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Kuba: Gutes Saatgut aus Vietnam

In Kubas westlichster Provinz Pinar del Rio soll mit vietnamesischer Unterstützung der Anbau von Reis wieder in Schwung gebracht werden

  • Andreas Knobloch
  • Lesedauer: 7 Min.
Vielversprechener Reisanbau auf Kuba: Auf weniger Fläche kann viel mehr Reis produziert werden.
Vielversprechener Reisanbau auf Kuba: Auf weniger Fläche kann viel mehr Reis produziert werden.

Bevor es raus auf die Felder geht, steht ein Besuch bei der Kommunistischen Partei Kubas in der Provinzhauptstadt Pinar del Rio auf dem Programm. In einem klimatisierten Saal erwarten uns die Vizeparteichefin der Provinz und einige lokale Funktionäre. Die westlichste Provinz Kubas ist Anbauregion des weltbesten Tabaks; heute aber soll es um Reis gehen. Der für Landwirtschaft zuständige Delegierte, Otero Rodríguez Perugorría, referiert anhand einiger Schautafeln kurz über den Zustand des Agrarsektors in Kuba und insbesondere in der Provinz. Gute Nachrichten hat er erwartungsgemäß nicht zu verkünden.

»Die Situation ist schwierig. Insbesondere der Mangel an Pestiziden und Düngemitteln hat die Reisproduktion erheblich reduziert. Wir benötigen zum Beispiel für Pinal de Río jährlich 22 000 Tonnen Reis für den Verbrauch. Heute decken wir das nicht. Es werden nur etwa 15 000 Hektar ausgesät, mit einem Ertrag von 1,1 Tonnen pro Hektar. Mit anderen Worten: sehr geringe Erträge.« Landesweit erwirtschaften die kubanischen Landwirte auf ihren Flächen im Schnitt 1,7 Tonnen Reis pro Hektar.

Reis ist eines der Grundnahrungsmittel des Landes. Ein Großteil der Bevölkerung ist auf die stark subventionierte Zuteilung von Reis angewiesen. Die aber konnte zuletzt immer seltener garantiert werden. Im vergangenen Jahr produzierte Kuba nur rund 80 000 Tonnen Reis – 11 Prozent des Bedarfs. Vor der Pandemie war es mit 304 000 Tonnen noch fast viermal so viel, aber auch da schon weit entfernt von den benötigten 700 000 Tonnen. Um den Verbrauch zu decken, mussten die Importe ausgeweitet werden.

Der jahrelange Raubbau an Maschinen und Flächen hätte zu einem erheblichen Rückgang der Anbauflächen und der Erträge geführt, sagt Rodríguez. Auf vielen kleinbäuerlichen Flächen wird noch – oder wieder – mit Ochsen gepflügt. Neben Dünger und Pestiziden fehlt es an Treibstoff und Ersatzteilen; das technische Gerät ist oft veraltet oder defekt. Hinzu kommen Umweltfaktoren wie Versalzung der Böden oder Dürre. Dass das starre System der staatlichen Abgabequoten wenig Anreiz zur Produktion bietet und die nötigen Investitionen in die Landwirtschaft ausbleiben, erwähnt der Funktionär nicht. Stattdessen kommt er auf das Projekt zu sprechen, weswegen wir hier sind, und auf dem viele Hoffnungen ruhen. Mithilfe Vietnams soll der Reisanbau angekurbelt werden.

