- Politik
- IWF-Abkommen
Argentinien atmet durch
Martin Ling über die breite Zustimmung zum IWF-Abkommen
Soviel Chuzpe hatte Argentiniens neoliberale Rechte dann doch nicht: Sie stimmte dem von der regierenden Mitte-links-Regierung von Alberto Fernández ausgehandelten Deal mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) im Senat zu. Die Mehrheitsverhältnisse hätten es locker erlaubt, die Regierung auflaufen zu lassen. Ohne die Stimmen aus den Reihen der Juntos por el Cambio von Ex-Präsident Mauricio Macri (2015-2019) wäre das Abkommen durchgefallen. Die Konsequenz: Argentiniens zehnte Zahlungsunfähigkeit der Geschichte noch im Jahr 2022, in dem fristgemäß 19 Milliarden Dollar Schuldendienst allein an den IWF zu leisten gewesen wäre.
Argentiniens neoliberale Rechte übernahm am Donnerstag somit wenigstens die Verantwortung für den 57-Milliarden-Dollar Rekordkredit, den Mauricio Macri 2018 auf Betreiben von Donald Trump vom IWF erhalten hat. Familie Macri und Familie Trump pflegen seit über 30 Jahren lukrative Geschäftsbeziehungen im Immobiliensektor und der Kredit sollte Macri zur Wiederwahl 2019 verhelfen, was bekanntlich nicht geklappt hat.
Es ist eine Ironie der Geschichte, dass der linke Flügel der Regierungsallianz der Frente por Todos das Abkommen nicht mitträgt und nur der Schulterschluss der Neoliberalen mit dem moderaten Teil der Linksregierung die Mehrheit ermöglichte.
Die Argumente des linken Flügels sind nicht einfach von der Hand zu weisen: Der Macri-Kredit sei illegitim und damit nicht zurückzuzahlen. Den Schuldendienst beim IWF - dem multilateralen Geber der letzten Instanz - einzustellen, schneidet ein Land jedoch komplett vom internationalen Finanzmarkt ab. Ein hohes Risiko, erst recht in Pandemie-Zeiten.
Der Fall Argentinien zeigt einmal mehr, wie sehr ein staatliches Insolvenzrecht gebraucht wird. Der Deal mit dem IWF schiebt die Probleme nur auf. Ein Neuanfang wäre nur mit einer geordneten Staatsinsolvenz möglich, bei dem die Gläubiger auf Forderungen verzichten.
Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln
Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.