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Sundance-Filmfestival: Die Community absorbiert dich!
Das US-Filmfestival Sundance feierte seine 40. Ausgabe – unsere Filmredakteurin war vor Ort
Es gibt zwei Gründe, im Januar in dieser kleinen, verschneiten Bergstadt namens Park City im US-Bundesstaat Utah zu sein: Skifahren oder das Sundance-Filmfestival. Während also die einen die Berge der Rocky Mountains hinuntergleiten, treffen sich die anderen downtown, um neue Filme zu schauen und darüber zu diskutieren. Kaum an dem kleinen Ort angekommen, wirst du überwältigt von der enormen Bereitschaft der hier anwesenden Menschen, sich auszutauschen.
Ganz gleich, ob in den Kinos, Bushaltestellen, Supermärkten, Cafés, den Shuttle-Bussen oder einfach auf der Straße: Ständig wirst du von anderen Menschen angesprochen. Wie es dir heute geht, wo du hin möchtest, welche Movies du bis jetzt gesehen hast, wie du diesen oder jenen Film gefunden hast, ob du Filmemacherin oder Produzentin bist. Egal, was für ein antisozialer, griesgrämiger Typ du auch sein magst, nach zwei Tagen siehst du dich zu deiner eigenen Überraschung anderen Menschen lächelnd »Hallo!« oder »Danke!« sagen! Und es wird sich hier ununterbrochen bedankt und entschuldigt: Leute gehen auf der Straße an dir vorbei und entschuldigen sich. Oder bedanken sich bei dir, nur weil du gefragt hast, wie dies oder jenes funktioniert.
Das Sundance ist kein Festival, wo du bloß Filme schaust und danach verschwindest. Die Community absorbiert dich! Hier gibt es nicht unbedingt separate Bubbles für die Industrie, den Filmmarkt, die Presse und die Filmschaffenden, im Gegensatz zu den Festivals in Cannes und Venedig oder der Berlinale. Stattdessen kannst du überall allen begegnen. Es kann gut sein, dass die Frau, mit der du dich im Shuttle-Bus unterhalten hast, sich später als Regisseurin eines der Gewinnerfilme entpuppt. Und es passiert nicht selten, dass du etwa in einem Lokal von einer Produzentin oder der Filmemacherin selbst auf ihren Film aufmerksam gemacht wirst.
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Das Sundance hat keinen roten Teppich und die Preisverleihung findet morgens statt abends statt. Glamour ist kein Stichwort auf diesem Festival. Was hier zählt, ist die Gemeinschaft. Hunderte aus den ganzen USA sind hierhergekommen, um das Festival als Volontär*in zu unterstützen. Sie übernehmen die Arbeit etwa an der Garderobe, als Ticket-Kontrolleur*innen in den Kinos oder stehen an den Bushaltestellen vor den Veranstaltungsorten, um den Gästen bei der Orientierung zu helfen. Auch diese Menschen verleihen dem Festival einen besonderen Charme.
Doch vor allem ist das Sundance der Treffpunkt der unabhängigen Filme, der jungen Künstler*innen und Debütant*innen. Es ist der Ort der verrücktesten und innovativsten Bilder und Arten des Storytellings. Dieses Jahr feierte das Festival seine 40. Ausgabe. In den vier Hauptwettbewerben (US-Spielfilm, US-Doku, Welt-Spielfilm und Welt-Doku) konkurrierten jeweils zehn Filme miteinander. 32 Länder waren vertreten. Auch deutsche Filmemacher*innen waren dabei. In der Kategorie Welt-Doku präsentierten etwa Hans Block und Moritz Riesewieck ihren neuen Film »Eternal You«, der sich mit digitalem Leben nach dem Tod beschäftigt. Die beiden waren nun zum zweiten Mal auf dem Sundance. 2018 zeigten sie hier ihren Debüt-Dokumentarfilm »The Cleaners« über Zensur im digitalen Raum – über die Leute, die entscheiden, was in den sozialen Medien gelöscht werden soll und was nicht. Auch die deutsche Regisseurin Nora Fingscheidt war vor Ort, sie zeigte ihr neues Werk »The Outrun« in der Sektion »Premieres«.
Auch wenn dieses Jahr viele starke Spielfilme auf dem Sundance uraufgeführt wurden, waren es wieder die Dokumentationen dieses Festivals, die besonders herausstachen. Und jede Geschichte faszinierte auf ihre Art: In der US-Doku »Skywalkers: A Love Story« klettert ein russisches Paar auf die höchsten Wolkenkratzer der Welt und riskiert dabei sein Leben. In »Agent of Happiness« gehen einige Beauftragte der Bhutaner Regierung von Tür zu Tür, um die Glücklichkeit der Menschen zu messen. »Never Look Away« handelt vom unkonventionellen Leben der neuseeländischen CNN-Kamerafrau Margaret Moth, die furchtlos in Kriegsgebieten gefilmt hat und 1992 in Sarajevo während der Arbeit ins Gesicht geschossen wurde (was sie überlebte).
Doch das Highlight des diesjährigen Festivals war die US-Doku »Daughters« der Regisseurin Natalie Rae und der Aktivistin Angela Patton. In diesem Film geht es um ein spezielles Programm für inhaftierte Väter in einem Gefängnis in Washington, D.C., das »Vater-Tochter-Tanz« heißt und den Insassen ermöglicht, einen Tag mit ihren Töchtern zu verbringen. Manche von ihnen haben ihre Töchter seit Jahren nicht gesehen, einigen wurden nur Telefonate gestattet. Manche Mütter haben ihren Töchtern verboten, überhaupt Kontakt zu ihren kriminellen Vätern im Gefängnis aufzunehmen.
In der Doku bereiten sich jeweils vier Mädchen und deren inhaftierte Väter auf diesen besonderen Tag und die Begegnung miteinander vor. Rae und Patton, die sich für die Selbstermächtigung Schwarzer Mädchen engagiert, haben acht Jahre an diesem Filmprojekt gearbeitet und die Töchter und deren Familien vor dem Event, währenddessen und danach begleitet. Das Tanzprogramm war eine Art Wende im Leben mancher Familien, vor allem manchen Vätern hat es Halt gegeben. Einige sind inzwischen freigelassen worden.
Bei der Premiere des Films in Park City waren auch die Mädchen, ihre Mütter und zwei sich mittlerweile auf freiem Fuß befindende Väter dabei. Einer von ihnen erzählte, dass er früher nicht mal geschafft habe, mehr als 90 Tage außerhalb des Gefängnisses zu bleiben. Doch seit dem »Tanz« seien es mittlerweile sechs Jahre, in denen er nicht mehr inhaftiert wurde. Das Publikum war außer sich. »Daughters« wurde mit dem Festival-Favorite-Award ausgezeichnet.
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