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Clantheater im Landtag

Expertenanhörung zu Clankriminalität bringt wenig Neues

Herbert Reul (CDU), Innenminister von Nordrhein-Westfalen, inszeniert sich gern als oberster Clan-Bekämpfer.
Herbert Reul (CDU), Innenminister von Nordrhein-Westfalen, inszeniert sich gern als oberster Clan-Bekämpfer.

Sachverständigenanhörungen gehören zum politischen Klein-Klein. Es gibt sie in den Landesparlamenten genauso wie im Bundestag. Ihre Themen betreffen das ganze Spektrum, mit dem sich Politik befasst. Für den Innenausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags war am Donnerstagvormittag ein Antrag der AfD Anlass für eine Expertenanhörung.

Dass ein AfD-Antrag Anlass für die Anhörung ist, ist schon ein Problem. Denn der Antrag der extrem rechten Partei ist das Drehbuch für das Clantheater in Düsseldorf. Auf acht Seiten zeichnet die extrem rechte Partei ein extrem düsteres Bild von Nordrhein-Westfalen und speziell dem Ruhrgebiet. Dass die Polizei sich hier überhaupt noch ohne Panzerwagen auf die Straße traut, erscheint wie ein Wunder. Dass die Bewohner*innen noch nicht zehntausendfach zur Waffe gegriffen haben, um sich gegen Ausländerbanden zu verteidigen, ebenso. Mehr oder weniger belegt wird das Horrorbild vom Ruhrgebiet mit Berichten aus rechten Alternativmedien und Schlagzeilen der Lokalpresse. An die Landesregierung stellt die AfD 25 Forderungen. Sie können leicht zusammengefasst werden: Die Sicherheitsbehörden sollen mehr Daten erheben und mehr Befugnisse gegen sogenannte Clans haben. Besonders ins Ziel genommen werden sollen syrische Clans, die seit 2015 ins Land gekommen seien und nun ihre Strukturen verfestigten.

Mehr Abschiebungen von Clanmitgliedern werden gefordert. Die AfD wüsste außerdem gerne, wie es um »Remigrationsbemühungen gegenüber ausländischen Clankriminellen« steht und würde diese gerne »steuerbar« machen. Um nicht in einen »Ausländer raus«-Jargon zu verfallen, betont der AfD-Antrag, dass es der Partei um den Schutz der Deutschen und »gut integrierten und assimilierten Menschen ausländischer Herkunft« geht. Die AfD-NRW versucht so, sich selbst als gemäßigt zu markieren.

Das klappt offensichtlich ganz gut. Denn niemand in der Ausschusssitzung stellt die Absichten der AfD infrage. Alle Fraktionen stellen den Experten Fragen zum Thema »Clankriminalität«. Als Experten fungieren mit Oliver Huth vom Bund Deutscher Kriminalbeamter und dem meinungsstarken Bundespolizeigewerkschafter Manuel Ostermann erst mal zwei Interessenvertreter der Polizei. Huth spult routiniert sein Programm ab, bringt aktuelle Forderungen seiner Interessenvertretung unter. Er fordert mehr Eingriffsmöglichkeiten. Huth fordert, Umfeldermittlungen ausweiten zu können und würde gerne heimliche Durchsuchungen durchführen. Gegen Clans helfe mehr europäische Kooperation. Die NRW-Landesregierung fordert er auf, gegen Überlegungen aus dem Bund, den Einsatz von verdeckten Ermittlern und V-Leuten einzuschränken, zu protestieren. Diese seien essenziell für die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität. Von Manuel Ostermann ist ähnliches zu hören, nur mit einem echteren Zungenschlag. So warnt er gleichzeitig vor der Terrorgefahr, Drogen- und Schleuserkriminalität. Ostermann fordert außerdem mehr Abschiebehaftplätze und bessere Möglichkeiten, Passersatzpapiere zu beschaffen. Themen, die die »Clankriminalität« zwar nur am Rande betreffen, die dem rechten Polizeigewerkschafter aber gerade wichtig sind. Und zu den Fragen und Forderungen der AfD passen sie auch.

Auch der Berliner Islamkritiker Ralph Ghadban gefällt denjenigen, die eine harte Hand gegen Clans präferieren. Ghadban hat vor einigen Jahren ein Buch über Clans geschrieben. Dort benennt er Fehler bei der Integration von Geflüchteten aus dem libanesischen Bürgerkrieg in den 1980er Jahren. Mehr Raum nimmt bei ihm aber auch im Düsseldorfer Landtag die Schilderung von Familienclans als hochkriminellen Netzwerken ein, die nach einem eigenen, die Demokratie ablehnenden, Wertekanon leben. Ghadbans Ausführungen im Landtag sind weitschweifig.

Das ist schade, denn als Dr. Mahmoud Jaraba von der Universität Erlangen-Nürnberg die Fragen beantworten soll, ist die restliche Zeit für die Anhörung nur noch knapp. Jaraba forscht seit 2015 zum Thema, hat im Ruhrgebiet Interviews mit Menschen aus »Clanfamilien« durchgeführt. Er zeichnet ein differenziertes Bild. Erklärt, dass es weniger um Familienclans ginge, als um verschiedene kriminelle Banden, bei denen andere Faktoren eine größere Rolle spielten. Im Hinblick auf die neuen, syrischen Clans, die Anlass für den AfD-Antrag waren, erklärt Jaraba, dass es sich um einzelne Familienstrukturen handele. Er warnt, dass sie ihre Einflüsse in der syrischen Diaspora ausbauen könnten. Anders als die anderen Sachverständigen sieht der Wissenschaftler angebliche Clans nicht nur als Problem für die Polizei. Auf Fragen von SPD- und Grünen-Abgeordneten, antwortet er, dass er viel von Prävention halte. Die müsse da anfangen, wo die Jugendlichen seien, also in den Schulen. Kriminelle Karrieren fingen oft schon im Alter von 12 Jahren an. Jaraba warnt auch vor Stigmatisierungen, die allein der Begriff der »Clankriminalität« hervorrufe. In seiner lesenswerten schriftlichen Stellungnahme warnt er davor, dass im Antrag der AfD Forderungen stecken, die zu »gravierenden Fehleinschätzungen« führen würden.

Nach anderthalb Stunden ist die Expertenanhörung im Landtag vorbei. Demnächst wird über den Antrag der AfD im Landtag abgestimmt.

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