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UNTEN LINKS

Der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments will die Panoramafreiheit einschränken. Das ruft Freunde des ungetrübten Rundblicks auf den Plan und versetzt die Redakteure der Panorama-Seite dieser Zeitung in Sorge. Wie aber schränkt man das Recht darauf ein, »alles zu sehen«? - denn nichts anderes heißt ja Panorama, wie jeder weiß, der die Griechen versteht. Zwei Mittel liegen nahe: Zum einen kö...

Uwe Kalbe

Egoistengipfel

Die Regierungschefs haben ein Problem: Immer mehr Geflüchtete sterben an den EU-Grenzen. Mittlerweile sind es so viele, dass die Menschen Antworten verlangen. Doch die Antworten, die gefunden werden bleiben egoistisch.

Protest muss auf Flughafengelände möglich sein

Karlsruhe. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat die Demonstrationsfreiheit gestärkt. Aktivisten dürfen demnach auch auf Flughäfen direkt vor einem Abschiebegefängnis demonstrieren. Die Richter gaben am Freitag einem Jesuitenpater aus Berlin recht, der gegen ein entsprechendes Verbot des Flughafens Schönefeld geklagt hatte (Az.: V ZR 227/14). Der 72-Jährige wollte direkt vor dem Abschiebege...

Blutiger Terror in Frankreich, Kuwait und Tunesien

Paris. Frankreich ist am Freitag erneut durch einen offenbar islamistischen Anschlag erschüttert worden. Ein Angreifer raste in eine auf Gasprodukte spezialisierte Firma bei Lyon und brachte dort mit seinem Fahrzeug eine Reihe von Gasflaschen zur Explosion. Das Attentat wurde gegen 10 Uhr auf dem Gelände der US-Firma Air Products in einem Gewerbegebiet von Saint-Quentin-Fallavier im Südosten Frank...

EU flüchtet aus Verantwortung

Berlin. Als »Riesenaufgabe« bezeichnete Bundeskanzlerin Angela Merkel am Freitag die Bewältigung der aktuellen Flüchtlingskrise. Schade nur, dass sie und ihre Kollegen beim EU-Gipfel keinen Beschluss gefasst haben, der es verdient hätte, als Lösungsansatz für diese bezeichnet zu werden. Weder haben die Staats- und Regierungschefs eine gerechtere Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU auf den...

Vincent Körner

Ein Plan der Gläubiger, kein Plan B

Die Gläubiger wollen das Kreditprogramm verlängern. Aber will das auch die Regierung in Athen? Am Wochenende soll die Entscheidung fallen.

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Kurt Stenger

Das teure AKW-Abenteuer

»Ohne Atomkraft gehen bei uns die Lichter aus« - so lautete in den 1970er Jahren einer der dümmlichen Sprüche, mit denen die Kernkraftlobby in Politik, Wissenschaft und Stromwirtschaft der aufstrebenden westdeutschen Anti-AKW-Bewegung den Wind aus den Segeln zu nehmen versuchte. Das war damals falsch und ist es heute dank des massiven Ausbaus von Wind-, Solar- und Bioenergieanlagen erst recht. Wen...

Gesichtskontrolle

In Bayern setzt man auf Schleierfahndung: Doch diese Kontrollen folgen rassistischen Kriterien und treffen eher Geflüchtete als Drogenschmuggler und Autodiebe. Diese Kontrollen sind ein Albtraum für alle Demokraten.

ndPlusOlaf Standke

Nicht nur ein Sieg für Obama

Geht es um die großen politischen Projekte seiner Amtszeit, musste Barack Obama schon so manche Niederlage einstecken. Auch seine Ansprache am Freitag bei der Trauerfeier für den erschossenen Pfarrer Clementa Pinckney steht in gewisser Weise dafür, hatte der US-Präsident doch selbst die Verbindung zwischen der von ihm vergeblich angestrebten Verschärfung der Waffengesetze und dem rassistischen Mas...

Julian Bartosz, Wroclaw

Kaczynskis Getreue

Sollte am 18. Oktober nach Andrzej Dudas Sieg bei der Präsidentenwahl im Mai »Recht und Gerechtigkeit« (PiS) auch die stärkste Partei im Sejm sein, wird Polens Premierministerin Beata Szydlo heißen. Kandidatin ist sie seit einigen Tagen und dem Wahlkonvent, auf dem sie von Parteichef Jaroslaw Kaczynski vorgestellt wurde. Sie sei eigentlich dessen Strohmann im Rock und solle das Steuerrad nach...

