Dolce Vita für die Reichen

Berlusconi streicht Solidaritätssteuer / Deutschland diskutiert über Multimillionärsabgabe

  • Anna Maldini, Rom, und Martin Ling, Berlin
  • Lesedauer: 3 Min.
Die hohen Staatsschulden in Europa samt Euro-Krise haben auch eine höhere Besteuerung von Vermögenden in die Diskussion gebracht. In Italien ist das Thema fürs erste vom Tisch, in anderen Ländern wie auch Deutschland wird weiter sondiert.
Der Tresor der Reichen lässt sich öffnen (Die Katze, 1993).
Der Tresor der Reichen lässt sich öffnen (Die Katze, 1993).

Italien hält Kurs: Die Gewinne werden privatisiert und die Schulden sozialisiert. Bis Montag sah das italienische Sparpaket über 45,5 Milliarden Euro noch eine sogenannte »Solidaritätssteuer« für Besserverdienende vor. Doch das ist jetzt Geschichte. In einem fast achtstündigen Koalitionstreffen haben sich diejenigen durchgesetzt, die lieber auf die Kürzung der Renten und andere Maßnahmen setzen, die vor allem die Ärmeren treffen.

Der Soli-Zuschlag sollte in Italien diejenigen betreffen, die mehr als 90 000 Euro jährlich verdienen – ein eigentlich nicht besonders hoher Betrag, den im Mittelmeerland aber trotzdem noch nicht einmal zehn Prozent der Arbeitnehmer angeben. Doch auch dies war für die Partei von Silvio Berlusconi und ihr Klientel offensichtlich schon zu viel. In den letzten Tagen machten sie massiv Stimmung gegen das, was sie als »Ungerechtigkeit« bezeichneten. Und sie haben sich durchgesetzt. Nun sollen allein die Parlamentarier eine Sonderabgabe zahlen – was den Staatskassen praktisch gar nichts bringt, aber die Öffentlichkeit beruhigen soll, die sich immer stärker über die Privilegien der Politikerkaste aufregt. Ansonsten bleiben die Menschen mit einem überdurchschnittlich hohen Gehalt ungeschoren und die großen Vermögen werden überhaupt nicht angetastet.

Das Geld, das für den Haushalt so verloren geht, soll hingegen von den zukünftigen Rentnern kommen, die den abgeleisteten Militärdienst, die Universitätsausbildung und andere Weiterbildungsmaßnahmen nicht mehr auf die Lebensarbeitszeit und damit auf die Rente anrechnen sollen. Für einen Arzt könnte das zum Beispiel heißen, dass er fast zehn Jahre länger im Berufsleben verbleiben müsste.

Die Oppositionsparteien halten die neuen Maßnahmen für unausgegoren und zweifeln an den Zahlen, die jetzt dem Parlament vorgelegt wurden; sie sind der Überzeugung, dass mit den neuen Maßnahmen die angegebene Summe von 45,5 Milliarden Euro nie und nimmer erreicht werden kann. Dies erklärte auch der liberale Wirtschaftsprofessor Nicola Rossi: »Ich fürchte, dass wir so in einem paar Monaten schon das nächste Sparpaket verabschieden müssen.« Er schlägt zur Behebung der italienischen Finanzmisere eine Vermögenssteuer für Reichtümer über zehn Millionen Euro vor.

In Frankreich wurde vergangene Woche die Reichensteuer zwar nicht ganz kassiert, die französische Variante bleibt aber äußerst bescheiden. Bezieher von Einkommen über 500 000 Euro im Jahr müssen zusätzlich eine »Solidaritätssteuer« von drei Prozent entrichten, bis das Haushaltsdefizit wieder unter die Maastrichtgrenze von drei Prozent gesunken ist. Geschätzte Mehreinnahmen: 200 Millionen Euro. Die Hauptlast trägt auch dort der Durchschnittsfranzose. Mehr als doppelt so viel wird die höhere Besteuerung der Zusatzrentenkassen bringen, auf die fast alle Franzosen angewiesen sind.

In Deutschland wird derweil diskutiert, die Multimillionäre zur Kasse zu bitten. SPD, LINKE und Grüne sprachen sich am Wochenende für eine »Reichensteuer« aus. Die FDP lehnte den Vorstoß umgehend ab. Unterstützung kam indes von der Evangelischen Kirche und der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, die 25 Millionen Euro als Bemessungsgrenze ins Spiel brachte. Der FDP geht selbst das zu weit und die Opposition ist bekanntlich nicht an der Regierung.

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