USA und China sind beide willkommen

Senegal, Sambia und Südafrika zeigen sich bei Auslandsinvestitionen nicht wählerisch

  • Martin Ling
  • Lesedauer: 5 Min.

Wirtschaftlich zu holen gibt es in Sambia nicht viel, wenn überhaupt. Trotzdem steht das Land im südlichen Afrika nach Senegal und vor Südafrika auf der Reiseroute der US-Finanzministerin Janet Yellen. Denn Sambia gehört zu den afrikanischen Ländern, die sich von der Abhängigkeit von chinesischen Krediten lösen wollen. Yellen hat Peking – inzwischen der größte staatliche Gläubiger der Welt – dafür kritisiert, dass es sich nicht schnell genug um eine Umstrukturierung der Schulden armer Länder in Afrika bemüht. Das soll dann auch Yellens zentrales Thema in Lusaka werden. Doch die Kritik an China ist durchaus zu hinterfragen: Peking erließ Sambia 2001, 2006 und 2007 Schulden in Höhe von insgesamt rund 260 Millionen US-Dollar, besagt der Schuldenreport 2022, den das katholische Hilfswerk Misereor zusammen mit dem Entschuldungsbündnis Erlassjahr.de alljährlich herausgibt. Sambia ist damit eines der von chinesischen Schuldenerlassen am stärksten begünstigten Länder in Afrika. Und China hat rund 45 Prozent des Moratoriums der G20-Staaten (DSSI) getragen, sich also maßgeblich daran beteiligt.

Fraglos könnte Sambia weitere Schuldenerlasse brauchen – nicht nur von China. Die Hälfte der Menschen in dem Land im südlichen Afrika lebt von weniger als 1,90 Euro am Tag. Sambias Verschuldung ist in den vergangenen Jahren wegen großer Investitionen in den Rohstoff- und den Infrastrukturbereich dramatisch angestiegen. Die wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie lösten in Sambia 2020 eine Rezession aus. Im November 2020 erklärte sich Sambia als erstes Land infolge der Auswirkungen der Pandemie für zahlungsunfähig und musste seine Schuldendienstzahlungen einstellen. Schon vor der Pandemie schwächelten die Kupferexporte, der wichtigste Devisenbringer des Landes, und schon vor der Pandemie hatte das Land ein hohes Überschuldungsrisiko. Im Februar 2021 ersuchte die sambische Regierung als drittes Land Schuldenerleichterungen unter dem Rahmenwerk für Schuldenerlassverhandlungen jenseits des DSSI.

Im vergangenen August erhielt das Land die Genehmigung des Internationalen Währungsfonds für ein dreijähriges Kreditprogramm in Höhe von 1,3 Milliarden Dollar, um die Schulden umzustrukturieren, die sich nach Angaben der Regierung Ende Juni 2022 auf 14,87 Milliarden Dollar beliefen. Der IWF drängt Sambia, so schnell wie möglich eine Umschuldungsvereinbarung mit seinen internationalen Gläubigern zu treffen, und wird im Frühjahr dieses Jahres eine formelle Bewertung der Lage vornehmen. Nahezu zeitgleich mit Yellen wird auch die geschäftsführende IWF-Direktorin Kristalina Georgieva in Lusaka ihre Aufwartung machen, um der Forderung nach einer Umschuldungsvereinbarung Nachdruck zu verleihen.

Sambia ist im Rahmen der »Neuen Seidenstraße«, der »One Belt, One Road«-Politik Chinas ein wichtiger Baustein. Im Oktober 2021 wurde der Copperbelt-Airport bei Ndola eröffnet. Flughäfen, Wasserkraftwerke, Autobahnen und mehr – solche milliardenschweren Infrastrukturprojekte sind Ausdruck der chinesischen Präsenz.

Chinas Handelsvolumen mit Afrika ist inzwischen etwa viermal so groß wie das der Vereinigten Staaten, und Peking hat sich zu einem wichtigen Gläubiger entwickelt, indem es günstigere Kredite als westliche Kreditgeber anbietet. Diese Entwicklung ist den USA ein Dorn im Auge, nun soll wieder aufgeholt werden. Theoretisch eröffnen sich durch die Konkurrenz USA/China für afrikanische Länder Spielräume, sie haben wieder die Wahl zwischen zwei gewichtigen Partnern wie vor 1989 zwischen den USA und der Sowjetunion und sind nicht mehr einer einzelnen dominanten Macht ausgeliefert. Der Beweis steht indes noch aus, dass diese Spielräume praktisch zum Nutzen der Bevölkerung genutzt werden können.

Mit Südafrika steht einer der beiden größten Handelspartner der USA auf der Reiseroute, der andere, Nigeria, wird ebenso ausgespart wie Angola, das ein wichtiger Öllieferant der USA ist. Auch aus Nigeria beziehen die USA hauptsächlich und das seit Jahrzehnten Erdöl. Zusammen mit Südafrika macht das mit 213 Millionen Menschen bevölkerungsreichste Land Afrikas mehr als die Hälfte des Gesamthandels aus.

Südafrika ist die dritte Station der Reise. Dort will Yellen die Arbeit ihres Finanzministeriums im Kampf gegen den illegalen Handel mit Wildtieren hervorheben und ein Montagewerk der Ford Motor Company außerhalb von Pretoria besuchen, das mehr als 4000 Menschen beschäftigt und bis 2024 klimaneutral werden soll.

Yellen betonte in einem Interview mit dem Rundfunksender NPR: »Mein Hauptziel ist die Vertiefung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den USA und Afrika. Diese Beziehungen sind bereits stark. Viele Unternehmen investieren bereits und tragen zur Schaffung dieser Arbeitsplätze für eine wachsende Mittelschicht bei. Und es wird auch neue Märkte und Kunden für US-amerikanische Firmen geben.«

Bei ihrer ersten Station im Senegal wird Yellen den Präsidenten Macky Sall treffen, mit Unternehmer*innen zusammentreffen und auch die Insel Goree besuchen, die als Sklavenhandelsposten in Westafrika diente und damit die USA mit billigen Arbeitskräften versorgte, ohne die die Entwicklung der USA zur führenden Wirtschaftsmacht nicht möglich gewesen wäre. Außerdem wird Yellen an der Grundsteinlegung für ein Projekt zur Elektrifizierung des ländlichen Raums teilnehmen, das von dem US-Ingenieurbüro Weldy Lamont geleitet und von der US-Export-Import-Bank mit 100 Millionen Dollar unterstützt wird. Strommangel ist in der Tat ein zentrales Problem in Afrika, denn die überwiegende Mehrheit der Menschen hat keinen Zugang zu Elektrizität. »Der vollständige Zugang zu Strom für alle würde weitaus mehr bringen als große Investitionsvorhaben, die meist nicht nachhaltig sind, nur wenigen nutzen und in die Verschuldung hineinführen«, sagte der Afrika-Wissenschaftler Robert Kappel zu »nd«. Doch dieser Ansatz hat weder für die USA noch für China Priorität und auch nicht für die EU, die wie die USA in Afrika versucht, verlorenes Terrain im Wettlauf mit China wieder gutzumachen.

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