Am Maschendrahtzaun

Burgenland, das sind die Ostfriesen Österreichs. Doch den letzten Schachzug aus dieser Region finden viele nicht zum Lachen. Die Sozialdemokraten haben sich mit der fremdenfeindlichen FPÖ zusammengetan.

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Preisträgerin

Die US-amerikanische Fotografin Heidi Levine ist in Berlin mit dem Anja-Niedringhaus-Preis für mutigen Fotojournalismus geehrt worden. Levine ist erste Preisträgerin der Auszeichnung, die von der International Women's Media Foundation vergeben wird. Der Preis erinnert an die am 4. April 2014 in Afghanistan ums Leben gekommene Pulitzer-Preisträgerin und AP-Fotografin Anja Niedringhaus. Heidi L...

Europa und Athen

Magyar Nemzet, Ungarn Neoliberale Lehren Die Fähigkeit zur Lösungsfindung »unserer Familie« - das heißt, der EU - wirkt im Lichte der neuesten Erklärungen ihrer Führer geradezu tragisch: Nach sechs Jahren Krisenmanagement und fünf Monaten intensiver Verhandlungen ist das griechische Problem, das gerade einmal 1,5 Prozent der Bevölkerung und 2,5 Prozent der Staatsverschuldung in der EU be...

Ein Gefallen für den Koalitionspartner

Obwohl weite Teile der SPD-Basis gegen die Vorratsdatenspeicherung waren, konnte sich der Vorstand durchsetzen. Damit hat sie sich die SPD zur CDU "light" gemacht, findet Daniel Schwerd.

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ndPlusHanna Ongjerth

Herzensmenschen hinter Zaun

Ungarns Regierung von Viktor Orbán hält trotz Kritik aus Brüssel an seiner Position fest, aus anderen EU-Staaten kommende Flüchtlinge nicht mehr aufzunehmen.

Fabian Lambeck und Johannes Richter, Freital

Bierfahne und Baseballschläger

Seit Monaten gibt es in Freital Proteste gegen eine Asylunterkunft. Nun hat sich die Situation erneut zugespitzt.

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Schleierfahndung

Bei der Schleierfahndung kontrollieren Polizisten in Zivil auf den Hauptverkehrsstrecken aus dem Ausland und ins Ausland Reisende ohne konkreten Verdacht. Die Fahndungsmethode wurde zunächst in den 1990er Jahren in Südbayern eingesetzt, nachdem die Schlagbäume an der Grenze zu Österreich gefallen waren. Später wurde die Fahndung wegen der Grenzöffnung zu Tschechien auf große Teile des Freistaats a...

Schlichtung bei der Bahn verlängert

Berlin. Der Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn ist auch nach vier Wochen Schlichtung nicht gelöst. Das Verfahren geht noch einmal in die Verlängerung. Die Verhandlungen zwischen der Lokführergewerkschaft GDL, der Bahn und den beiden Schlichtern sollen bis zum kommenden Dienstag fortgeführt werden. Das teilten die Vertreter der beiden Schlichter, des Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (LI...

ndPlusVelten Schäfer

Die Partei mit der Macht

Nie gab es in Deutschland eine formal erfolgreichere Partei als die CDU. Woran liegt das - und wie lange soll das noch so weitergehen? Jetzt feiert die Partei ihren 70sten Geburtstag.

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ndPlusRalf Klingsieck, Paris

Hollande will Uber nach Straßenblockaden loswerden

Eigentlich ist der Fahrdienst Uber in Frankreich bisher verboten. Dass er weiterhin genutzt wird, bringt Frankreichs Taxifahrer zur Weißglut und führte zu Straßenblockaden und gewaltsamen Übergriffen.

Hans-Gerd Öfinger

»Die Wut ist riesengroß«

Dafür haben wir gestreikt? Nach dem Schlichterspruch im Tarifkonflikt der Sozial- und Erziehungsdienste sind viele Gewerkschaftsmitglieder gewillt, die Auseinandersetzung weiterzuführen.

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ndPlusKlaus Joachim Herrmann

Analytiker mit Weitblick

Jewgeni Primakow glänzte mit einer an Ämtern reichen Karriere und überraschte mehrfach mit Ernennungen in schwierigen Zeiten.

