Krisentreffen Katholikentag

Nur 27 000 Teilnehmer*innen kamen zum Katholikentag – Kirchenkrisen im Zentrum der Debatte

Kritiker*innen bezweifeln, dass sich die katholische Kirche bald in so eine Richtung entwickelt.
Kritiker*innen bezweifeln, dass sich die katholische Kirche bald in so eine Richtung entwickelt.

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) hätte sich wohl bessere Nachrichten im Vorfeld des 102. Katholikentag gewünscht. Aufbruchsstimmung sollte von der Veranstaltung in Stuttgart ausgehen. Nach zwei Jahren Corona-Pandemie freute sich die ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp wieder auf »echte Begegnung«. Die Pandemie, der Krieg in der Ukraine und die unterschiedlichen Krisen der katholischen Kirche – »gerade in diesen Zeiten« sei der Katholikentag wichtig, so Stetter-Karp.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Doch schon vor Beginn des Katholikentreffens kamen neue, schlechte Nachrichten hinzu. Die »Christ und Welt«-Beilage der »Zeit« veröffentlichte am Dienstag einen Bericht, nachdem der Limburger Bischof Georg Bätzing einen Priester, der zwei Frauen sexualisiert belästigt haben soll, befördert hat. Bätzing verteidigte sein Vorgehen. Die Vorfälle hätten lange zurückgelegen, seien strafrechtlich nicht relevant gewesen, der Priester habe Reue gezeigt und sei mit großer Mehrheit zum Regionaldekan gewählt worden. Er selbst habe nichts tun können. Das mag stimmen, ist für die katholische Kirche in Deutschland trotzdem eine schlechte Botschaft. Bätzing ist derzeit Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz und hat sich in der Vergangenheit immer als besonders an Aufklärung und Reformen interessiert präsentiert. Dieses Bild hat nun Risse.

Eine andere schlechte Botschaft im Vorfeld: der Generalvikar von Speyer, Andreas Sturm, erklärte knapp eine Woche vor dem Katholikentag seinen Austritt aus der katholischen Kirche. Ein Generalvikar ist der Stellvertreter eines Bischofs und so etwas wie der Geschäftsführer eines Bistums. Sturm sagte gegenüber dem SWR, dass er »Hoffnung und Zuversicht verloren« habe, »dass die römisch-katholische Kirche sich wirklich wandeln kann«. Sturm glaubt, die Kirche brauche »einen großen Knall«, um zu verstehen, dass es so nicht weitergehen könne. Gerade der Vatikan müsse verstehen, dass nicht nur ein paar Deutsche die Kirche verändern wollten, sondern dass weltweit viele Menschen unter den Strukturen der Kirche »leiden«.

Um die Reformfähigkeit der katholischen Kirche ging es auch bei einer Veranstaltung der linkskatholischen Zeitschrift »Publik Forum«, an der der emeritierte Kirchenrechtsprofessor Norbert Lüdecke, Mara Klein, die einzige nicht-binäre Person im Synodalen Weg, und Andrea Qualbrink aus dem Bistum Essen teilnahmen. Lüdecke gab sich in der Diskussion am kompromisslosesten. Den Synodalen Weg, mit dem die Kirche verspricht, Reformen auf den Weg zu bringen, bezeichnet er als unzureichend. Das Ergebnis könne nicht mehr als ein »Meinungsbild« sein. In einer hierarchischen Organisation wie der katholischen Kirche gehe es nicht darum, Argumente auszutauschen. Das Wort der Bischöfe zähle. Wer beim Synodalen Weg mitmache, der gebe den Bischöfen eine Plattform, sich als liberal zu präsentieren. Das Fazit des Kirchenrechtlers: »Ich sehe keine Reformfähigkeit in dieser Kirche.« Mara Klein stimmte Lüdecke in vielen Punkten zu, argumentierte trotzdem für die Teilnahme am Synodalen Weg. »Ich mache nicht für die Kirche mit, sondern für die Menschen«, erklärte Klein und verwies darauf, wie »angstbesetzt« das Thema Sexualität in der katholischen Kirche sei. Es gebe aber auch schon Erfolge aufzuzählen: »Im Synodalen Weg gibt es mittlerweile Personen, die meine Argumente einbringen und sie vor zwei Jahren selbst noch nicht kannten«, berichtete Klein. Dem stimmte auch Andrea Qualbrink zu. Die »Begegnungen lösen etwas aus«, Menschen würden mit »Realitäten außerhalb ihrer Blase konfrontiert«.

Ob das für eine große Reform der Kirche ausreicht, ist unklar. Auch wenn es in Stuttgart bei vielen Diskussionen um sexualisierte Gewalt, das kirchliche Arbeitsrecht und eine Öffnung der Kirche ging, bleibt ein schaler Beigeschmack. Nur 27 000 Menschen besuchten den Kirchentag. Vor vier Jahren in Münster waren es noch 90 000 Menschen gewesen. Konservative Bischöfe wie Rudolf Voderholzer und Rainer Maria Woelki blieben dem Katholikentag fern. Der Kölner Bischof feierte vor einem konservativen Publikum im Bergischen Velbert eine Familienwallfahrt. Auch Kirchenkritiker hatten es in Stuttgart nicht leicht. Die Giordano-Bruno-Stiftung und die Betroffeneninitiative »Eckiger Tisch« wollten eigentlich mitten in Stuttgart gegen Geldverschwendung für den Katholikentag und für Aufklärung des sexuellen Missbrauchs protestieren. Sie wurden an den Rand der Innenstadt abgedrängt, dagegen half auch keine Klage vor dem Verwaltungsgericht.

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