Bodentruppen-Vorschlag Macrons: Klare Ablehnung aus Deutschland

Politiker aller Parteien wenden sich dagegen, westliche Soldaten in die Ukraine zu schicken

Die Äußerungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zur möglichen Entsendung westlicher Bodentruppen in die Ukraine stoßen in Deutschland parteiübergreifend auf Ablehnung. Nur FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann lobte die »Entschlossenheit« Macrons. Man müsse dessen Einschätzung nicht teilen, er sei aber ein »Antreiber«, während Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ein »Bremser« sei, erklärte sie am Dienstag.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte am Dienstag, er gehe nicht davon aus, dass diesen Überlegungen auch Taten folgen. Stattdessen müsse der Westen der Ukraine weiter mit Waffen helfen, so, wie es von Kiew auch am meisten gewünscht werde.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Michael Roth (SPD), sprach mit Blick auf Macrons Vorstoß von einer »Phantomdebatte«. »Ich kenne niemanden, der das ernsthaft will, auch nicht in der Ukraine«, schrieb Roth auf X. »Die brauchen vor allem Munition, Luftverteidigung, Drohnen, Langstreckenwaffen.«

Auch die stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Agnieszka Brugger, kritisierte die Äußerungen Macrons. Damit überschreite Frankreich eine Linie, die Deutschland, aber auch andere Länder wie die USA, klar gezogen hätten, sagte sie am Dienstag im Deutschlandfunk. Wichtig sei stattdessen, bei der Unterstützung der Ukraine geschlossen aufzutreten. Die Worte Macrons lenkten von anderen wesentlichen Dingen ab, die zur Unterstützung der Ukraine gemeinschaftlich beschlossen worden seien, so die Lieferung weiterer Waffen sowie neue Sanktionen gegen Russland. Auch Frankreich könne hier noch mehr beitragen, so Brugger.

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Scharfe Kritik kam aus der Linkspartei. »Macron ist offenkundig nicht mehr zu retten. Wenn ein Nato-Staat oder gar mehrere Nato-Staaten Bodentruppen in die Ukraine entsenden, haben wir den Dritten Weltkrieg. Das ist völlig indiskutabel«, warnte Gregor Gysi, außenpolitischer Sprecher der Linke-Gruppe im Bundestag. Der frühere Linksfraktionschef Dietmar Bartsch nannte »die Wichtigtuerei« Macrons »gefährlichen Wahnsinn, der Europa anzünden würde«.

Ähnlich äußerte sich der Linke-Ko-Vorsitzende Martin Schirdewan. Er forderte die Bundesregierung auf, sich »in aller Deutlichkeit von Macrons Äußerungen« zu distanzieren. Der Westen müsse »aus der Eskalationslogik ausbrechen und zurück auf den Weg der Diplomatie finden«.

Bundeskanzler Olaf Olaf Scholz (SPD) hatte derweil am Montag sein Nein zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine bekräftigt. Diese wird von FDP und Grünen seit Monaten vehement gefordert. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich betonte am Dienstag, die SPD-Fraktion teile die Einschätzung des Kanzlers. Gleichzeitig hoffe er, dass die Entscheidung auch von den beiden Koalitionspartnern FDP und Grüne »vollumfänglich geteilt wird«, sagte Mützenich in Halle (Saale).

Scholz hatte seine Entscheidung mit dem Risiko einer Verwicklung Deutschlands in den Krieg begründet. »Deutsche Soldaten dürfen an keiner Stelle mit den Zielen, die dieses System erreicht, verknüpft sein. Auch nicht in Deutschland«, sagte er am Montag bei einer Konferenz. Taurus ist eine Präzisionswaffe, die Ziele in 500 Kilometern Entfernung treffen kann. In diesem Radius liegt von der russisch-ukrainischen Grenze aus zum Beispiel der Kreml in Moskau.

Aus Sicht von Scholz wäre der Einsatz des Taurus-Systems nur unter Beteiligung des eigenen deutschen Personals möglich. Deshalb stehe dies derzeit nicht auf der Tagesordnung. Scholz sagte, er wundere sich, »dass es einige gar nicht bewegt, dass sie nicht einmal darüber nachdenken, ob es gewissermaßen zu einer Kriegsbeteiligung kommen kann durch das, was wir tun«. Die Regierung stehe in der Verantwortung vor den Bürgern, dass Deutschland nicht Konfliktpartei werde.

Aus den Reihen der Koalitionspartner kam umgehend Widerspruch. Grünen-Fraktionsvize Brugger, schrieb auf X: »Niemand, der Taurus fordert, will, dass Deutschland zur Kriegspartei wird.« Nach allem, was sie wisse, stimme »dieser Zusammenhang auch faktisch nicht«. Strack-Zimmermann erklärte ebenfalls auf X, Scholz führe gegen die Lieferung von Taurus ein »längst widerlegtes Argument« an.

Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen findet, die Behauptung, Taurus-Lieferungen würden Deutschland zur Kriegspartei machen, sei »rechtlich schlicht falsch und politisch infam«. Taurus sei keine Wunderwaffe, aber »strategisch von Bedeutung, weil er den Ukrainern erlaubt, Stellungen in den besetzten Gebieten zu zerstören, ohne selbst nah an die Frontlinie heranzurücken«. Das System würde mithin Soldaten wie Zivilisten schützen. mit dpa

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