Partizan gegen Roter Stern: Belgrader Stadtderby spaltet Serbien

Das BallHaus Ost zu Besuch in Aleksandrovac: Der Totengräber im Kreisverkehr

Die heißen Belgrader Derbys zwischen Partizan und Roter Stern bewegen ganz Serbien – auch das Weinstädtchen Aleksandrovac.
Die heißen Belgrader Derbys zwischen Partizan und Roter Stern bewegen ganz Serbien – auch das Weinstädtchen Aleksandrovac.

Während ein Bächlein durch die sanfte Landschaft um Aleksandrovac murmelt, sitzen wir mit dem Dorfpolizisten Goran in der Sportsbar Ceca und nippen freudetrunken am ersten Pflaumenschnaps. Hier in Zentralserbien ist das kein industriell hergestelltes Getränk. Es ist nicht mehr und nicht weniger als: die Antwort der hiesigen Schnapsspezialisten auf alles Schlechte in der Welt. Und das hört in Serbien bekanntlich beim Fußball auf und beginnt beim Neandertaler, der seinem Nachbarn mit einer soliden Keule den Schädel spaltete, als der sich an den wilden Himbeeren vor der Haushöhle gütlich tat.

Heute genügt schon ein neuer Kreisverkehr, um die Menschen völlig verrückt zu machen, erzählt Goran schmunzelnd. Seit einem halben Jahr schmückt ein solcher die Ortseinfahrt von Aleksandrovac – und führte seither zu zahlreichen Unfällen der Bewohner der Stadt und der angrenzenden Gemeinden. Bereits in der ersten halben Stunden nach der Eröffnung des nagelneuen (und bisher in dieser Gegend völlig unbekannten, verkehrsleitenden Bauwunders) Kreisverkehrs gab es die ersten Schwerverletzten, weil allen Verkehrsteilnehmenden beim Einfädeln ganz schwindelig wurde und sie sich mit Vollgas gegenseitig auf ihre Motorhauben spießten.

Ballhaus Ost
Fussball, Herren, 2. Bundesliga, Saison 2014/2015 (10. Spieltag)...

Frank Willmann blickt auf den Fußball zwischen Leipzig, Łódź und Ljubljana.

Ist das noch Motorsport, oder grenzt es schon an schwere Körperverletzung, philosophiert Dorfbulle Goran und schaut dabei auf die Glotze in der Bar, wo in Zeitlupe Partizan ein Tor von Stadtrivale Roter Stern Belgrad eingeschenkt bekommt. Gottes räudigster Hund f***e deine M****r, brüllt Goran als überzeugter Grobari (Partizanfan, Totengräber genannt).

Ja, der Fußball, ewiger Quell der Freude wie des Zankes. Auch das kleine Weinstädtchen Aleksandrovac ist geteilt in Partizan und Roter Stern. Es gibt kaum eine Hauswand, die nicht mit wohlfeilen Sprüchen verziert ist und jedes Verkehrsschild schreit geradezu danach, von rastlosen Wahnsinnigen mit Stickern beklebt zu werden. Besonders eifrig arbeiten sich die Fans an der einzigen Fußgängerampel ab. Sie wurde vor zwanzig Jahren feierlich von einem Trupp Belgrader Politiker installiert, um damit den Angriff der neuen Zeit aufs halbländliche Städtchen zu manifestieren. Leider, oder Gott sei Dank (hier gehen die Meinungen stark auseinander), blieb es bei der einen Ampel, die man zudem völlig sinnfrei an der Ausfallstraße installierte, damit jeder Besucher des Städtchens diese großartige Errungenschaft auch ausführlich bewundern konnte.

Die ersten zehn Jahre schaltete die Ampel in einem Takt, der nur von Politikern aus Belgrad verstanden wurde: 24 Stunden lang von grün auf gelb oder rot. Seit zehn Jahren blinkt sie nur noch gelb. Nachdem zwei betagte Mütterchen eben dort von heranwachsenden Tunichtguten umgefahren wurden, traut sich keiner mehr, die Straße an diesem Ort des Todes zu überqueren.

Jedenfalls ist der Metallarm der Ampel bis ganz oben mit Aufklebern versehen. Als wir zur dunkler Stunde die letzte Kneipe verlassen, setzen wir sogleich an der wunderschön im Dauergelb blinkenden Ampel unter kundiger Anleitung des Dorfbullen unsere Sticker an und machen Roter Stern aufklebertechnisch den Garaus.

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