Razzien in Leipzig: Auf der Suche nach Erben von Lina E.

Hausdurchsuchungen der Soko Linx in Leipzig nach Überfall auf Rechtsextremen

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Sonderkommission Linksextremismus (Soko Linx) durchsuchte am Mittwoch zehn Objekte in Leipzig
Die Sonderkommission Linksextremismus (Soko Linx) durchsuchte am Mittwoch zehn Objekte in Leipzig

Connewitz, Südvorstadt, Kleinzschocher: In mehreren Leipziger Stadtteilen hat die Polizei am Mittwoch über mehrere Stunden hinweg zehn Objekte durchsucht. Die Razzien, bei denen Beweismittel sichergestellt, aber keine Verhaftungen durchgeführt wurden, seien von der Sonderkommission Linksextremismus (Soko Linx) des sächsischen Landeskriminalamts (LKA) und der Staatsanwaltschaft Leipzig durchgeführt worden und gingen auf entsprechende Beschlüsse des Amtsgerichts Leipzig zurück, hatte das LKA bereits am Morgen mitgeteilt, zunächst ohne nähere Erklärungen für die Aktion zu liefern. Die Leipziger Linksabgeordnete Jule Nagel schrieb im Kurznachrichtendienst X, es gebe »nach kurzer Zeit der Ruhe« wieder Hausdurchsuchungen in der Stadt, und rief zu »solidarischem Beistand« auf.

Nach Abschluss der Aktion teilte das LKA dann mit, diese habe sich gegen neun Beschuldigte im Alter zwischen 20 und 53 Jahren gerichtet, darunter zwei Frauen. Ihnen werde eine gemeinschaftlich begangene gefährliche Körperverletzung im November 2023 am Leipziger Hauptbahnhof zur Last gelegt. Dabei wurde ein 22-Jähriger angegriffen und verletzt. Drei Beschuldigte sollen zudem einen versuchten Brandanschlag in einer Tiefgarage in Leipzig-Connewitz verübt und einer einen Vollstreckungsbeamten tätlich angegriffen haben.

Zunächst war spekuliert worden, die Aktion könne im Zusammenhang mit einem gewalttätigen Übergriff auf einen Rechtsextremen stehen, der sich erst vergangene Woche in Berlin ereignet hatte. Dabei war im Stadtteil Prenzlauer Berg bei einer Messerstecherei ein 23-jähriger mutmaßlicher Aktivist der Neonazi-Kleinstpartei III. Weg schwer verletzt worden. Auch zwei der drei Angreifer hätten schwere Verletzungen erlitten, ein weiterer sei flüchtig, meldete das Nachrichtenportal RBB24. Der für extremistische Taten zuständige Staatsschutz des Berliner LKA ermittle.

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Tatsächlich wurde die Durchsuchungsaktion aber durch einen anderen Überfall ausgelöst, der freilich einen ähnlichen politischen Hintergrund hat. Opfer des Vorfalls am 6. November 2023 war ein Rechter, der zuvor in Dresden bei einer Kundgebung anlässlich des neunten Jahrestags der islamfeindlichen Pegida-Bewegung gewesen sein und diese auf Tiktok gestreamt haben soll. Bei der Rückfahrt im Regionalexpress soll er ausgespäht und nach seiner Ankunft in Leipzig attackiert worden sein. Er erlitt leichtere Verletzungen.

Medien, die über die Razzien teils in großer Ausführlichkeit bereits berichteten, während diese kaum beendet waren, zogen umgehend Parallelen zur Gruppe um Lina E. Sie und drei Mitstreiter waren im so genannten »Antifa Ost«-Verfahren am Oberlandesgericht Dresden angeklagt, das vor zehn Monaten zu Ende ging. Ihnen wurde vorgeworfen, eine linksextremistische kriminelle Vereinigung gegründet und brutale Übergriffe auf Nazis verübt zu haben. Einer davon ähnelt der Aktion am Leipziger Hauptbahnhof tatsächlich auffällig. So wurden im Februar 2020 auf dem Bahnhof in Wurzen mehrere Neonazis attackiert, die zuvor bei einem »Trauermarsch« der rechtsextremen Szene anlässlich der Zerstörung Dresdens gewesen waren. Auch diese waren zuvor im Regionalexpress ausgespäht worden, und zwar nach Überzeugung des Gerichts von der Hauptangeklagten Lina E.

Am Ende des spektakulären, 97 Verhandlungstage währenden Prozesses wurden lange Haftstrafen verhängt, von denen sich die Sicherheitsbehörden auch eine abschreckende Wirkung auf die militante Szene erhofften. Diese ist indes wohl eher nicht eingetreten. Ob im November 2023 in Leipzig, zuvor beim rechtsextremen »Tag der Ehre« in Budapest im Februar 2023 oder jüngst in Berlin: Immer wieder wurden und werden nach ähnlichen Mustern Angriffe auf tatsächliche oder mutmaßliche Rechtsextreme verübt. Völlig offen ist indes, ob es organisatorische Zusammenhänge gibt. Eine Kennerin der Leipziger Szene äußerte sich auf Anfrage des »nd« überzeugt, dass von den Betroffenen der jetzigen Durchsuchungen »keinerlei Verbindungen zur ›Antifa Ost‹« bestünden: »Da gibt es keine personellen Überschneidungen. Das ist ein isoliertes Phänomen«. Das Portal »tag24« hatte zuvor von einem »Netzwerk aus teils prominenten linken Aktivisten« geschrieben. Im Visier sollen demnach unter anderem der Ex-Assistent eines linken ehemaligen Rechtsanwalts, ein Mitglied eines Medienkollektivs sowie eine Mitbegründerin der Initiative »Omas gegen Rechts« in Leipzig stehen.

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