• Politik
  • Gedenken an den 13. Februar 1945

Nazis können Dresden weiter instrumentalisieren

»Bombenholocaust«-Transparent ist laut sächsischer Justiz zulässig

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Es war eine Provokation, die Anhänger*innen der Kleinstpartei Die Rechte vor fast genau einem Jahr begingen. Am 13. Februar – dem jährlichen Gedenktag an die schweren Luftangriffe auf Dresden im Zweiten Weltkrieg – marschierten die Neonazis in der Innenstadt auf. Dabei trugen sie auch ein Transparent mit der Aufschrift »Ihr nennt es Befreiung. Wir nennen es Massenmord! Bombenholocaust«. Was die Polizei noch ein Jahr zuvor »aus Gründen der Gefahrenabwehr« untersagt hatte, war 2022 aus Sicht der Justiz unproblematisch.

Die Beamt*innen schritten dieses Mal nicht ein, weil es nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft hieß, diese sehe »keine strafrechtliche Relevanz«. Auch ein Jahr später bleibt die Ermittlungsbehörde bei ihrer Einschätzung. Anlass für die genauere Prüfung war eine Strafanzeige durch das Bündnis gegen Antisemitismus in Dresden und Ostsachsen (BgA-Ostsachsen). Die Initiative war es dann auch, die am Mittwoch über die Einstellung des Strafverfahrens durch die Staatsanwaltschaft informierte.

Neben der langen Verfahrensdauer von fast einem Jahr kritisiert das Bündnis die Begründung der Ermittlungsbehörde, keine weiteren rechtlichen Schritte einleiten zu wollen. Die Beschuldigten hätten »sich mit dem Transparent nicht zu den Verbrechen der Nationalsozialisten an den Juden während der nationalsozialistischen Herrschaft geäußert«, argumentiert laut BgA-Ostsachsen die Dresdner Staatsanwaltschaft.

Für das Bündnis ist die Einstellung der Ermittlungen »unverständlich und ein juristischer Fehltritt«. Maren Düsberg von der Beratungsinitiative RAA Sachsen zeigte sich von der Argumentation der Behörde irritiert: »Noch zu Beginn der Einstellungsverfügung schreibt sie, dass eine Verharmlosung des Holocausts vorliege, wenn dieser ›heruntergespielt, beschönigt oder in seinem wahren Gewicht verschleiert‹ werde, worunter explizit ›alle denkbaren Facetten agitativer Hetze‹ gefasst werden sollen.« Dann aber schreibe die Staatsanwaltschaft, der seit Jahrzehnten von Neonazis geprägte Begriff des »Bombenholocaust« drücke nur das Unrecht aus, das den Bombenopfern von Dresden widerfahren sei, so Düsberg weiter.

Aus Sicht des BgA-Ostsachsen verharmlost der Begriff allerdings zwangsläufig die Verbrechen der Nationalsozialist*innen an der jüdischen Bevölkerung. »Mit dem Wort ›Bombenholocaust‹ wird das Grundwort Holocaust bewusst seinem Kontext entlehnt und mit der Bombardierung Dresdens in Zusammenhang gebracht. Die Dimension der Bombardierung Dresdens wird dabei überhöht; die Dimension des Holocausts abgeschwächt und damit relativiert«, kritisiert Stefan Schwarz vom Verein Hatikva, einer Bildungs- und Begnungsstätte für jüdische Geschichte in Dresden.

Das BgA-Ostsachsen will die Angelegenheit nicht auf sich beruhen lassen und kündigte eine Beschwerde gegen die Einstellung bei der zuständigen Generalstaatsanwaltschaft Dresden an. Das Bündnis hofft, damit eine mögliche Wiederverwendung des Transparentes und des Begriffs in diesem Jahr verhindern zu können.

Tatsächlich nutzen Neonazis die Vokabel »Bombenholocaust« mit Bezug zu Dresden seit Jahrzehnten, so etwa 2005 der damalige NPD-Abgeordnete Jürgen Gansel im sächsischen Landtag. Auch aus der AfD heraus gab es Versuche, die Bombardierung deutscher Städte durch die Alliierten im Zweiten Weltkrieg als Holocaust darzustellen. »Der 13.02.1945 war auch ein Holocaust, der sich über eine ganze, wehrlose Stadt ergossen hat«, behauptete 2019 der damalige sachsen-anhaltische Landtagsabgeordnete Mario Lehmann in einem Beitrag bei Facebook über Dresden.

Lehmann ist inzwischen kein Parteimitglied mehr. Auf der Website des AfD-Kreisverbandes Harz findet sich bis heute ein kurzer Text aus dem Jahr 2020, in dem vom »Bombenterror der Alliierten, auch Bombenholocaust genannt«, die Rede ist.

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