Krankenhäuser demokratisch planen

Die Linke kritisiert Lauterbachs Klinikreform und stellt ein eigenes Konzept entgegen

Die Linke legte am Freitag ein 14-seitiges Konzept mit eigenen Ansprüchen an eine Krankenhausreform vor. Das Papier wurde vom Parteivorstand beschlossen und unter anderem von den Bundestagsabgeordneten Kathrin Vogler und Ates Gürpinar sowie gesundheitspolitischen Sprechern aus acht Länderparlamenten erarbeitet. Der Entwurf trägt den Titel »Integrierte Versorgung statt Kahlschlag in der Krankenhauslandschaft«. Damit fassen die Fachpolitiker aus Bund und Ländern zusammen, welche Befürchtungen und welchen Lösungsansatz für eine Reform des Gesundheitswesens sie haben.

Hintergrund der linken Forderungen zu Gesundheitsminister Karl Lauterbachs vorgeblicher Entökonomisierung des Sektors ist die Zurückdrängung von Profit und Kostendruck in der Daseinsvorsorge. Dabei habe man es nicht auf die Enteignung privater Kliniken abgesehen, wie Parteivorsitzende Janine Wissler präzisiert. Es gehe hingegen um eine Entprivatisierungsoffensive. Rechtlich sichere Wege seien zum Beispiel mit Re-Kommunalisierungen durchaus vorhanden.

Anstelle der heutigen Fallpauschalen sollten die Krankenhäuser die tatsächlichen Kosten erstattet bekommen; Defizite sollen von der öffentlichen Hand ausgeglichen werden. Die Linke setzt auf die Stärkung des kommunalen und des freigemeinnützigen Sektors.

Tobias Schulze, für die Partei im Berliner Abgeordnetenhaus, benennt beispielhaft die Folgen der Lauterbachschen Reform für die Hauptstadt: »Von heute 60 Krankenhäusern könnte nur die Hälfte übrigbleiben.« Noch habe die Reform nicht wirklich begonnen, man sei in einer Vor-Debatte: »Wenn die Leute merken, dass ihr Krankenhaus zumacht, wird es noch ganz andere Debatten geben.« Schulze hält die Reform handwerklich für so schlecht, dass sie den ganzen Sektor verunsichere. Wie andere Kritiker sieht er eine Existenzgefahr für viele Häuser – sowohl bereits vor der Reform als auch durch sie selbst. »Schon erhalten Krankenhäuser keine Kredite mehr und Fachkräfte bewerben sich nicht mehr bei kleinen Häusern.«

Die Partei möchte im Gegensatz zum Vorgehen des Gesundheitsministers sowohl Patienten als auch Beschäftigte in die Krankenhausplanung einbeziehen. Für letztere müsste es deutliche Verbesserungen geben. Im Linke-Konzept heißt es dazu: »Wir wollen starke politische Anreize für die Krankenhäuser setzen, die Arbeitsbedingungen für die Stammbelegschaften zu verbessern, zum Beispiel durch verlässliche Dienstpläne, höhere Schichtzulagen, Vier-Tage-Woche und gute Personalschlüssel.«

Schon am Vorgehen des Gesundheitsministers bei der Auswahl der Berater zur Reform übt Die Linke scharfe Kritik. Die Partei hat andere Vorstellungen über die Beteiligung. Schon eine demokratische Krankenhausplanung an sich müsse alle Akteure einbeziehen: Länder, Kommunen, Kassenärzte, Krankenhäuser, Gewerkschaften bis hin zu den Kassen und Patientenvertretungen.

Als künftiges Rückgrat einer integrierten und wohnortnahen Gesundheitsversorgung schlägt Die Linke Versorgungszentren in kommunaler Trägerschaft vor. Diese sollten ambulante, stationäre und notfallmedizinische Leistungen aus einer Hand erbringen und an Krankenhäuser höherer Versorgungsstufen anbinden.

Laut Schulze müssten regionale Bedarfskommissionen nach bundesweit einheitlichen Kriterien feststellen, welche Versorgung wo notwendig sei. Dazu könnten Daten zur Basisversorgung der Krankenkassen genutzt werden sowie weitere Sozialdaten der Regionen. Bislang würden vor allem letztere zu Planungszwecken nicht genutzt. Es dürfe nicht zu Ungleichgewichten zwischen armen und reichen Landkreisen kommen. Wichtig für Die Linke sind Wohnortnähe und Erreichbarkeit mit dem öffentlichen Personennahverkehr. Zu einer Rettungsstelle dürften es höchstens 30 Minuten Fahrzeit sein.

Krankenhäuser, die mit der Bundesreform wegfallen würden, will Die Linke entweder mit Zuschüssen erhalten oder in medizinische Versorgungszentren nach dem Vorbild einiger skandinavischer Länder umwandeln. Sie wären ärztlich ausgestattet, aber auch die sogenannten Community Health Nurses würden dort eingesetzt. Von einem gemeinsamen Tresen aus würden die Patienten an den Ort der notwendigen Versorgung gelenkt.

Zur Linke-Kritik an der Reform gehört auch die an der bislang nicht konzipierten Finanzierung. Ein Aspekt ist dabei, dass die fehlenden Investitionskosten der Länder bislang keine Rolle spielten. Das müsse thematisiert werden, so der krankenhauspolitische Sprecher der Partei im Bundestag, Ates Gürpinar: »Wenn es nicht funktioniert, muss eben der Bund einspringen.« Der Politiker könnte sich hier einen jährlichen Zuschuss von 2,5 Milliarden Euro über zehn Jahre vorstellen, damit der Investitionsstau endlich aufgelöst werde. Bei der Finanzierung will Die Linke einen endgültigen Schnitt mit den Fallpauschalen und setzt auf Selbstkostendeckung, also die Erstattung der tatsächlichen Kosten. Gewinne und Verluste wären dann nicht mehr möglich. Hier sieht Die Linke einen Ansatz für die aus ihrer Sicht nötige Entprivatisierungsoffensive.

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