Kurswechsel gegen Sparpolitik

Die IG Metall drängt auf umfassende Investitionen und eine Reform der Schuldenbremse

Kommt im neuen Papier der IG Metall deutlich zum Ausdruck: Der Konflikt in der Stahlsparte von Thyssenkrupp in Duisburg.
Kommt im neuen Papier der IG Metall deutlich zum Ausdruck: Der Konflikt in der Stahlsparte von Thyssenkrupp in Duisburg.

Auf den ersten Blick sieht es nach einem Positionspapier der Industrieverbände aus: »Wir wollen, dass Deutschland ein erfolgreiches Industrieland bleibt«, heißt es etwa im ersten Satz des Elf-Punkte-Programms, das jedoch die IG Metall am Mittwoch veröffentlichte. Erarbeitet wurde es von über 40 Gesamt- und Konzernbetriebsräten aus den großen Industrieunternehmen. Auf den zweiten Blick verweisen die Forderungen auf tiefgreifende Verteilungskonflikte und gehen auf Konfrontationskurs mit Unternehmen und der Sparpolitik der FDP.

»Jedes Jahr rund 60 Milliarden Euro, so viel muss der Staat in den nächsten zehn Jahren zusätzlich in öffentliche Infrastrukturen investieren«, heißt es etwa zur aktuellen Sparpolitik der Bundesregierung in dem Papier der IG Metall. Es geht um Digitalisierung und KI, Anreize für die Produktion von Halbleitern, Batterien und Wasserstoff, um Schienen- und Energienetze.

Mit ihren Investitionsforderungen berufen sich die Betriebsratsvorsitzenden auch auf die jüngsten Vorschläge der beiden großen Wirtschaftsforschungsinstitute, dem unternehmernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) und dem gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). Aus einer am Dienstag gemeinsam vorgestellten Studie geht hervor, dass es bis 2034 einen Investitionsbedarf in Höhe von 600 Milliarden Euro gibt.

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Dazu bedürfe es einer schnellstmöglichen Reform der Schuldenbremse, die produktive Investitionen zulässt, so die Ökonomen. Denn die Summe lässt sich laut IW und IMK nicht im Rahmen der bestehenden Haushalte finanzieren. Doch eine solche Reform lässt sich mit der FDP derzeit nicht machen. Darum sind andere Mittel geboten, etwa ein Sondervermögen für die Transformation, das dem Staatsschuldenrecht entzogen wäre, wie IMK-Direktor Sebastian Dullien betont.

Ein Vorschlag, den auch die Betriebsräte der IG Metall befürworten. Denn so könne der Bund auch den Industriekonzernen stärker unter die Arme greifen. Etwa durch Kaufprämien für Logistik-Unternehmen bei der Anschaffung von Elektro-Lkw, oder mittels eines subventionierten Strompreises für die energieintensive Produktion. Eine umstrittene Forderung, da die Konzerne bereits stark subventioniert werden. Kritik daran kommt etwa von Verdi: Ein Preisdeckel, der nur energieintensive Unternehmen subventioniert, komme nicht allen Beschäftigten zugute, heißt es. Einigkeit dürfte es indes bei der Forderung auch Wiedereinführung der Vermögenssteuer sowie einer deutlichen Anhebung des Spitzensteuersatzes geben.

Doch nicht nur den Staat will die Gewerkschaft in die Verantwortung nehmen. So klingt etwa der aktuelle Kampf der Belegschaft beim Stahlkonzern Thyssenkrupp durch. Der hatte zuletzt angekündigt, Produktionskapazitäten und voraussichtlich auch Stellen in Deutschland abbauen zu wollen. Das Stahlgeschäft leide unter »sowohl stark rückläufigen Preisen als auch Mengenrückgängen«, erklärte das Unternehmen zur Geschäftslage am Mittwoch. Für die IG Metall war die Konzernankündigung eine Kampfansage. Unternehmen sollen auf Stellenabbau, Verlagerungen und Standortschließungen verzichten, fordern die Betriebsräte auch im neuen Papier.

Die würden derzeit aber vorangetrieben, weil die Konzerne falsche Renditeerwartungen hätten und zu hohe Dividenden ausschütten, kritisiert die IG Metall. »Dieser knallharte Aktionärskapitalismus vernichtet Arbeitsplätze und schwächt den Wirtschaftsstandort Deutschland«, klingt es in den alten Worten des sogenannten rheinischen Kapitalismus. Die Unternehmen müssten dagegen verstärkt in grüne Technologien und neue Geschäftsmodelle investieren, mahnen die Betriebsräte an.

»Wir stehen mitten in einem tiefgreifenden Umbruch«, sagt die IG-Metall-Vorsitzende Christiane Benner dazu. Zukunftsratstarifverträge und Betriebsvereinbarungen sollen dabei zur Sicherung von Arbeitsplätzen beitragen. Öffentliche Aufträge und Subventionen wie im Fall des Duisburger Stahlriesen sollten an Tarifverträge gebunden werden. Ein entsprechendes Gesetz wird durch die Ampel bald in das parlamentarische Verfahren eingebracht.

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