Markus Schönherr, Kapstadt

Keine Gerechtigkeit für Marikana

Der Bericht der Untersuchungskommission über die Erschießung von 34 streikenden Bergleuten 2012 durch die Polizei in Südafrika spricht die Regierung frei und prangert Fehler der Polizei an.

ndPlusRalf Streck, San Sebastián

Podemos zeigt IU die kalte Schulter

Aufregung vor den Wahlen: Spaniens Vereinte Linke (IU) wollte zu den Wahlen im Herbst ein Volksbündnis mit Podemos schmieden. PPodemos aber hat dem Vorhaben in ersten Gesprächen eine deutliche Absage erteilt.

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Erfolg für Obamas Gesundheitsreform

Großer Erfolg für Barack Obama: Der Oberste Gerichtshof in Washington hat am Donnerstag einen entscheidenden Baustein der umstrittenen Gesundheitsreform des US-Präsidenten bestätigt.

ndPlusSilviu Mihai, Bukarest

Rumänien: Politik offener Taschen

Rumäniens Ministerpräsident Ponta pausiert weiter; nicht wegen der staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen sich, sondern wegen einer Knieverletzung - Gesprächsstoff für Menschen und Medien.

Katja Herzberg

Sorge vor dem griechischen Präzedenzfall

Im Lissaboner EU-Vertrag ist zwar in Artikel 50 geregelt, dass ein Mitgliedsstaat aus der Europäischen Union austreten kann. Doch für die Zugehörigkeit zur Eurozone gibt es keine entsprechende Regelung.

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Christiane Gläser

Ende des vergoldeten Atomzeitalters

Das AKW bescherte Grafenrheinfeld jahrelang goldene Zeiten. Nun muss der 3500-Einwohner-Ort den Gürtel enger schnallen.

ndPlusReimar Paul

Da sind’s noch acht …

Erstmals seit vier Jahren geht in Deutschland wieder ein Atomkraftwerk vom Netz. Am Samstag wird das unterfränkische Atomkraftwerk abgeschaltet. Eine Gefahr für die Versorgungssicherheit beim Strom besteht nicht.

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ndPlusCelestine Hassenfratz

Kreuzfahrt für Anfänger

Über hohe Wellen geht es ins nordische Oslo. Die 20 Stunden Überfahrt geben Gelegenheit zur Entschleunigung vom Alltag.

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Haft nach schwerem Missbrauch

Der Gründer eines Kinderhilfevereins ist wegen schweren Missbrauchs eines Jungen zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Das Opfer sei 13 Jahre alt gewesen, als es zu fünf sexuellen Übergriffen kam, stand am Freitag für das Berliner Landgericht fest. Der 53-Jährige habe von dem Schüler kinderpornografische Aufnahmen »auch zum Zwecke des Tausches im Internet« gefertigt. Der Angeklagte hatte gestande...

Zahl der Aufstocker ging zurück

Die Zahl der Hartz-IV-»Aufstocker« in Berlin und Brandenburg ist gesunken. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) wertete es am Freitag als »positives Zeichen«, dass seit Einführung des bundesweiten gesetzlichen Mindestlohns zum Jahresbeginn weniger Menschen trotz Arbeit auf Arbeitslosengeld II angewiesen waren. In Berlin sank die Zahl der sogenannten Aufstocker von 103 577 im Dezember 2014 auf...

An der Charité wird weiter gestreikt

Auch am Freitag ging der Streik der Pflegekräfte an der Berliner Universitätsklinik Charité weiter. Am Donnerstag hatte es Gespräche zwischen der Gewerkschaft Verdi und der Charité-Geschäftsleitung gegeben. Zu ihrem Inhalt werde sich die Klinik erst im Laufe des Tages äußern, sagte ihr Sprecher Uwe Dolderer. Auch verd.i hatte angekündigt, später darüber zu informieren. Bis zu Redaktionsschluss die...

Bernd Kammer

Nicht kostenlos

Wer täglich in der Stadt mit Bussen und Bahnen unterwegs ist, der weiß, dass dies ziemlich ins Geld geht. Und Anfang nächsten Jahres sollen die Ticketpreise wieder steigen. Da ist es eine prima Idee, Fahrscheine abzuschaffen und den Öffentlichen Personennahverkehr preiswerter zu machen, indem nicht nur die Nutzer, sondern wir alle dafür zahlen. Der Nahverkehr würde also nicht nur billiger, wir müs...

