Hickhack um die Sprach-Kitas

Noch immer gibt es Diskussionen, wie es mit der Förderung für benachteiligte Kinder weitergehen soll

An blumigen Worten mangelt es nicht. »Über Sprache erschließen sich Kinder die Welt, sie ist der Schlüssel zu Bildung und gesellschaftlicher Teilhabe«, erklärte die saarländische Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (SPD). »Das macht die Sprachförderung gerade jetzt – angesichts der Folgen der Coronakrise und des Ukraine-Krieges – so wichtig.« Aus anderen Bundesländern hört man derzeit ähnliche Statements – einhergehend mit dem Appell an die Bundesregierung, das Bundesprogramm Sprach-Kitas fortzusetzen. Die hatte es nämlich im Juli überraschend aufgekündigt. Zum Jahresende wird das Programm für Kinder aus benachteiligten Familien, die eine besondere Unterstützung beim Spracherwerb benötigen, eingestellt. In rund 6900 Kitas wurden seit 2016 mehr als eine halbe Million Kinder gezielt gefördert. Weil es ein bewährtes Programm ist, gibt es seitdem Streit darum. Selbst die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag hat im September einen Antrag gestellt, der eine Fortführung des Programms fordert.

Die Bundesregierung lehnt aber eine langfristige Fortführung der Sprach-Kitas in ihrer bisherigen Form ab. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) stellte allerdings in Aussicht, dass die Länder selbstständig über den Weiterbestand verfügen können, wenn sie Mittel dafür aus dem Qualitätsgesetz verwenden, über das der Bundestag am Mittwoch in erster Lesung berät.

Vier Milliarden Euro will der Bund den Ländern für die Kitas in den Jahren 2023 und 2024 bereitstellen. Das Vorhaben gilt als Fortführung für das auslaufende Gute-Kita-Gesetz, jedoch wird die Verwendung der Mittel eingeschränkt: Erlaubte es das Gesetz bislang, auch Elternbeiträge zu übernehmen, so ist das neue Gesetz vor allem für die qualitative Ausstattung der Einrichtungen da. Insbesondere soll damit die Arbeitskräftesituation in den Kitas verbessert, Fachpersonal gewonnen und die Leitung der Einrichtungen gestärkt werden. Als Konsequenz aus der Corona-Pandemie sollen auch Maßnahmen zu Gesundheit, Ernährung und Bewegung in den Fokus genommen werden. Außerdem soll in die sprachliche Bildung investiert werden, wie Ministerin Paus dies den Ländern in Aussicht gestellt hat.

Das Problem bei diesem Vorschlag ist allerdings, dass das neue Gesetz erst im Juli 2023 in Kraft treten soll, während die Sprach-Kitas bereits zum Jahresende auslaufen. Es wird also eine Lücke entstehen. Nachdem die Länder in den vergangenen Wochen dagegen protestiert haben, erklärte sich auch Paus zu einer Übergangslösung bereit: »Das ist jetzt sehr, sehr dringend«, erklärte die Ministerin gegenüber der »Tagesschau«. Bislang gebe es noch keine Lösung. »Ich will aber, dass wir das hinbekommen.«

Noch im Frühjahr hat die Berliner Ampel-Koalition darauf hingewiesen, dass das Programm Sprach-Kitas verstetigt werden solle, und die Unionsfraktion im Bundestag wirft dem Regierungsbündnis jetzt Wortbruch vor. Nina Stahr, bildungspolitische Sprecherin der Grünen, verteidigte jedoch das Vorgehen der Bundesregierung: Der Antrag der Union gehe in die »falsche Richtung«, erklärte sie im Plenum. Das Sonderprogramm dürfe man nicht weiterlaufen lassen, sondern es müsse dauerhaft finanziert werden und zum Standard gehören.

Heidi Reichinnek von der Linken versteht zwar das Anliegen der Ampel-Koalition, sie fragte aber in der Debatte, wie man eine gute Idee »so vor die Wand fahren kann«. Die kinder- und jugendpolitische Sprecherin der Linksfraktion befürchtet, dass die von Ministerin Paus angestrebte Übergangslösung bis zum Juli zu spät eingeleitet wird. »Dadurch verlieren wir Fachkräfte in Massen.« Die Bundesregierung müsse nachjustieren, erklärte sie nun gegenüber dem »nd«, und rasch eine Antwort für den Übergang anbieten.

Ministerin Paus bekräftigte kürzlich noch einmal, dass sie froh sei, wenn das Programm kein Modellprojekt mehr ist. Auch stellte sie eine Übergangsfinanzierung des Bundes in Aussicht, knüpfte diese allerdings an eine Bedingung: Die Länder sollen für das Programm künftig die Kosten für eine Regelfinanzierung übernehmen. Schließlich seien die Bundesländer grundsätzlich für Kitas zuständig.

Noch dreht sich die Diskussion um die Fortführung der Sprach-Kitas im Kreis.

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