Kita-Studie - Die Kinder geraten aus dem Blick

Die Betreuung in den Kitas wird immer unzuverlässiger – darunter leiden Beschäftigte und Familien

»Der Personalmangel bestimmt in den Kitas den Alltag«, erklärte Tomi Neckov, stellvertretender Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), am Dienstag bei der Vorstellung der neuen Kitaleitungsstudie. Die Gruppen in den Einrichtungen sind der Umfrage zufolge oft zu groß. Drei von vier Befragten gaben an, dass sie die Betreuungsschlüssel oft nicht einhalten können. Der Stress und die Unzufriedenheit unter den Beschäftigten wächst; oft fällt die Kita auch aus oder es findet nur eine eingeschränkte Notbetreuung statt. »Das hat natürlich Konsequenzen«, erläuterte Neckov. »Wo kaum die Betreuung gewährleistet werden kann, bleibt die individuelle Förderung sprachlicher Kompetenz eine Wunschvorstellung.«

Am Montag erst fand eine Anhörung im Familienausschuss des Bundestages statt, bei dem das »Bündnis Kita-Bundesqualitätsgesetz« davor warnte, dass sich die Situation in der Kinderbetreuung weiter zuspitzt. Jüngst wurde nämlich bekannt, dass der Bund keine weiteren Investitionen für den Ausbau von Kitas tätigen will. Das lange angekündigte Qualitätsentwicklungsgesetz wird inzwischen als Posten für Einsparungen im Bundeshaushalt 2025 gehandelt. Dieses Gesetz sollte eigentlich als Fortsetzung des »Gute-Kita-Gesetzes« (2019 bis 2022) und des »Kita-Qualitätsgesetzes« (2022 bis 2024) beschlossen werden und verbindliche Standards in den Einrichtungen festschreiben. Das Vorhaben steht jetzt auf der Kippe.

Alexander Nöhring vom AWO-Bundesverband war als Sachverständiger bei der Anhörung dabei und sprach von einer Krise bei der Kinderbetreuung, die sich immer deutlicher zeige. »Es fehlen fast 400 000 Kitaplätze in Deutschland und 100 000 Erzieher*innen, um den derzeitigen Bedarf zu decken.« Auch Nöhring sprach davon, dass die Einrichtungen »Bildung und Teilhabe nicht mehr verlässlich gewährleisten« könnten. Das Bündnis, dem neben der AWO die Erziehungsgewerkschaft GEW sowie der Verband katholischer Tageseinrichtungen für Kinder angehören, forderte alle demokratischen Parteien im Bundestag dazu auf, »sich spürbar für die Sicherung der frühkindlichen Bildung einzusetzen«.

In den Kitas solle mit einer Elementarbildung das Fundament für den weiteren Bildungserfolg gelegt werden, umriss Neckov tags darauf die Aufgabe der Einrichtungen. »Doch es bleibt unklar, wie das gelingen soll.« Zumal die Anforderungen in den Einrichtungen immer vielfältiger werden, so die Beobachtung der Leitungskräfte, weil beispielsweise auch die Sprachvielfalt zunimmt. Immer häufiger kommt es vor, dass Kinder mit einer Muttersprache aufwachsen, die das Personal nicht spricht. Das könne zu Problemen in der Kommunikation führen, meinte Neckov, und auch das Erlernen der deutschen Sprache erschweren. Bei der Personalgewinnung müsse daher darauf geachtet werden, dass »fehlende sprachliche Passungen ausgeglichen werden«. Auch könnte eine erleichterte Anerkennung von ausländischen Abschlüssen hilfreich sein, um diesem Mangel zu begegnen.

Insbesondere Unionspolitiker*innen forderten zuletzt verbindliche Sprachlerntests vor der Einschulung. Der VBE sieht das skeptisch, weil dadurch noch keine Probleme gelöst würden. Neckov forderte vielmehr ein Umdenken: Es dürfe nicht mehr sein, dass das Kind ein Problem hat, wenn es bei fehlenden Deutschkenntnissen nicht eingeschult wird, »sondern die Herausforderung liegt aufseiten der Politik«. Diese müsse gewährleisten, dass Kinder individuell nach ihren Bedürfnissen gefördert werden – damit alle einschulungsfähig werden.

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