket und ein paar Online-Petitionen könnten das politische System verändern, sei »nicht nur naiv«, sondern auch »gefährlich«. Die Teilnehmenden würden »notwendigerweise frustriert«, dies würde zu Zeitverlusten führen, die man im Kampf gegen die globale Klimakrise nicht habe.

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