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Nächste Kraftprobe für Rot-Rot-Grün

In Thüringen zeichnen sich mit Blick auf den Finanzetat neue Konflikte zwischen Koalition und CDU ab

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 4 Min.

In der Debatte darüber, wofür der Freistaat Thüringen in den nächsten Jahren das ihm zur Verfügung stehende Geld ausgeben soll, hat die rot-rot-grüne Landesregierung eine wichtige Entscheidung getroffen. Das Kabinett von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) habe das Finanzministerium gebeten, den Entwurf eines Doppelhaushalts 2023/24 vorzubereiten, sagte ein Sprecher der Landesregierung unserer Zeitung. Ziel sei es, dass sich das Kabinett mit diesem Entwurf am 12. Juli abschließend befassen solle. Was nach einer eher nebensächlichen Formalie klingt, ist von großer Bedeutung für die Landespolitik in der nächsten Zeit, auf jedem Politikfeld - und weist den Weg zur nächsten politischen Kraftprobe zwischen der Minderheitsregierung aus Linkspartei, SPD und Grünen auf der einen sowie der oppositionellen CDU auf der anderen Seite.

Erst Anfang Februar hatte der Thüringer Landtag einen Landeshaushalt für das Jahr 2022 beschlossen. Diesem Beschluss, getragen von einer Parlamentsmehrheit aus Linken, SPD, Grünen und CDU, war ein monatelanges, ausgesprochen hartes politisches Ringen vorausgegangen. Während aber mit dem Haushaltsbeschluss für das laufende Jahr finanzielle Pflöcke für zwölf Monate eingeschlagen worden sind, will die Landesregierung nun mit ihrer Festlegung auf einen Doppelhaushalt gleich für 24 Monate finanzpolitische Fakten schaffen. Würde ein Doppelhaushalt 2023/24 verabschiedet, würde das bedeuten, dass für Thüringen vielleicht sogar schon in diesem Jahr festgeschrieben würde, wofür in den Jahren 2023 und 2024 das dem Land zur Verfügung stehende Geld ausgegeben würde. Dabei geht es um die Frage, wie viele Mittel zum Beispiel in Schulen, Straßen oder neue Polizisten investiert werden sollen.

Besonders bemerkenswert ist dieser Beschluss der Landesregierung, weil es derzeit überhaupt keine parlamentarische Mehrheit für ein solches Vorhaben gibt. Einerseits hat die CDU in den vergangenen Monaten immer wieder klar gemacht, dass sie die Verabschiedung eines Doppelhaushaltes ablehnt. Die Christdemokraten wollen Einzelhaushalte für 2023 und 2024 vom Landtag beschlossen wissen. Andererseits stehen nicht mal die rot-rot-grünen Landtagsfraktionen geschlossen hinter dem Plan der Landesregierung. Vor allem bei Grünen und Linkspartei gibt es hinter verschlossenen Türen erhebliche Vorbehalte gegen diese Pläne. Soweit sich das derzeit sagen lässt, stehen einzig die Sozialdemokraten derzeit relativ geschlossen hinter dem Vorhaben.

Ein Sprecher des Thüringer Finanzministeriums relativiert deshalb auch die Aussage des Regierungssprechers zumindest ein bisschen. Zwar sei es richtig, dass das Kabinett dem von der SPD-Politikerin Heike Taubert geführten Haus aufgetragen habe, einen Doppelhaushalt vorzubereiten. Doch sei auch vereinbart worden, über diesen Auftrag während einer Klausurtagung in einigen Tagen noch einmal zu sprechen. Vorher würden die Mitarbeiter in der Landesverwaltung auch nicht damit beginnen, den Entwurf eines Haushaltes für die nächste Zeit zu erarbeiten, sagte der Sprecher.

Letzteres hat nach Angaben des Sprechers vor allem Verwaltungsgründe. Sollten die Mitarbeiter in der Verwaltung nun beginnen, einen Doppelhaushalt vorzubereiten und in ein paar Wochen oder Monate zeige sich, dass es dafür keine Landtagsmehrheit gebe, sei die gesamte bislang geleistete Arbeit der daran Beschäftigten umsonst, sagte er. Es sei nicht möglich, die Planungen für einen Doppelhaushalt in Planungen für einen Einzelhaushalt zu überführen. »Man würde dann noch mal ganz von vorne beginnen.«

Dass das Regierungskabinett sich nun für einen Doppelhaushalt ausgesprochen hat, ist deshalb offenbar vor allem ein politisches Symbol, mit dem klar gemacht werden soll, dass die Regierung einen so lange gültigen Etat eigentlich will. Ob er kommt, ist damit längst noch nicht gesagt.

Die Befürworter eines Doppelhaushaltes argumentieren vor allem, damit werde für all jene, die Geld vom Freistaat bekommen, für zwei Jahre Planungssicherheit geschaffen. Außerdem würde es so wahrscheinlich nur noch einmal in dieser Legislaturperiode zu Haushaltsverhandlung zwischen Rot-Rot-Grün und CDU beziehungsweise FDP kommen müssen. Kommen zwei Einzeletats, stünden diese sehr aufwendigen Verhandlungen noch zwei Mal an. Nicht wenige im Landtag können sich Schöneres vorstellen.

Die Gegner eines Doppelhaushaltes halten ihn erstens für falsch, weil sich aus ihrer Sicht corona- und nun auch noch kriegsbedingt überhaupt nicht genau sagen lässt, wie viel Geld 2023 oder 2024 in den einzelnen gesellschaftlichen Bereichen wirklich gebraucht wird. Außerdem steht hinter der Ablehnung politisches Kalkül: Spätestens 2024 wird das nächste Mal in Thüringen gewählt - und ein erst relativ kurz vor dem Wahlkampf zu verabschiedender Einzeletat ist eine gute Möglichkeit, Geld für die eigenen Wählerschichten lockerzumachen.

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