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Initiative Baumentscheid: Weg frei für mehr Stadtbäume in Berlin

Klimaanpassungsgesetz der Initiative Baumentscheid ist nach Abstimmung mit Senat rechtlich zulässig

Je heißer der Sommer, desto wichtiger der Schatten – vor allem in überhitzten und dicht besiedelten Wohngegenden.
Je heißer der Sommer, desto wichtiger der Schatten – vor allem in überhitzten und dicht besiedelten Wohngegenden.

Die Initiative Baumentscheid ist einen Schritt weiter: Der von ihr ausgearbeitete Gesetzestext für verbindliche Klimaanpassungsmaßnahmen in Berlin ist rechtlich zulässig. Das ist das Ergebnis eines gemeinsamen Prüfungsprozesses mit der Senatsinnenverwaltung, in dem der vorherige Entwurf der Initiative an einigen Stellen abgeändert wurde, um mit Bundesrecht und Berliner Verfassung übereinzustimmen. »In Summe konnten wir alles retten, was uns wichtig war«, so Heinrich Strößenreuther, einer der Baumentscheid-Initiatioren, auf einer Pressekonferenz am Dienstag.

Die Zulässigkeitsprüfung war nach der erfolgreichen ersten Unterschriftensammlung der Initiative im vergangenen Herbst der nächste Schritt auf dem Weg zu einem neuen, von Bürger*innen initiierten Berliner Gesetz. Jetzt ist der Senat am Zug: Er muss sich auf eine Position zum Bäume-Plus-Gesetz einigen und diese dann bis Ende Juli dem Abgeordnetenhaus übermitteln. Deshalb sei das Gesetz am Montag an die Senatsumweltverwaltung geschickt worden, sagt Strößenreuther. Dann liegt es am Abgeordnetenhaus, das Gesetz entweder bis November einzuführen – oder nicht.

»Wenn das Abgeordnetenhaus das Gesetz nicht selbst umsetzt, dann starten wir das Volksbegehren«, sagt Strößenreuther. Dafür muss die Initiative 250 000 Unterschriften sammeln – etwa 170 000 gültige Unterschriften von Wahlberechtigten braucht es. Dann müsste ein Volksentscheid durchgeführt werden. Die Initiative plant einen Puffer wegen möglicher ungültiger Unterschriften ein. Sollten genug Unterschriften zustande kommen, kann zur Abgeordnetenhauswahl am 20. September 2026 auch über das Klimaanpassungsgesetz abgestimmt werden.

»Der Kern ist, dass wir in zehn bis 20 Jahren noch halbwegs gut und erträglich in Berlin leben können«, sagt Strößenreuther. Dafür brauche es vor allem mehr gesunde Bäume zum Abkühlen der Stadt. Weil aber derzeit Tausende Bäume jährlich gefällt werden und der Rest auch nicht in einem guten Zustand ist, will die Initiative der Berliner Verwaltung verbindliche Vorgaben per Gesetz auferlegen. So sollen Maßnahmen zur Kühlung Berlins nicht nur in einzelnen Vorzeigeprojekten umgesetzt werden, sondern systematisch in der gesamten Stadt. Die Kieze, in denen es besonders heiß ist, sollen priorisiert werden – das trifft etwa auf jedes dritte Viertel in der Stadt zu.

»80 Prozent der Bevölkerung stehen hinter dem Gesetz.«

Heinrich Strößenreuther
Initiative Baumentscheid Berlin

Konkret heißt das zum Beispiel: In ganz Berlin muss auf jeder Straßenseite alle 15 Meter ein Baum stehen, für jeden gefällten Baum müssen drei Bäume nachgepflanzt werden. In den Hitzevierteln brauchen alle Anwohner*innen Zugang zu Baumschatten-Plätzen in nicht mehr als 150 Metern und einem Park in 500 Metern Entfernung. Sollten diese Vorgaben in Kraft treten, dann müssten in Berlin bis 2040 etwa 100 neue Parks entstehen und 300 000 Bäume alleine für die Straßenbepflanzung dazukommen. Kosten soll das Ganze nach Einschätzung von Initiative und Senat bis 2040 etwa 500 Millionen Euro jährlich beziehungsweise insgesamt 7,2 bis 7,5 Milliarden Euro.

Die Änderungen am ersten Gesetzentwurf in der Zulässigkeitsprüfung hätten diesen Kern nicht betroffen, sagt Strößenreuther. Felix Mühlmann, Verantwortlicher der Initiative für die Gesetzesentwicklung, zählt einige der Punkte auf, die dennoch abgeändert werden mussten. Die eigentlich vorgeschriebenen Sofortmaßnahmen bei Nichteinhaltung oder wahrscheinlicher Verfehlung der Ziele kann der Senat nun bleiben lassen, wenn »ein überragendes öffentliches Interesse« besteht. Dies könne eintreten bei unvorhergesehenen Ereignissen wie Naturkatastrophen oder einem »Verteidigungsfall«, sagt Mühlmann.

Außerdem dürfen etwa Bürger*innen nicht mehr, wie zunächst vorgesehen, selbst Bäume an dem Standort nachpflanzen, an dem ein gefällter Baum nicht ersetzt wurde. Sie müssen einen »fachkundigen Dritten« beauftragen, damit der Baum nicht falsch gepflanzt wird. Dafür muss aber der Kontrollrat Klimaanpassung feststellen, dass die Berliner Verwaltung ihren Nachpflanz-Pflichten nicht nachgekommen ist. Dann können Bürger*innen die selbstständige Bepflanzung beantragen und müssen dafür auch die ersten Kosten tragen. Das Land soll aber zwei Monate später für die weitere Pflege und Bewässerung aufkommen.

Die Initiative Baumentscheid zeigt sich zuversichtlich, dass ihr Gesetz früher oder später umgesetzt wird – entweder vorzeitig durch das Abgeordnetenhaus oder im kommenden Jahr durch einen Volksentscheid. »80 Prozent der Bevölkerung stehen hinter dem Gesetz«, sagt Strößenreuther. Das habe eine Umfrage der Initiative ergeben. Außerdem befürworteten sowohl SPD als auch Grüne und Linke in Berlin das Vorhaben. »Es ist unsere große Bitte und Erwartungshaltung, dass das Abgeordnetenhaus das Gesetz einfach selbst umsetzt«, sagt Strößenreuther.

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