Narrative des Ertrinkenlassens

Matthias Monroy zur Forderung nach einer EU-Seenotrettung

Das Bootsunglück vom März im italienischen Crotone hätte verhindert werden können.
Das Bootsunglück vom März im italienischen Crotone hätte verhindert werden können.

Damit nicht noch mehr Menschen in der »Todeszone« Mittelmeer ertrinken, fordert Manfred Weber, Vorsitzender der Europäischen Volkspartei, eine »neue europäische Rettungsinitiative«. Er wünsche sich, »dass Europa wieder gemeinsam Verantwortung übernimmt, wie wir es schon einmal hatten«.

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Weber, der auch CSU-Vizevorsitzender ist, wendet sich damit gegen das auch bei deutschen Konservativen verbreitete (und nachgewiesenermaßen falsche) Narrativ, die Seenotrettung befördere die Überfahrten. Kritik aus den eigenen Reihen kam wie zu erwarten vom CDU-Parlamentsgeschäftsführer und Hardliner in Sachen Migration, Thorsten Frei.

Allerdings ist die Debatte auch schief. Denn die EU hat eine eigene Seenotrettung nie gefordert oder umgesetzt, im Gegenteil: Nach horrenden Bootsunglücken startete Italien 2013 die Militärmission »Mare Nostrum«, die in weniger als einem Jahr weit über Hunderttausend Menschen an Bord nahm. Die EU drängte die Regierung in Rom daraufhin, die Sache lieber Frontex zu überlassen. Mit Flugzeugen und Drohnen sah die EU-Grenzagentur den Menschen anschließend beim Ertrinken zu – das kann kaum mit »Verantwortung übernehmen« gemeint sein.

Eigentlich müsste die Forderung Webers von der Ampel-Koalition kommen. Die hatte Seenotrettung im Koalitionsvertrag als staatliche Aufgabe bezeichnet und wollte sich auf EU-Ebene dafür einsetzen.

Auch hier ist das Gegenteil der Fall: Bundesinnen- und das Verkehrsministerium (also SPD und FDP) versuchen, über eine Hintertürpolitik in Brüssel EU-weite Repressalien für Seenotretter einzuführen. Damit werden noch mehr Schiffe aus der »Todeszone« ferngehalten. Die tausenden Menschen, die in den kommenden Jahren weiter ertrinken werden, gehen damit auch auf das Konto der Bundesregierung.

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