Christin Odoj

Rauchzeichen aus dem Briefkasten

Nach anderthalb Jahren Beratungen und Anhörungen war es am Freitag endlich soweit. Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann will sich vier legale Coffee-Shops im Bezirk genehmigen lassen.

ndPlusMartin Kröger

Studie: Fahrscheinlos ist machbar

Die Zukunft des Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) wird garantiert ein Wahlkampfschlager 2016. Die Piratenfraktion legt bei dem Thema mit einer Studie zum fahrscheinlosen ÖPNV nach.

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Josephine Schulz

»Dikhen amen!« heißt »Seht uns!«

Die größte Minderheit Europas hat nur wenig Fürsprecher. Der Verein »Amaro Drom« setzt sich für sie ein. In Kreuzberg hat er eine neue Anlaufstelle eröffnet und will mit Vorurteilen aufräumen.

Wilfried Neiße und Andreas Fritsche

Ruf nach guter Arbeit im Callcenter

Die Verhältnisse in den Callcentern haben sich etwas verbessert. Die Bezahlung und die Arbeitsbedingungen sind aber immer noch schlecht. Die LINKE macht sich für ein Gütesiegel stark.

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Regen macht einsam

Hannover. Zwei Schwimmer ziehen bei Regenwetter im Sprungbecken des Lister Bades in Hannover ihre Bahn. Die Besucherzahlen in den Freibädern gehen in einer verregneten Saison erfahrungsgemäß bis auf die Hälfte zurück, was große finanzielle Einbußen bedeutet. Das Lister Bad mit Zehn-Meter-Sprungturm und Wärmehalle gehört zu den beliebtesten Freibädern in Hannovers Innenstadt. An heißen Tagen kommen...

Goldschatz im Handyschrott

Viele wissen, wie es geht, nur wenige tun es - Handys recyceln. Darin sind wertvolle Stoffe enthalten. An einem Standort im pfälzischen Lustadt zum Beispiel werden sie aus abgelegten Geräten herausgeholt.

ndPlusSebastian Haak, Erfurt

»Auch Sklaven hatten sichere Arbeitsplätze«

In den vergangenen zehn Jahren sind in Thüringen im Bereich des Landesinnenministeriums 14 Beamte auf Lebenszeit wegen schwerer Dienstvergehen rechtskräftig aus dem Beamtenverhältnis entfernt worden. »In der Regel bestanden die Dienstvergehen aus einer Vielzahl von Pflichtverletzungen«, sagt eine Regierungssprecherin. »Diese reichten von mangelnder Dienstleistungspflicht über Verstöße gegen das Ve...

ndPlusJürgen Drewes, Neubuckow

»Ohne Kartoffel würde was fehlen«

In Mecklenburg-Vorpommern sind die Flächen, auf denen Kartoffeln wachsen, erneut geschrumpft. Als Gründe werden der hohe Produktionsaufwand bei meist niedrigen Erlösen genannt.

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Personalien- Karussell bei Preußens

Der Direktor der Berliner Nationalgalerie, Udo Kittelmann, bleibt bis mindestens Oktober 2020 im Amt. Sein Vertrag sei um fünf Jahre verlängert worden, teilte die Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit. Kittelmann leitet seit 2008 die Alte und Neue Nationalgalerie, den Hamburger Bahnhof, die Sammlung Scharff-Gerstenberg und das Museum Berggruen. Der Stiftungsrat beschloss auch, dem Generaldirektor ...

Chöre singen für die Stille Straße

Die Seniorinnen und Senioren der Begegnungsstätte Stille Straße 10 in Pankow laden anlässlich des dritten Jahrestages ihrer Hausbesetzung am Samstag zu einem großen Benefizkonzert ins Ballhaus Pankow, Grabbeallee 53, ein. Acht Berliner Chöre haben ihre Mitwirkung zugesagt, das Ballhaus Pankow verzichtet auf Mieteinnahmen. Mit dem Konzert sollen Spenden gesammelt werden, um die Begegnungsstätte erh...

Birgit Ellinger, Lindau

Stadt der Genies - für eine Woche

Das Treffen kluger Köpfe in Lindau hat eine lange Tradition: Seit sechs Jahrzehnten kommen dort jedes Jahr ein paar hundert Studenten mit Nobelpreisträgern zusammen - und eine Woche lang blickt zumindest die wissenschaftliche Welt interessiert auf die bayerische Bodenseestadt. Für Lindau ist dieses Treffen von großer Bedeutung, wie Oberbürgermeister Gerhard Ecker sagt. »Die Nobelpreisträgertagung ...

ndPlusMaren Martell, Garmisch-Partenkirchen

Stark gehobener Dienst

Mehr als 4000 Mal fuhr er bereits auf den Gipfel: Seit 1996 schafft Andreas Oberauer bei jedem Wetter die Post auf die Zugspitze. Dabei ist er nicht der erste in der Familie: Schon sein Vater hat diesen Job gemacht.

