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400 rechte Verdachtsfälle bei 110
Medien veröffentlichen Umfrage zu Ermittlungen gegen Polizisten
Wegen des Verdachts auf rechtsextremistische Gesinnung und Verschwörungsideologien stehen derzeit mindestens 400 Polizeibeamte der Länder im Fokus von Disziplinarverfahren oder Ermittlungen. Das geht aus den Ergebnissen einer Abfrage des Magazins »Stern« und des Senders RTL in den 16 Innenministerien der Bundesländer hervor. Da mit Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen und Thüringen vier Bundesländer keine aktuellen Zahlen liefern konnten, dürfte die tatsächliche Zahl deutlich höher liegen.
Berlin meldet 96 Disziplinarvorgänge gegen Polizeibeamte in Bearbeitung, kann aber keine Auswertung nach Bereichen wie etwa »rechts« oder »links« vornehmen. Mecklenburg-Vorpommern meldet aktuelle Zahlen erst im dritten Quartal, Baden-Württemberg lediglich den Stand zum 31. Dezember 2023. Andere Länder wie Bremen und Thüringen machen keine Angaben dazu, ob Verfahren und Ermittlungen gegen Polizisten bereits abgeschlossen sind oder noch laufen.
Das Schweigen aus Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin sei »skandalös«, sagte Martina Renner, innenpolitische Sprecherin der Linke-Gruppe im Bundestag gegenüber »nd«. Dort seien im Zusammenhang mit der Gruppe »Knockout 51«, dem Netzwerk »Nordkreuz« oder der Anschlagserie in Neukölln Polizisten teils konkret der Zusammenarbeit mit Nazis verdächtigt.
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Derart konkrete Fälle nennen »Stern« und RTL nach ihrer Umfrage nicht. Aktuell ermittelt etwa in Berlin ein Kommissariat einer politischen Staatsschutzabteilung gegen einen 26 Jahre alten Polizeikommissaranwärter, der zuvor einem Kommilitonen antisemitische Inhalte mit einem Bezug zum Holocaust auf seinem Instagram-Account gezeigt und sich entsprechend geäußert haben soll. In Mölln im Südosten Schleswig-Holsteins wird disziplinarrechtlich gegen einen Polizeibeamten ermittelt, der sich mehrfach ausländerfeindlich geäußert haben und mit nationalsozialistischem Gedankengut aufgefallen sein soll – der Hinweis dazu soll von einem Kollegen gekommen sein. Ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Volksverhetzung wurde jedoch eingestellt, da die Äußerung nicht öffentlich gemacht wurde.
In einem ähnlichen Fall hat ein Polizist aus Rheinland-Pfalz zu Recht seine Stelle verloren, urteilte im Februar das Verwaltungsgericht Koblenz. Der Mann hatte in Whatsapp-Chats diskriminierende, antisemitische, rassistische, menschenverachtende, frauen- und behindertenfeindliche sowie gewaltverherrlichende Inhalte gepostet.
Die Umfrage der beiden Medien gibt auch keinen Hinweis darauf, wie viele derartige Fälle die Staatsanwaltschaften zur Anklage gebracht oder tatsächlich dienstrechtlich geahndet haben. Viele Ermittlungen dürften stattdessen mangels Beweisen oder Verfolgungswillen eingestellt werden.
So war es auch im Dezember im Verfahren gegen die verdächtigten Polizisten im Frankfurter Komplex »NSU 2.0« der Fall: Ein hinreichender Tatverdacht sei nicht begründet, sagte die Staatsanwaltschaft der »Taz«. Seit Sommer 2018 waren die Opferanwältin Seda Başay-Yıldız sowie Dutzende weitere Betroffene bedroht worden. Bei Johannes S., dessen rechtsradikale Gesinnung unbestritten sei, sowie seiner Kollegin Miriam D., sei dazu nichts Belastendes gefunden worden.
Im Verfahren gegen die »Reichsbürger« um »Heinrich XIII. Prinz« Reuß wurde indes Anklage gegen einen Polizisten erhoben. Michael F. aus Niedersachsen wird vorgeworfen, innerhalb der von Reuß gegründeten »Patriotischen Union« für das Ressort »Inneres« zuständig gewesen zu sein. Nach einem Sturz der Bundesregierung oder dem erwarteten Zusammenbruch der staatlichen Ordnung habe F. seine eigenen Vorstellungen von einer neuen Sicherheitsstruktur verwirklichen wollen. Von seiner Weltsicht wollte der Beschuldigte auch Kollegen überzeugen – gegen zwei weitere Polizisten wurde hierzu ebenfalls ermittelt. F. soll gemeinsam mit Reuß und den anderen Mitgliedern der »Patriotischen Union« angeklagt werden, der Prozess vor dem Oberlandesgericht Frankfurt beginnt am 21. Mai.
In dem Bericht von »Stern« und RTL geht es nur um Länderpolizeien. Wie viele Ermittlungen mit einem Verdacht auf Rechtsextremismus, Verschwörungsgläubige oder »Reichsbürger« bei der Bundespolizei laufen, wollte eine Sprecherin am Donnerstag mit Blick auf die kurze Frist nicht beantworten. Auch das Bundeskriminalamt äußerte sich auf eine Anfrage des »nd« nicht.
Auch der unlängst in den Dienst getretene Polizeibeauftragte des Bundes beim Deutschen Bundestag, Uli Grötsch (SPD), bestätigt ein enormes Bedrohungspotenzial, heißt es in dem Pressebericht von »Stern« und RTL: »Wir leben in Zeiten, in denen von Rechtsextremen gezielt versucht wird, die Polizeien zu destabilisieren«, sagt er. »Die Gefahr ist so groß wie noch nie. Für das ganze Land. Und deshalb auch für die Polizeien.« Mit dpa
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