Wie menschlich kann eine Maschine sein?

Im Wettbewerb der Berlinale geht es um Eltern und Söhne, Frauen und Roboter

So eine Online-Berlinale hat auch etwas für sich, zugegeben. Kein Gehetze am frühen Morgen zur U-Bahn, um rechtzeitig vor Beginn der morgendlichen Pressevorführung in der Schlange zu stehen, hoffend, einen der erträglichen Plätze im harten Gestühl des Berlinale-Palastes zu ergattern; im Foyer noch schnell ein Brötchen runterzuwürgen, da der Saalschutz mit Argusaugen wacht, dass nicht ein Krümelchen ess- oder trinkbarer Materie in den Saal hineingelangt...

Nun aber kann es sich der Kritiker schön auf der Couch gemütlich machen und beim Filmschauen einen starken Kaffee trinken. Den braucht er auch bei dem ersten Wettbewerbsbeitrag des Tages, dem südkoreanischen, gut einstündigen Film »Inteurodeoksyeon« (Introduction). Regisseur Hong Sangsoo war bereits viermal zu Gast im Wettbewerb der Berlinale, dieses Mal präsentiert er eine Art Lebensweisheit in Schwarzweiß, in der es irgendwie um die Ablösung der Söhne von ihren Eltern, ums Erwachsenwerden geht. Glaubt man dem Berlinale-Programmheft, handelt es sich bei dem Film um ein »poetisch-philosophisches Glanzstück«, nun ja, vielleicht war es zu früh am Morgen für derlei Tiefgründiges, ein Gähnen ließ sich leider nicht vermeiden.

Spätestens bei Maria Schraders Film »Ich bin dein Mensch« über die Liebe zu einem humanoiden Roboter ist die Müdigkeit wie weggeblasen. Das Sujet ist nicht neu; bereits letztes Jahr fragte Sandra Wollner in »The trouble with being born« nach der Möglichkeit eines einvernehmlichen Zusammenlebens zwischen Mensch und Android. Bei Maria Schrader ist es die allein lebende Wissenschaftlerin Alma, die testweise mit Tom, einem individuell auf sie programmierten, den Traummann schlechthin verkörpernden, menschlichen Roboter, zusammenleben soll. Nach anfänglicher Abwehr entsteht schnell so etwas wie eine quasi-emotionale Verbindung zwischen beiden, denn Tom lernt schnell, sein Algorithmus entwickelt sich in der Kommunikation beständig weiter, und er versichert Alma: »Bald werde ich mit einer viel höheren Trefferquote Dinge sagen und tun, die dir gefallen.«

Aber konstituiert sich eine Gesellschaft nicht aus der Auseinandersetzung und emotionalen Reibung mit anderen? Was, wenn wir nur noch von Menschen (respektive Maschinen) umgeben sind, die das sagen, was wir hören wollen und uns permanente Bestätigung frei Haus liefern? Sind nicht gerade die unerfüllte Sehnsucht, die Fantasie und das ewige Streben nach Glück (mit Betonung auf Streben) die Quelle dessen, was uns zum Menschen macht?

Wie hochaktuell dieses Thema ist, zeigt sich nicht nur an der rasanten Entwicklung der künstlichen Intelligenz, sondern auch in den sogenannten sozialen Netzwerken, die zu reinen Echokammern geworden sind. Komischerweise erzeugt die Tatsache, dass wir dort nurmehr mit uns Gleichgesinnten kommunizieren, nicht etwa mehr Harmonie in der Polis, sondern im Gegenteil Unversöhnlichkeit, Cancel Culture, Hass gegenüber Andersdenkenden.

Maria Schrader greift diesen Diskurs mit gewohnter Stilsicherheit auf und macht daraus einen unterhaltsamen und auch überraschenden Film. Und falls Sie sich schon immer fragten, wie das so mit dem Sex zwischen Mensch und Roboter ist - bleiben Sie gespannt und merken sich den Film für den Sommer vor!

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