Harald Lachmann, Leipzig

In der Elsteraue geht es um viel Kies

Kiesabbau im Nassverfahren - in der Elsteraue wehren sich Einwohner gegen Pläne einer Baustofffirma. Sie fürchten, dass dort, wo schon Kohletagebaue große Löcher rissen, weitere Äcker verloren gehen.

Manuela Lintl

Mein Leben, unsere Welt

Kürzlich trafen sich Schriftstellerinnen und Schriftsteller auf einer Tagung im Berliner Brecht-Haus, um zu diskutieren, ob die Literatur heutzutage überhaupt noch in der Lage sei, Kapitalismuskritik zu betreiben und falls ja, in welcher Form? Zumal die vom homo consumens verursachten Katastrophen und Ungerechtigkeiten allgegenwärtig und zunehmend unüberschaubarer werden: Klimawandel, Artensterben...

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Erweiterte Landkarte des Films

Mit dem Algerien-Western »Den Menschen so fern« wurde am Donnerstagabend das 33. Filmfest München eröffnet. Bis zum 4. Juli zeigt das Festival rund 180 Filme aus 54 Ländern, darunter viele deutsche Produktionen. Das Filmfest sei stolz, dieses Jahr Werke aus Ländern zu zeigen, die noch nicht auf der Landkarte des Films präsent waren, sagte Festivalleiterin Diana Iljine. Als Beispiele nannte sie Tri...

»Künstler, Tribun und Apostel«

Der Autor und Moderator Roger Willemsen wird am Sonntag mit der Ehrengabe der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Gesellschaft ausgezeichnet. Der 59-Jährige erhalte die Ehrung, weil er im kulturellen und politischen Leben ganz im Heine’schen Sinne als »Künstler, Tribun und Apostel« präsent sei, heißt es in der am Donnerstag veröffentlichten Begründung der Jury. Der Schriftsteller scheue weder Grenze...

Derzeit wenig vergnügt

Das Rostocker Jüdische Theater »Mechaje« steht vor dem Aus. Grund sei, dass Stadt und Land keine weiteren Fördermittel überweisen wollten, bestätigte der Schatzmeister des Theatervereins, André Kaanen, am Donnerstag dem epd. Außerdem drohten dem Theater Rückzahlungsforderungen der Stadt für 2013 in Höhe von 6000 Euro. Die Stadtverwaltung werfe dem Theater unter anderem vor, Gelder nicht zweckentsp...

Das Ende des Bestsellers

Wir können nicht wirklich mit Sicherheit wissen, ob »Krieg und Frieden« ein solcher Bestseller war, wie behauptet wurde - oder ob die Autobiografie von Dieter Bohlen und die Werke von Thilo Sarrazin tatsächlich von so vielen Menschen gelesen wurden. Viele legen sich Bücher nur aus Angeberei zu. So ein dicker Wälzer in einem Bücherregal macht ja was her. Manche Zeitgenossen, so lautet ein Gerücht, ...

Thomas Blum

Immer voll auf die Zwölf

Zehntausende Fäuste ballende, angetrunkene Männer feierten gestern den Tag des schlichten Gitarrenriffs: Die australischen Hardrock-Veteranen AC/DC gaben im Berliner Olympiastadion eines ihrer berüchtigten Konzerte.

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Jürgen Amendt

Bedrohtes Panorama

Der neue BMW der 7er Reihe verspricht viel Freiheit. Dies liege, so schwelgen die Verfasser einer einschlägigen Propagandaschrift, an dem Panoramablick, den die Insassen durch das Glasdach des Fahrzeuges genießen könnten. Panoramafreiheit ist wichtig. So wichtig, dass sich jüngst auch der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments mit diesem hohen Rechtsgut befasste. Unter Panoramafreiheit v...

ndPlusWerner Jung

Die Ballade von der Zeitreise

Was ist das bloß für ein Buch, was für ein Text, den man da mit wachsender Faszination liest? Der Auftakt klingt so: »Wer spielt wie? - Bis zur Entstehung dieser Frage ist die Wahrheit kein Mysterium gewesen. Darüber hinaus wusste man wahrscheinlich schon immer, dass sich kleine Lichter gern und leicht gegen ein größeres verbünden und dabei in aller Regel ohne Schwierigkeiten einig werden. Wir beg...