»Nach einer Reihe von Machbarkeitsstudien wurde im Februar 2023 beschlossen, mit dem vietnamesischen Unternehmen Agri VMA zusammenzuarbeiten«, sagt Rodríguez. »Mit diesem Projekt können wir Erträge von sechs, sieben, siebeneinhalb Tonnen oder mehr pro Hektar erzielen. Auf weniger Fläche können wir so viel mehr Reis produzieren.«

Aus der konditionierten Kaltluft des Parteigebäudes geht es eine gute Stunde lang über schmale Straßen und buckelige Feldwege in der Nähe der Ortschaft Los Palacios in den Südosten der Provinz. Bereits aus einiger Entfernung hört man das dumpfe Rattern, mit dem das gewaltige Dreschrad der Reiserntemaschine die dicht an dicht stehenden Pflanzen durchpflügt. Im Bauch der Maschine werden die Reiskörner von den Ähren getrennt und die Halme zurück aufs Feld geworfen. Nach einigen Runden fährt der Mähdrescher an den Rand, um den geernteten Reis über ein langes Rohr auf die Ladefläche eines Lkw zu spucken. Dann geht es zur nächsten Runde. In der Ferne schimmern in der gleißenden Sonne eine in die Jahre gekommene Reismühle und Silos.

Ackerland für ein ausländisches Unternehmen

Die Felder gehören zur Farm Cubanacán des kubanischen Staatsbetriebs Empresa Agroindustrial de Granos Los Palacios. Hier hat die kubanische Regierung im Rahmen eines Pilotprojekts vor einigen Monaten zum ersten Mal einem ausländischen Unternehmen Ackerland zur eigenständigen Bewirtschaftung überlassen – ein beispielloser Schritt. Nach der Revolution im Jahr 1959 sind ausländische Landbesitzer enteignet worden. Nun baut das vietnamesische Unternehmen Agri VMA in Los Palacios auf staatlichen Flächen Reis an.

»Kuba verfügt heute nicht über das technologische Paket für den Reisanbau«, sagt Ariel García Pérez, der Generaldirektor der Empresa Agroindustrial, am Rande des Feldes. »Wenn ich Technologiepaket sage, meine ich Düngemittel, Herbizide, Fungizide und Insektizide, die für die Reiserzeugung erforderlich sind. Aber auch Saatgut.« Von den 23 000 Hektar Reisfeldern seines Betriebes würden derzeit nur 6000 Hektar bewirtschaftet, sagt er.

Und da kommen die Vietnamesen ins Spiel. Die Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern im Reisanbau bestehe seit einigen Jahren, sagt García. Das Projekt in Los Palacios aber habe eine neue Qualität. Agri VMA erhält Anbauflächen und bewirtschaftet diese in Eigenregie. Dafür hat das Unternehmen Ausrüstung, Betriebsmittel, eigene Fachleute und Saatgut von in Vietnam gezüchteten hybriden Reissorten auf die Insel gebracht. Dem von einer schweren Wirtschaftskrise und US-Sanktionen gebeutelten Kuba fehlen die Devisen dafür. Die Empresa Agroindustrial de Granos stellt den Vietnamesen lediglich Arbeitskräfte und Maschinen zur Verfügung. Den Service lässt man sich mit harten Devisen bezahlen.

Vierzig kubanische Arbeiter wurden von Agri VMA direkt angestellt, erzählt García. Normalerweise läuft das in Kuba über eine staatliche Beschäftigungsagentur. »Wir als Unternehmen erbringen Dienstleistungen für das vietnamesische Unternehmen und verlangen den Marktpreis für die Dienstleistungen«, sagt García. »Die vietnamesische Firma bezahlt uns dafür, dass wir das Land bearbeiten, den Reis ernten, trocknen und mahlen.« Er deutet auf die Reismühle am Horizont. »Unser Unternehmen verfügt bei allen Schwierigkeiten, die es im Moment haben mag, über eine industrielle Infrastruktur. Das heißt, wir haben eine installierte Kapazität zur Annahme von 700 Tonnen nassem Rohreis pro Tag. Und unser Unternehmen kann täglich mehr als 400 Tonnen Reis für den Verbrauch mahlen.«

»Das Klima ist sehr gut für die Landwirtschaft«, sagt der vietnamesische Agrarwissenschaftler Trán Trong Pai, einer von sechs an dem Projekt beteiligten vietnamesischen Spezialisten. »Aber es mangelt an Düngemitteln. Deshalb haben wir alles mitgebracht.« Los ging es im Herbst mit einer gemeinsamen Versuchsphase auf 16 Hektar, die mit vietnamesischem Saatgut bepflanzt wurden. Mittlerweile hat Agri VMA 1000 Hektar Land zum Nießbrauch erhalten, von den mehr als 900 Hektar bepflanzt wurden.

