Kann es im Fußball besser werden?

SONNTAGSSCHUSS: Es wird höchste Zeit, dass der Amateurfußball sich eine eigene Stimme gibt, meint Christoph Ruf

Beim DFB geht es mir in vielerlei Hinsicht wie mit der katholischen Kirche. Für beide Institutionen halten sich meine Sympathien seit mehreren Jahrzehnten in Grenzen, über beide habe ich so ausführlich und zuweilen auch genussvoll geschimpft, dass mir die Kritik daran schon langweilig geworden ist. Und trotzdem kann man die beiden Skandalklubs nicht ignorieren. Schon gar nicht, wenn ihr Handeln von einer Mittelmäßigkeit geprägt ist, die selbst satirische Elemente aufweist. So kam der DFB nach dem Hinweis, dass die Gemeinnützigkeit gefährdet sein könnte, wenn das Geld bei der EM 2016 allzu verschwenderisch verprasst werde, auf die glorreiche Idee, eine angeblich dringliche Präsidiumssitzung einfach in ein Pariser Nobelhotel zu verlegen. Mit großzügig bemessenem (und selbstverständlich treudeutsch exakt beziffertem) Budget für Frühstück, Mittag- und Abendessen und Stadtrundfahrten. Hier ein Gratisessen, dort ein Flug zum Länderspiel, hier eine durchgewunkene Tagegeld-Abrechnung. Das ist offenbar die Währung, mit der die DFB-Bosse sich ihr System aus Loyalität und Stillschweigen aufgebaut haben. Derzeit deutet jedenfalls nichts darauf hin, dass der Verband von innen heraus reformierbar wäre.

Doch genau das wäre wünschenswert, denn die Reformvorschläge, die von außen kommen, sind nicht selten von Eigeninteresse gesteuert. Wenn DFL-Funktionäre den DFB kritisieren, sollte man beispielsweise stets mitdenken, dass der Profifußball einen gehörigen Anteil daran hat, dass die Spaltung zwischen Amateuren und Profis noch nie so tief war wie jetzt. Erinnert sei an den erbitterten Egoismus, mit dem sich die Profivereine geweigert haben, mehr als ein paar Almosen von den TV-Milliarden ans Amateurlager abzugeben. Erinnert sei die Borniertheit, mit dem die Profivereine ihren Corona-Spielbetrieb durchgezogen haben, während 99,99 Prozent aller Fußballspieler hierzulande genau das verboten war.

Der DFB ist - in der Theorie - der Interessenvertreter für rund neun Millionen Menschen, die in Fußballvereinen organisiert sind und zu einem großen Teil selbst Fußball spielen. Ihnen wurde in den vergangenen Jahrzehnten der Eindruck vermittelt, dass ihre Interessen nicht zählen. In einer Glitzer-Fußballwelt, in der den Profis Jahr für Jahr immer höhere und absurdere Gehälter gezahlt wurden, waren für den eigentlichen Fußball die netten Plakate reserviert, auf denen so schöne Dinge standen wie »Unsere Ehrenämtler, echte Profis«.

Die Initiative »Fußball kann mehr« um die ehemalige deutsche Nationalspielerin Katja Kraus legt den Finger auf eine weitere Parallele zwischen Kirche und DFB. Beide werden von meist alten und konservativen Männern geleitet, die seit Jahrzehnten nachweisen, dass sie aus der Zeit gefallen sind. Wer sich die dürren acht Punkte von »FKM« durchliest, kann sich zwar des Verdachts nicht erwehren, dass es sich bei einzelnen Punkten eher um das Programm eines Milieus handelt, das Fußball eher nicht vom Trainingsplatz her kennt. Eine von mir durchgeführte (und deshalb ganz knapp nicht repräsentative) Umfrage unter gut einem Dutzend Frauen, die in Fußballvereinen engagiert sind, ergab allerlei Probleme und Verbesserungsvorschläge. Die »geschlechtergerechte, diskriminierungsfreie Sprache auf allen Ebenen des Fußballs« kam irgendwie nie vor. Doch das nur am Rande, denn natürlich wird es höchste Zeit, dass »30 Prozent der Führungspositionen« von Frauen besetzt oder Frauen und Männer »gleich bezahlt« werden sollen. Weil wir das Jahr 2021 schreiben. Und weil die Männer lange genug gezeigt haben, dass sie es nicht können.

Interessant finde ich allerdings, dass das Thesenpapier als Reformvorschlag für den DFB gefeiert wird. Denn de facto ist es ein Gegenprogramm zur gelebten Praxis bei den Profiklubs. Für die Realität eines schwäbischen Verbandsligisten oder einer holsteinischen Mädchenmannschaft bringt diese Agenda nichts. Hier gibt es keine bezahlte Führungs- oder sonstigen Positionen. Gelder und Gehälter können hier nicht gerechter verteilt werden, weil es nichts zu verteilen gibt. Wer das alles ändern will, muss an die realen Machtverhältnisse heran. Es wird höchste Zeit, dass sich der Amateurfußball eine eigene Stimme gibt. Ansonsten spricht niemand für ihn.

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