Kein Untergang in Oberammergau

Herr Stückl, beginnt, weitgehend unbemerkt, in Oberammergau der Untergang des Abendlandes? Was bringt Sie zu dieser erschreckenden Mutmaßung? Für die Inszenierung der Passionsspiele 2020 steht Ihnen mit Abdullah Kenan Karaca jetzt immerhin ein bekennender Muslim als zweiter Spielleiter zur Seite. Eine »Sensation«, wie das von manchen Medien dargestellt wird, ist das für mich überhaupt nicht...

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ndPlusJan Freitag

Voll Porno, der Horror

Worte, die es sinnübergreifend in den Jugendslang schaffen, haben das Klassenziel sprachlicher Relevanz übererfüllt. »Porno« stand auf Schulhöfen eine Weile lang für »dufte«, wie es Großeltern der Benutzer Jahrzehnte zuvor ausgedrückt hätten. Deren Kinder wiederum umschreiben es mit dem zeitlosen »geil«, das die Enkelgeneration ums zeitgemäß robuste »Dildo« ergänzt, was Vati schon mal einen Ausruf...

Stefan Ripplinger

Gegen die Halunken aus dem Lehrerzimmer!

Als 14-Jähriger hätte ich etwas darum gegeben, diese Sätze zu lesen: »Rebelliert gegen Lehrer und Aufpasser! ... Jeden Tag lasst ihr stöhnend eure Herren, eure Besitzer Deppen aus euch machen. Unter dem Vorwand der Erziehung versauen sie euch ›die schönsten Jahre eures Lebens‹. ... Vereinigt euch in euren Schulen gegen die Halunken eurer Aufpasser und Lehrer.« Aber es ist unwahrscheinlich, da...

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Luise Wagner

Giftiger Müll auf den WM-Plätzen in Kanada

Was die FIFA und die WM-Veranstalter in Kanada einfach ignorieren: Auf einem Kunstrasenfußballfeld liegen ungefähr 40 000 gemahlene Autoreifen, deren schädliche Substanzen krank machen.

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ndPlusJirka Grahl, Baku

Was Bakuer über die Spiele denken

6000 Sportler aus 50 Ländern sind in Baku bei den ersten Europaspielen angetreten. Viele Aserbaidshaner sehen das milliardenteure Sportspektakel kritisch, andere sehnen Olympia herbei.

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Sarrazin, D-Mark und die blühenden Landschaften

Sarrazin ist nicht nur für seine gruseligen Theorien bekannt, er war auch maßgeblich an der Einführung der D-Mark in der DDR beteiligt. Die ostdeutsche Wirtschaft brach daraufhin zusammen. Wir haben zurückgeblickt.

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Das Ziel war die rasche Privatisierung

Am 1. Juli 1990 trat das Treuhandgesetz in Kraft. Es sollte als Ergänzung zur Währungsunion die DDR-Wirtschaft nach bundesdeutschem Vorbild umstrukturieren. Laut Präambel war es das Ziel, »die unternehmerische Tätigkeit des Staates durch Privatisierung so rasch und so weit wie möglich zurückzuführen«. Am 16. Juli konstituierte sich die Treuhandanstalt, die dem DDR-Ministerrat unterstand. Ihr ...

»Wir waren doch nicht naiv«

Aus unseren Betrieben ist noch viel mehr rauszuholen, witzelte man einst in der DDR. Aber erst die Treuhand hat das perfektioniert. Sie holte alles heraus aus der DDR-Wirtschaft - einschließlich der Beschäftigten. Haben Sie Ihren Job eigentlich gern gemacht? Nicht in jeder Sekunde. Aber im Nachhinein: ja. Als Herr Rohwedder, der erste Chef der Treuhandanstalt, mich anrief und sagte: Kommen Si...

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Als die D-Mark die DDR-Mark ersetzte

1948: Die Währungen der BRD und der DDR waren Kinder der Nachkriegszeit. In den drei westlichen Besatzungszonen Deutschlands wird die D-Mark im Zuge einer Währungsreform am 21. Juni 1948 alleiniges gesetzliches Zahlungsmittel. Die Folge: Da in der Sowjetischen Besatzungszone durch Zufluss des im Westen wertlos gewordenen Reichsmark-Bargelds eine galoppierende Inflation befürchtet wird, wird nur we...

