CDU und AfD gegen die Ehrung von Kurt Goldstein

Beide Parteien wollen in Dortmund keine Straße nach dem Holocaust-Überlebenden und Antifaschisten benennen, weil er zu DDR-Zeiten in der SED war

  • Louisa Theresa Braun
  • Lesedauer: 4 Min.

Am Dienstag wird in Dortmund-Scharnhorst weiter darüber diskutiert, ob ein kleines Sträßchen im Stadtteil Grevel nach dem jüdischen Nazi-Verfolgten Kurt Goldstein benannt werden soll. Goldstein ist 1914 in Scharnhorst geboren, engagierte sich bis ins hohe Alter gegen Nazis und starb 2007 in Berlin. Eigentlich sollte die Scharnhorster Bezirksvertretung die Ehrung durch einen Straßennamen schon vor einem Monat beschließen, doch die Benennung wurde vertagt.

Grund dafür war Kritik von Seiten der AfD, die die CDU aufgriff: AfD-Vertreter Mike Dennis Barthold hatte erklärt, dass Goldstein zu DDR-Zeiten der SED angehörte, dies wollten die Christdemokrat*innen überprüfen und beantragten deshalb die Vertagung auf Dezember. Nun kommt CDU-Sprecher Jürgen Focke zu dem Schluss, dass Goldsteins Lebenslauf in der Erläuterung zur Bennenung »verkürzt und einseitig dargestellt« sei. Darin sei dessen Übersiedelung in die DDR und dessen Tätigkeit als Journalist in der DDR verschwiegen worden.

Laut den »Ruhr Nachrichten« wird die CDU in der Sitzung am Dienstag gegen die Straßenbenennung stimmen, da sie es nicht für angemessen halte, einen Straßennamen an einen Menschen zu vergeben, der seine eigene Tätigkeit im staatlichen Unterdrückungssystem der DDR kleingeredet und Stasi-Unrecht ausgeblendet habe. Grünen-Sprecher Marc Schmitt-Weigand dagegen sprach sich schon im November für den Straßennamen aus und appellierte an die CDU, sich von der AfD »nicht ins Bockshorn jagen« zu lassen, wegen einiger Schatten in Goldsteins Lebenslauf.

In seiner Jugend war Kurt Julius Goldstein in einer linken, jüdischen Gruppe, der SPD-Jugend und ab 1928 in der KPD-Jugend aktiv. Als 1933 seine Festnahme drohte, tauchte er unter, schloss sich einer zionistischen Organisation an und ging für ein Jahr nach Palästina. Ab 1936 beteiligte er sich als Interbrigadist am Krieg gegen Franco in Spanien. Nach der Niederlage im Bürgerkrieg wurde Goldstein erst in Frankreich interniert und 1942 in das Konzentrationslager Auschwitz gebracht. Er überlebte das Außenlager Jawischowitz und auch den Todesmarsch nach Buchenwald, wo er am 19. April 1945 den Schwur von Buchenwald ablegte.

1951 zog Goldstein in die DDR, arbeitete dort als Journalist und war bis in die späten 1970er Jahre Intendant der »Stimme der DDR«. Sein Leben lang setzte sich Goldstein, etwa als Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, gegen den Faschismus und für Aufklärung ein. 2005 erhielt er das Bundesverdienstkreuz als einer »der letzten lebenden und sich aktiv einbringenden Zeitzeugen des größten Verbrechens der deutschen Geschichte«.

Laut CDU-Sprecher Focke erkenne man Goldsteins antinationalsozialistische Aufklärungsarbeit an, doch »seine klare Ablehnung unserer demokratischen Grundrechte wie Rede-, Meinungs- und Reisefreiheit und dem Recht auf körperliche Unversehrtheit, der Basis unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung, wiegen für uns so schwer, dass wir einer Namensgebung nicht zustimmen können«. Er verweist auf einen Artikel im »Spiegel« von 1991, laut dem Goldstein SED-Chef Walter Ulbricht auf die Idee brachte, die Berliner Mauer zu bauen, indem er ihm davon erzählt habe, dass es auch im israelischen Jerusalem eine Mauer gebe, die den arabischen vom jüdischen Teil trennt.

Weniger schwer wiegt für die CDU offenbar, gemeinsame Sache mit der AfD zu machen, unter anderem mit Matthias Helferich, der für die AfD in der Bezirksvertretung Scharnhorst sitzt und einer der Hauptgegner der Straßenbenennung ist. Er soll sich selbst schon »das freundliche Gesicht des Nationalsozialismus« genannt haben und ist wegen seiner Nähe zur extremen Rechten sogar innerhalb der AfD mit einer Ämtersperre belegt. Er steht der Jungen Alternative nahe und sein Büro in Dortmund ist laut Antifaschist*innen »Treffpunkt und Organisationszentrum der Neuen Rechten in NRW«.

»Von einem Vertreter der AfD denunziert zu werden, ist für jeden Demokraten eine Ehre«, erklärt dazu Christoph Heubner, der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees. »Kurt Goldstein hätte es gegraust, mit den Stimmen der AfD auf einem Straßenschild seiner heimatlichen Welt zu landen.« Allerdings sollte die Bezirksvertretung Scharnhorst verstehen, dass Goldstein sein Leben dafür eingesetzt habe, »Rechtsextremen und neuen Nazis nie mehr die Straßen und die Köpfe der Menschen zu überlassen«. Dafür werde er von Auschwitz-Überlebenden in vielen Ländern hoch geachtet.

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