Karlsruhe prüft Reichweite der Versammlungsfreiheit

Gericht hat zu klären, ob an Flughäfen und Bahnhöfen das Hausrecht der Geländeeigentümer oder das Grundgesetz gilt

Das Bundesverfassungsgericht hat am Dienstag darüber verhandelt, ob das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit auch auf privat bewirtschafteten Flughäfen gilt. Während die Flughafenbetreiberin bei ihrem Nein blieb, halten Polizeivertreter kleinere Demos im Terminalbereich für möglich.

Vor sieben Jahren machte die Frankfurter Flughafengesellschaft Fraport von ihrem Hausrecht Gebrauch. Sie verhängte ein unbefristetes Hausverbot gegen sechs Abschiebungsgegner, die am Abfertigungsschalter nach Athen Flugblätter verteilt hatten. Darin wurden die Passagiere darauf aufmerksam gemacht, dass mit ihrem Flug eine irakische Kurdin nach Griechenland abgeschoben werden sollte. Über die Verfassungsbeschwerde einer Aktivistin wurde am Dienstag in Karlsruhe verhandelt. Die Abschiebegegner wollen dort demonstrieren, wo die staatliche Abschiebepolitik stattfindet. Der Frankfurter Flughafen ist als größter deutscher Airport dafür zentral.

Das Bundesverfassungsgericht prüft damit erstmals, ob das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit auch auf dem Gelände von privaten Unternehmen gilt, die wie Fraport oder auch die Deutsche Bahn AG im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge tätig sind. Dabei ist dem Senatsvorsitzenden Paul Kirchhof zufolge auch zu bedenken, dass die Fraport mehrheitlich im Besitz des Landes Hessen und der Stadt Frankfurt ist.

Wie privat oder wie öffentlich sind diese Räume, lautet die Kernfrage. Sollen Grundrechte vom Gutdünken der Flughafen- und Bahnhofseigentümer abhängig sein, die damit de facto die staatliche Versammlungsbehörde ersetzen? Sind diese Orte »dem Staat zuzurechnen«, wie die Beschwerdeführer argumentieren, wären sie vergleichbar mit einer Fußgängerzone, in der das Demonstrationsrecht gilt.

Die Verfassungshüter versuchten am Dienstag auszuloten, unter welchen Bedingungen Demonstrationen an den Flughafenterminals möglich sein könnten. Die Fraport-Vertreter wollten sich dazu allerdings nicht einlassen. Selbst das Verteilen von Flugblättern oder Ansprechen von Passagieren wie im Fall der Klägerin sei bereits »eine nicht hinnehmbare Betriebsstörung«, sagte der Leiter der Unternehmenssicherheit, Erich Keil.

Fraport zieht sich darauf zurück, dass Demonstranten die Sicherheit der Passagiere und die Funktionsfähigkeit des Flughafens gefährden würden. Die Terminals müssten deshalb »tabu« bleiben. Bürger könnten außerhalb des Gebäudes zum Beispiel am Busbahnhof demonstrieren.

Die Vertreter von Landes- und Bundespolizei am Flughafen zeigten sich aufgeschlossener. Demonstrationen im Terminalbereich könnten wieder stattfinden, wenn die Anzahl der Teilnehmer begrenzt und Auflagen etwa zur Lautstärke gemacht werden. Bedenken äußerten sie nur wegen der aktuellen Gefährdungslage durch den internationalen Terrorismus.

Das Urteil wird im kommenden Frühjahr erwartet. Es könnte Brisanz über den konkreten Einzelfall hinaus haben.

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