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ndPlusSebastian Haak

Verlierer der Einheit

Um an das Schicksal der Kalibergleute von Bischofferode zu erinnern, eignen sich viele Jahrestage. Immer im Dezember kann man daran denken, dass es dieser Monat war, in dem den Kumpeln des Schachts im Eichsfeld verkündet wurde, dass sie arbeitslos würden. Am 10. Dezember 1992 war das. Am 31. Dezember 1993 wurde der Schacht dicht gemacht. Dazwischen lagen die dramatischen Tage, an denen Bilder ents...

Michael Bartsch

Gewinner der Einheit

Es gibt prächtige Villen in Görlitz und noch mehr Gründerzeit- und Jugendstilhäuser, meist in geschlossener Blockrandbebauung. Ein Flächendenkmal, wie kaum eine zweite deutsche Stadt es bietet. Eine Jugendstil-Villa an der Neiße unweit der Straßenbrücke ins polnische Zgorcelec sticht mit markantem Eckturm heraus. Hier sitzt eine Firma, die idealen Stoff für Wiedervereinigungs-Bilderbücher liefern ...

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René Heilig

Der Umrubeltrick

Tausche Blaue gegen grüne Kacheln.« Die D-Mark war lange vor dem Fall der Mauer vielseitiges Objekt der Begierde. Doch was östlich des Eisernen Vorhangs losging, nachdem sämtliche staatliche Autoritäten zerfielen, übertraf jede bis dahin bekannte kriminelle Energie. Und zwar staatenübergreifend. Da konnte man Summen »umrubeln« ... Michail Borissowitsch Chodorkowski war, als die Berliner Mauer...

Seite 27
Simon Poelchau

Der Fehler mit den 90 Prozent

Die DDR und ihre Verschuldung, es ist kein leichtes Thema. Doch nehme man an, es stimmte, dass sie umgerechnet 171,8 Milliarden Euro Schulden hatte - auf diese Summe taxierte die Bundesregierung nach der Wende den Erblastentilgungsfonds. Bei einer Wirtschaftsleistung in der Größenordnung von rund 208 Milliarden Euro wäre dies immerhin eine Schuldenquote von rund 83 Prozent gewesen. Doch wäre dies ...

ndPlusJörg Staude

Äpfel-Birnen-Vergleich

Wer ein Vierteljahrhundert nach der deutschen Einheit öffentlich über die Frage nachdenkt, ob die DDR 1990 pleite war (oder nicht), begibt sich immer noch auf schwer vermintes Gelände. Entschärfend wirkt zunächst der Nachweis, dass man ostdeutsch sozialisiert ist und auch nicht zu denen gehört, denen die Begriffe der DDR-Ökonomie nicht geläufig sind. Letzteres kann auch wirklich nicht schaden. Den...

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ndPlusJörg Roesler

Eine neue Mauer wurde errichtet

Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit war am 1. Juli 1990 auf die Filialen der Banken und Sparkassen gerichtet, vor denen die DDR-Bürger anstanden, um ihre DDR-Mark in »Westgeld« umzutauschen. Vergleichsweise wenig wurde darüber berichtet, dass mit diesem Tag, dem Tag des Inkrafttretens der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion, die Grenze zwischen Ost- und Westdeutschland endgültig aufhörte, ei...

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ndPlusUwe Kalbe

Vorgeschmack auf Tortenschlacht

Alle meckern auf die Währungsunion - nach 25 Jahren ist es dafür zu spät. Es wird Zeit, die Dinge positiv zu sehen! Die Währungsunion war nicht nur eine logistische Meisterleistung; auf einen Schlag wurden 180 Milliarden D-Mark in den Osten gekarrt. Sie machte die Menschen zudem glücklich, versöhnte sie, machte sie gleich, verschaffte ihnen ein Gefühl der Macht. Für einen winzigen Augenblick. ...

Jörg Meyer

Bring mir deine Leute!

Es war das Jahr 1991, mein Abitur hatte ich in der Tasche, was nun? Keine Berufsvorstellung, Geld musste her. In den 1980er Jahren hatte ich Prospekte und Zeitungen ausgetragen, hatte in einer Textilaufbereitung gejobbt, tausende Bomberjacken und T-Shirts aus Plastikfolie gerissen, auf eine Stange gehängt und in einen Bügeltunnel geschoben bevor sie in den Handel gingen. Das wollte ich nicht noch ...

