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Berlin liegt auf den Cayman Islands

Christoph Trautvetter über den Berliner Wohnungsmarkt und Immobilienbesitzer, die sich in Steuerparadiesen verstecken

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 5 Min.

Herr Trautvetter, Investmentfonds gelten weltweit wegen ihrer Renditeinteressen als besondere Treiber von Mietpreisen. Sie haben mit Ihrer Studie »Keine Transparenz trotz Transparenzregister« die Eigentümerstruktur am Berliner Immobilienmarkt analysiert. Wie hoch ist dort der Anteil dieser Art von Investoren?

Es gibt keine perfekten Zahlen dazu. Aber die institutionellen Investoren handeln meistens große Wohnungspakete. Darüber gibt es in der Fachpresse Informationen. Wir gehen von fünf bis sieben Prozent aus, die von Fondsgesellschaften und Private Equity Fonds gehalten werden.

Das klingt nach nicht so viel.

Es handelt sich immerhin um 125 000 bis 150 000 Wohnungen in Berlin.

Wie lange verbleiben die Häuser gewöhnlich in der Hand dieser Fonds?

Spekulative Investoren bleiben im Schnitt vier bis zehn Jahre, einige noch kürzer. Natürlich gibt es auch Fonds mit längeren Investitionshorizonten.

Haben Sie eine Korrelation zwischen der Mietpreisentwicklung und dem Zeitpunkt der Verkäufe feststellen können? Fonds versprechen ja Renditen von fünf oder zehn Prozent.

Sie versprechen sogar mehr. Blackstone etwa geht von 15 Prozent aus. Aber solche Renditen erzielen sie nur zu einem geringeren Teil über die Miete. Der größere Teil geht über die Wertsteigerung.

Also die Gewinne beim Weiterverkauf.

Genau. Wir haben uns beispielsweise ein Haus in der Zossener Straße über einen Zeitraum von vielen Jahren genauer angeschaut. Das wurde 2012 im Paket von einem Investmentfonds gekauft zu einem Preis von etwas mehr als 1000 Euro pro Quadratmeter. 2018 wurde das Haus dann für knapp 3500 Euro an den nächsten Investor, in diesem Fall Blackstone, weitergereicht. Der Verkäufer konnte so eine zweistellige Rendite erzielen, davon - beim Gesamtpaket - etwa 250 Millionen Euro allein durch die Wertsteigerung. Die Mieteinnahmen lagen hingegen bei etwa 70 Millionen Euro.

Und wie will Blackstone nun bei dem vergleichsweise hohen Kaufpreis seinerseits die 15 Prozent Rendite einfahren? Über die Miete allein wohl kaum?

Sicher nicht, obwohl direkt nach dem Kauf eine neu angebotene Wohnung für 18 Euro pro Quadratmeter vermietet werden sollte. Wir kennen die Exit-Strategie nicht. Ein beliebtes Verfahren ist aber die Aufteilung in Eigentumswohnungen. Und die werden dann teurer weiterverkauft.

Wie gut oder wie schlecht lässt sich die Eigentümerstruktur dieser Fondsgesellschaften einsehen?

Die Struktur ist recht gut einsehbar. Die Investoren lassen sich aber so gut wie nie finden. Meist sind die Fonds ähnlich strukturiert: Der Fonds ist auf den Cayman Islands registriert, darunter eine mehrstöckige Struktur aus Objektgesellschaft, Holdinggesellschaft und weiteren Zwischenetagen in Luxemburg. Bisher findet man in allen Registern - selbst im Transparenzregister - nur die Manager. Deswegen fordern wir Transparenz auch bei den Vermögensanlagen. Die Daten dafür gibt es schon. Clearstream, eine Tochtergesellschaft der Deutschen Börse AG, sammelt sie. Der Staat, also die Finanzämter und Ermittlungsbehörden, haben aber keinen Zugriff darauf.

Nun verstecken nicht nur Fondsgesellschaften die Namen ihrer Einleger und Gesellschafter gern in Offshore-Gesellschaften. Auch Dax-Konzerne sind dafür berüchtigt. Wie hoch ist der Anteil von Eigentümern, die ihren Immobilienbesitz aus Berlin auf den Cayman Islands und anderen Steuer- und Geldwäsche-Paradiesen verstecken?

Bei etwa der Hälfte der Eigentümer ist das sicher nicht der Fall. Das sind zum einen die öffentlichen Gesellschaften und Genossenschaften, die etwa ein Viertel des Bestands haben, und bei Privatleuten mit überschaubarem Wohneigentum ist es ebenfalls etwa ein Viertel. Dann gibt es aber auch Privatleute, die noch andere Gesellschaften vorgeschaltet haben, zum Teil auch in Steuerparadiesen. Bei den institutionellen Anlegern, ebenfalls etwa ein Viertel, handelt es sich zum Teil um die oben beschriebenen Fondsgesellschaften und zum anderen Teil um börsennotierte Unternehmen, deren Anteilseigner aber ebenfalls zum Teil auf den Cayman Islands sitzen. Insgesamt würde ich schätzen, dass die Spur bei etwa einem Viertel der Berliner Wohnungseigentümer auf die Cayman Islands und andere Steuerparadiese führt.

Wie viel Steuereinnahmen entgehen dadurch Berlin?

Auch das ist schwer zu schätzen. Zum einen gibt es die Grunderwerbssteuer...

Die brachte 2019 etwa 1,4 Milliarden Euro in die Berliner Stadtkassen.

Die wird aber durch die umstrittenen und viel diskutierten Share Deals umgangen. Selbst darüber, wie hoch der Anteil von Share Deals bei den Berliner Immobilienverkäufen ist, gibt es aber noch keine verlässlichen Schätzungen. Dann gibt es die Besteuerung der Wertsteigerung. Die entfällt bei Privatpersonen, wenn sie die Immobilie länger als zehn Jahre behalten, und bei professionellen Investoren über Share Deals im Ausland. Viele Unternehmen rechnen sich außerdem künstlich arm, indem sie sich aus den Cayman Islands und Luxemburg selbst teure Kredite geben. So fließt das Geld aus Deutschland ab. Insgesamt gehe ich von einem einstelligen Milliardenbetrag pro Jahr aus, allein für Berlin.

Das ist enorm. Was erhofften Sie sich von der Berliner Konferenz des Disruption Network Lab?

Zum einen geht es darum, die besondere Berliner Problemlage international bekannt zu machen. Berlin ist zu 85 Prozent Mieterstadt und damit der Finanzialisierung des Immobilienmarkts besonders ausgesetzt. Andererseits können wir von den Beispielen der anderen Städte lernen. Wie die Investmentfonds in Barcelona vorgingen zum Beispiel. Auch die Untersuchung »Dubai Sands« zur Aufdeckung des in Immobilien angelegten Schwarzgeldes in Dubai, dem globalen Zentrum von Anonymität und Finanzkriminalität, ist lehrreich. Und von London, selbst zwar Zentrum des Finanzkapitals, kann man Transparenz lernen. Dort ist das Grundbuch frei zugänglich.

Alle Beiträge der Konferenz unter: www.disruptionlab.org
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