Leipzigs linkes Lager bündelt die Kräfte

Für die entscheidende Runde der OB-Wahl in Leipzig empfehlen Linke und Grüne die Wahl des SPD-Amtsinhabers

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.

Katharina »Käthe« Subat graust es allein bei der Vorstellung. Leipzig mit einem Rathauschef von der CDU? Das ginge gar nicht, sagt die 31-Jährige, die seit zehn Jahren in Sachsens größter Stadt lebt: Da könne sie »auch gleich nach Dresden ziehen«.

So ganz Recht hat sie da zwar nicht. In der Landeshauptstadt führt ein Politiker der FDP die Verwaltung. Für Leipziger wie Subat macht das indes keinen Unterschied. Sie mögen ihre Stadt, weil sie ein »roter Fleck« im schwarzen Sachsen ist, wie eine Zeitung kürzlich schrieb: mit rot-grün-roter Mehrheit im Stadtrat und Rathauschefs, die seit 1990 von der SPD gestellt werden. Im OB-Wahlkampf, den Subat als Kandidatin der Satirepartei »Die Partei« bestritt, goss sie das Gefühl des Besserseins in die skurrile Forderung nach dem »Lexit«: Leipzig »raus aus Sachsen«!

Der rote Fleck droht indes schwarz zu werden. Die erste Runde gewann der Kandidat der CDU, der 41 Jahre alte Sebastian Gemkow, ein gebürtiger Leipziger und langjähriger sächsischer Minister. Mit 31,6 Prozent lag er einigermaßen überraschend knapp zwei Punkte vor SPD-Mann Burkhard Jung, der 20 Jahre älter und gebürtiger Siegerländer ist, seit 14 Jahren die Geschäfte im Leipziger Rathaus führt und als Favorit galt.

Um zu verhindern, dass Gemkow auch nach dem entscheidenden zweiten Wahlgang am 1. März vorn liegt, hat das Leipziger linke Lager die Kräfte gebündelt. Die Bewerberinnen von Linke und Grünen, Franziska Riekewald und Katharina Krefft, erklärten den Verzicht auf ihre weitere Kandidatur. Man müsse »alle fortschrittlichen Kräfte mobilisieren«, um eine »progressive Mehrheit zu erzielen«, erklärte Riekewald, die 13,5 Prozent erhalten hatte. Sie und Stadtparteichef Adam Bednarsky riefen dazu auf, am 1. März Jung zu wählen. Auch die Grünen, die mit zwölf Prozent unter ihren Erwartungen geblieben waren, unterstützen nun Jung.

Vorangegangen waren in beiden Fällen Gespräche mit dem Rathauschef und der SPD. Die Linke gab an, sich auf ein »inhaltliches Agreement« mit diesen geeinigt zu haben. Es betrifft etwa das 365-Euro-Ticket und Schritte zur kostenlosen Nutzung des ÖPNV für Unter-18-Jährige, die Riekewald im Wahlkampf gefordert hatte. Bei den Grünen war von »deutlichen inhaltlichen Zugeständnissen« die Rede. Es geht um Maßnahmen für den auch von der Linken geforderten stärkeren sozialen Wohnungsbau und zum Klimaschutz - sowie, wie die Grünen betonten, um Absprachen für »verbindlichere Formen der Kommunikation« zwischen OB und Fraktionen. Ein Hang zur Alleinherrschaft gehörte zu den Kritikpunkten an Jung im vorangegangenen Wahlkampf.

Der Rückzug von Riekewald und Krefft sowie Subat, die 2,8 Prozent geholt hatte, steigert rechnerisch die Chancen für Jung, der es am 1. März nur noch mit Gemkow sowie Ute Elisabeth Gabelmann (Piraten, 0,9 Prozent im 1. Wahlgang) zu tun hat. Allerdings ist offen, wie viele Wähler der Empfehlung pro Jung tatsächlich folgen. Offen ist zudem, welche Wahlkampfmunition die CDU noch zündet. Sie hatte es seit Jahresanfang offenbar doch mit Erfolg geschafft, das Thema Sicherheit in den Mittelpunkt zu stellen, ausgehend von Auseinandersetzungen zu Silvester in Connewitz. CDU-Landes- und Regierungschef Michael Kretschmer kündigte an, man gebe »alles« für Gemkow, die Grünen ätzten, Leipzig solle »Symbol für die Großstadtfähigkeit einer nicht großstadtfähigen Partei« werden.

Abzuwarten bleibt, ob Gemkow neben dem Verzicht des bei nur 1,2 Prozent gelandeten FDP-Bewerbers Marcus Viefeld auch der Rückzug von AfD-Kandidat Christoph Neumann in die Hände spielt. Dieser war mit 8,7 Prozent unter den Erwartungen geblieben; bei der Landtagswahl lag die AfD in der Stadt noch bei über 17 Prozent. Womöglich haben Teile ihrer Wählerschaft von vornherein für den CDU-Mann votiert. Die AfD gibt für diesen keine ausdrückliche Empfehlung. Ihr sächsischer Europaabgeordneter Maximilian Krah rügte, die CDU werde »aus Angst vor linker Stigmatisierung die unverzichtbare Unterstützung der AfD ausschlagen«. Der Grüne Jürgen Kasek geht jedoch davon aus, dass Leipzigs CDU »mit der AfD paktieren wird« oder zumindest ihre Stimmen »dankend annimmt«. Dass sie eine Kampagne gegen Jung bis zum 1. März fortführen wolle, zeige, wem ihre Unterstützung gilt, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von Linke, SPD und Grünen.

Unter dem Eindruck der Ereignisse in Thüringen fragen deren Parteichefs, wie Gemkow die indirekte Unterstützung der AfD bewertet. Dieser äußerte sich nicht. Einige seiner Parteifreunde gaben eine indirekte, aber um so deutlichere Antwort. Der Ortsverband in Leipzig-Mitte schrieb zum Thüringer Paktieren der CDU und der FDP mit der AfD, das sei eine »freie Wahl« gewesen, die »darüber hinaus ein liberaler und bürgerlicher Kandidat« gewonnen habe. Man sehe »keinen plausiblen Grund, das Ergebnis moralisch zu verurteilen«.

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