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ndPlusTom Strohschneider

Jammer doch, Wessi

Missverständnis Dieses Vorhaben hier ist ein einziges Missverständnis. Und weil es mit einer Klage beginnt, ist es auch ein Beweis: Immer müssen sie jammern, diese Ossis. Was natürlich einerseits auch wieder Quatsch ist, denn mal ehrlich: Dass es die Ostdeutschen als real existierendes Kollektiv, als etwas Messbares, Erkennbares, Identisches nicht gibt, darüber wird doch kein erns...

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Thomas Blum

Die vier großen E

Schiller, Goethe, Heine, Marx, Kollwitz, Tucholsky - im Osten, der DDR, dem Land der aufgehenden Sonne und der humanistischen Bildung, das ganz dem Humboldtschen Ideal zugetan war, hatten diese Namen einen magischen Klang. Fortschrittliche, mutige Dichter, Philosophen, Künstler waren die Künder einer künftigen besseren, gerechteren Gesellschaft, die dereinst auf deutschem Boden entstehen sollte. J...

Seite 32
Velten Schäfer

Das Pfeifen nach dem Hühnerhund

Als der futuristische, fensterlose Panzerbus in Begleitung lächerlich kleiner Vopo-Ladas außer Sicht war, begannen die Freunde am Straßenrand zu streiten. Dabei hatten sich Thomas und Enrico, wie die Mittvierziger mit seriösen Arbeitsplätzen in der Zeitung heißen wollen, erst kurz zuvor im Berliner Stadtteil Friedrichshain getroffen, waren dicke geworden und meist einer Meinung: dass entschlossen ...

ndPlusRegina Stötzel

Ingenieur mit großem I

Man kann sich leicht vorstellen, wie der Konflikt schon in der Vorstellungsrunde losging, wenn die Ost-Kollegin sagte: ›Ich bin Ingenieur‹ oder: ›Ich bin Lehrer‹ und dann alle West-Kolleginnen gleichzeitig aufstöhnten.« »Fremdeln« und »Verständnisbarrieren« hätten die Kontakte zwischen Ost- und Westfrauen nach der Wende geprägt, schreibt Sibylle Plogstedt. Und das nicht zuletzt bei den Gewerkschaf...

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Millionenlücken in der Abschlussbilanz

Anfang 1990, als viele DDR-Bürger noch glaubten, es gehe um eine erneuerte sozialistische Republik, lief im Hintergrund schon das Unternehmen Übernahme. Die großen Parteien der Bundesrepublik hatten längst ihre Fühler nach Osten ausgestreckt. Berater aus dem Westen zogen die Fäden, pumpten Geld in den politischen Umbruch Ost. Es lockten Einfluss und Pfründe. Die jahrzehntelang der SED ergebenen Bl...

ndPlusWolfgang Hübner

Operation D-Day

Als die D-Mark am 1. Juli 1990 über die DDR kam, ging es dem »Neuen Deutschland« wie allen Firmen im Osten des geteilten Landes: Es war von einem Tag auf den anderen dem freien Markt ausgesetzt. Der Schutzraum einer eigenen Währung war aufgebrochen, Kosten, Einnahmen und Gehälter bewegten sich plötzlich in einem ganz anderen Rahmen, und auch der bald gesamtdeutsche Zeitungsmarkt fächerte sich erhe...

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Rahmbutter, drei D-Mark

Mit der Erinnerung ist es ein bisschen wie mit dem Grund eines Sees: Im Laufe der Zeit kommt immer noch eine neue Schicht obendrauf und wenn das Sediment später aufgewirbelt wird, gerät manchmal etwas durcheinander. Aber vielleicht war es wirklich so: Am Tag nach der Währungsunion war ich im Dorfkonsum in Mönchwinkel, einem kleinen Ort südlich von Berlin, wo wir im Sommer wohnten. Für einen Jugend...

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Rüdiger Krause

Simply Black

Meine Großeltern sagten immer, wer die Bundesrepublik überfallen will, der macht das am Wochenende. Da sind die Kasernen leer, weil alle Soldaten übers Wochenende nach Hause fahren. Die alte DDR war nicht so leichtfertig gewesen. Aber diese alte DDR gab es jetzt nicht mehr. Dass in der neuen DDR das zweite D wirklich für »demokratisch« stand, wollte man schnell noch richtigstellen, kurz bevor...