Widerstand gegen Fremdenhass auf Zypern

In den vergangenen Tagen hatte es mehrere Pogrome gegen Migranten auf Zypern gegeben

  • John Malamatinas, Athen
  • Lesedauer: 4 Min.
Einen Tag nach Pogromen gegen Migranten auf Zypern protestieren Antifaschisten in Limassol gegen die Gewalt rechtsextremer Gruppen.
Einen Tag nach Pogromen gegen Migranten auf Zypern protestieren Antifaschisten in Limassol gegen die Gewalt rechtsextremer Gruppen.

Nach den brutalen Angriffen auf Migrant*innen an mehreren Orten in Zypern in den vergangenen Tagen ist die Stimmung weiterhin angespannt. Die gewalttätigen Ereignisse begannen Anfang voriger Woche, als im Dorf Chlorakas in der Nähe des Ferienorts Paphos ein Mob vermummter Rechtsextremer Migrant*innen mit Knüppeln und Eisenstangen angriff. Die Proteste begannen, als sich Einheimische zusammen mit Rechtsextremen versammelten, um gegen die »unkontrollierte Ansiedlung von Ausländern« in ihrer Gemeinde zu protestieren.

Die anschließenden Angriffe wurden von Mitgliedern der rechtsextremen Organisation Elam (Nationale Volksfront) angezettelt. In der ersten Nacht hätten sich hunderte Faschisten in kleinere Gruppen aufgespaltet, »die begannen, die in Chlorakas lebenden Ausländer anzugreifen«, berichtete die Cyprus Mail. Laut Augenzeugen wurden »Schaufenster eingeschlagen, Autos beschädigt und Migranten geschlagen«.

Beschwerden von Dorfbewohnern

Hintergrund sind Beschwerden der Dorfbewohner gegen die Unterbringung von Geflüchteten in einem Wohnkomplex; diese waren jedoch schon vor den Pogromen umgesiedelt worden, nachdem die Bewohner des Gebäudes gegen die fehlende Strom- und Wasserversorgung protestiert hatten. Der lokalen Regierung zufolge sei der Strom abgestellt worden, weil die Mieter ihn gestohlen hätten. Bei der sogenannten Umsiedlungsaktion am 21. August wurden mindestens 170 Personen zwangsgeräumt. Dorfbewohner vermuten, dass mehr Menschen in dem Gebäudekomplex wohnten und einige vermutlich flohen, bevor die Polizei eintraf. Als die Migrant*innen gegen die Räumung protestierten, begannen die zweitägigen Pogrome.

Von Freitag auf Samstag kam es zu einem weiteren Pogrom, diesmal in der Stadt Limassol. Die faschistische Kundgebung begann gegen um 20 Uhr nach einem Aufruf im Internet: Etwa 200 bis 300 vermummte Männer zogen mit Brechstangen und einem Transparent mit der Aufschrift »Refugees Not Welcome« durch die Straßen. Slogans wie »Ausländer raus aus Zypern« und »Zypern ist griechisch« versetzten Passanten in Angst und Schrecken. Eine halbe Stunde später kam es Zeugen zufolge zu wilden Angriffen.

»Faschisten das Handwerk legen«

Laut Gregoris Ioannou, einem griechisch-zypriotischen Soziologen, zeigt das zweite Pogrom, »dass die griechisch-zypriotische extreme Rechte die Messlatte höher gelegt hat«. Und er betont: »Wenn den Faschisten nicht sofort das Handwerk gelegt wird, werden sie es wieder tun, wobei sie auf die Heuchelei und Toleranz vieler zählen.« Nach seiner Meinung ist das, »was wir hier vor uns haben, nie eine lokale Angelegenheit von Chlorakas, und schon gar nicht eine Angelegenheit der öffentlichen Besorgnis über illegale Einwanderung, egal wie sehr Politiker und Journalisten versuchen, es so darzustellen«.

Der obszönste Versuch, rassistische Gewalt zu beschönigen, besteht nach Ioannous Ansicht darin, sie als vermeintlich schlechte Reaktion auf ein bestehendes Problem zu rechtfertigen und sie als »Hooliganismus« zu entpolitisieren. Dabei sei das Pogrom von Limassol das Ergebnis eines Marsches gewesen, der skandierte: »Raus mit den Ausländern aus Zypern, Zypern ist griechisch.«

Die Regierung hat es insbesondere in den Jahren 2016 bis 2022 versäumt, die Flüchtlingskrise zu bewältigen, was zu erheblichen Verzögerungen bei der Bearbeitung von Asylanträgen führte. Dies geschah zu einer Zeit, in der die Regierung der beschleunigten Einbürgerung wohlhabender Personen mit fragwürdigem Hintergrund Vorrang einräumte.

Anstieg der Asylbewerberzahl

Zypern verzeichnet in den vergangenen Jahren einen Anstieg der Zahl von Asylbewerbern, und die Insel ist nach wie vor das führende Land in der EU, was die Zahl der neuen Asylanträge pro Kopf der Bevölkerung betrifft. Laut der Organisation Informigrants zeigen jedoch jüngste Daten von Eurostat, dass »die Zahl der erstmaligen Asylbewerber in Zypern im Mai 2023 auf deutlich weniger als die Hälfte des Wertes vom Mai 2022 gesunken ist, im Gegensatz zum Gesamttrend in der EU, der im gleichen Zeitraum einen Anstieg um 27 Prozent verzeichnete«. Zypern schickt auch eine relativ große Zahl von Asylbewerbern zurück. Im Jahr 2022 wurden rund 7 000 Rückführungen durchgeführt, die meisten gemessen am Verhältnis zur Bevölkerungszahl aller EU-Länder.

Am Samstagabend demonstrierten über 1000 Linke in Limassol »gegen rassistische Pogrome und Angriffe in Chlorakas und überall. Gegen die abscheuliche Berichterstattung der Medien, die rassistische Gewalt entschuldigen. Gegen die Faschisten mit Krawatten, die den Mob anfeuern und schockiert sind, dass es so weit gekommen ist.« Am Montag protestierten ebenfalls Antifaschist*inne nach einem Aufruf der Linkspartei AKEL. Dennoch gibt es keine Entwarnung: Am Mittwoch wollten rechtsextreme Gruppen in der Hauptstadt Nikosia demonstrieren.

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