Die bisherigen Resultate sind vielversprechend. »Die ersten 43,9 Hektar haben 296 Tonnen Nasskaskadenreis erbracht«, zeigt sich García zufrieden. Die knapp 6,75 Tonnen pro Hektar sind in etwa viermal so hoch wie der Ertrag vergleichbarer kubanischer Flächen. »Die Erwartungen an das Programm haben sich erfüllt«, sagt er und macht das gute Ergebnis vor allem am vietnamesischen Saatgut und dem eingesetzten Dünger fest.

Kuba kauft den Reis der vietnamesischen Firma ab

Der Ertrag ist nicht weit von den acht Tonnen Reis pro Hektar entfernt, die sie normalerweise in Vietnam auf großen Flächen erzielen, sagt Trán Trong Pai. »Wir wollen mehr Ertrag hier auf Kuba, aber wir pflanzen hier zum ersten Mal an. Wir sind noch dabei, die Böden kennenzulernen, um zu wissen, wie viel Dünger wir verwenden müssen.«

Der geerntete Reis gehört Agri VMA, Kuba kauft ihn. »Das Ziel ist es, Importe zu ersetzen«, sagt García. »Man muss den Reis nicht aus Vietnam nach Kuba bringen. Der Reis bleibt hier in Kuba und Kuba kauft ihn von Vietnam. Das ist billiger als ihn zu importieren.« Allein im vergangenen Jahr hat Kuba mehr als 300 Millionen US-Dollar für Reisimporte ausgegeben – viel Geld angesichts leerer Kassen. Die Einfuhr von Reis aber ist nicht nur mit Einkaufs- und Transportkosten verbunden. Aufgrund der US-Blockadepolitik gegen Kuba ist es zudem mitunter schwierig, Reedereien zu finden, die bereit sind, das Getreide in kubanische Häfen zu bringen, da Schiffe, die Kuba anlaufen, von Washington sanktioniert werden.

»Im landwirtschaftlichen Teil des Projekts geht es nur um Inputs«, so García. »Wir hatten nicht das technologische Paket. Da kommt Vietnam mit seinen Ressourcen und seinem Potenzial ins Spiel. Das sind Möglichkeiten, die wir nutzen müssen. Eine Win-win-Situation.«

Neben der Überlassung der Ackerfläche zum Nießbrauch, bei dem die Vietnamesen in Eigenregie arbeiten, umfasst die Vereinbarung mit Agri VMA zwei weitere Geschäftsmodelle, so García. Eines mit einer aktiveren Beteiligung der kubanischen Seite. »Das vietnamesische Unternehmen stellt das komplette technologische Paket zur Verfügung, und die Produktion erfolgt dann zu gleichen Teilen zwischen kubanischer und vietnamesischer Seite.« Beim dritten Modell verkauft Agri VMA nur sein Saatgut, Düngemittel und andere Betriebsmittel an kubanische Landwirte.

Vom Erfolg des Projekts ist García überzeugt: »Heute ernten wir etwa sieben Tonnen pro Hektar. Das kann noch übertroffen werden. Das Potenzial der vietnamesischen Sorte liegt bei über acht Tonnen pro Hektar.« Das Land wird dem vietnamesischen Unternehmen vorerst für drei Jahre überlassen. In Los Palacios soll die Anbaufläche bald von 1000 auf 5000 Hektar ausgeweitet werden. Aber García denkt schon weiter: »Die Idee ist es, das Projekt auf andere Provinzen auszuweiten.«

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