Für Maja T.: Zu Fuß nach Budapest

Vater von Maja T. startet Hungermarsch von Dresden zur ungarischen Hauptstadt

  • Jan Theurich
  • Lesedauer: 4 Min.
Seinen zweiten Protestmarsch startete Jarosch (rechts) an der JVA Dresden, aus der Maja vor einem Jahr nach Ungarn verbracht wurde.
Seinen zweiten Protestmarsch startete Jarosch (rechts) an der JVA Dresden, aus der Maja vor einem Jahr nach Ungarn verbracht wurde.

Am Dienstagmorgen ist Wolfram Jarosch zu Fuß von der Justizvollzugsanstalt Dresden nach Budapest aufgebrochen. 800 Kilometer will er gehen – bis zu dem Gefängnis, in dem sein Kind seit über einem Jahr in Isolationshaft sitzt. Jarosch knüpft damit an seinen Protestmarsch »Zu Fuß für Gerechtigkeit« von Jena nach Berlin an, den er erst vor wenigen Tagen vor dem Auswärtigen Amt beendet hatte. Dort übergab er eine von Angehörigen Inhaftierter gestartete Petition mit über 100 000 Unterschriften, in der die Rückführung und ein Stopp weiterer möglicher Auslieferungen gefordert werden.

Nun geht er noch einen Schritt weiter: »Hungermarsch« nennt er seinen Protest, bei dem er täglich nur etwas Gemüsesaft, Brühe, Milch und circa 30 Gramm Honig zu sich nehmen wird. Dies diene lediglich der »Versorgung mit Mineralstoffen«, so Jarosch zu »nd«. Er will über Prag und Wien nach Budapest laufen. Seine Frau Tanja begleitet ihn die gesamte Strecke auf dem Fahrrad.

Dass sich Außenminister Wadephul und das Außenamt nun endlich – offenbar über die konsularische Betreuung hinaus – in den Fall einschalten wollen, begrüßt der Lehrer aus Thüringen. Die von der Bundesregierung angekündigten Gespräche auf hochrangiger Ebene seien »ein wichtiges Signal«. Trotzdem bleibt Jarosch skeptisch, denn: »Bisher hat sich an den tatsächlichen Bedingungen nichts verändert.«

Die von der Bundesregierung angekündigten Gespräche auf hochrangiger Ebene sind laut Jarosch »ein wichtiges Signal«.

Maja T. beklagt sich immer wieder über die schlechten hygienischen Bedingungen in der Haft. Es gebe Kakerlaken und Bettwanzen, das Essen sei teilweise verdorben. Aus Protest hatte T. im Juni einen fast sechs Wochen andauernden Hungerstreik begonnen, in dessen Verlauf T. 14 Kilogramm Körpergewicht verlor. Zudem wurde T. in ein 300 Kilometer von Budapest entferntes Haftkrankenhaus gebracht. Dort habe man T. weiterhin 24 Stunden am Tag isoliert, sagt Jarosch zu »nd«. Für den Lehrer aus Jena ist das eine Form psychischer Folter. Immer wieder spricht der verzweifelte Vater von einer systematischen Zermürbung seines Kindes.

Auch nach dem Abbruch von Majas Hungerstreik kam es diese Woche in mindestens zwei Dutzend deutschen Städten zu Aktionen zivilen Ungehorsams. Unter anderem wurde in Berlin kurzzeitig das ZDF-Hauptstadtstudio blockiert und ein »Free Maja«-Banner an der »Molecule Man«-Skulptur in der Spree angebracht. In Leipzig gab es eine Hausbesetzung in Solidarität mit Maja T., in Kiel wurde ein Gerüst am Landtag über mehrere Stunden besetzt. Linke Aktivist*innen ließen auch dort ein Banner mit der Aufschrift »Free Maja« herab, Spezialkräfte der Polizei räumten die Baugerüstbesetzung nach mehreren Stunden. Über Soziale Medien wurde zur Beteiligung an einem Aktionscamp vor dem Auswärtigen Amt in Berlin aufgerufen.

Maja T. steht in Budapest wegen mutmaßlicher Mitgliedschaft in einer kriminellen Organsiation und ebenfalls mutmaßlicher Tateinheit schwerer Körperverletzungen vor Gericht. Im Rahmen des rechtsextremen »Tag der Ehre« – ein Treffens tausender Neonazis, bei dem unter anderem die SS verherrlicht wird – kam es zu Angriffen auf vermeintliche oder tatsächliche Rechtsradikale. T. drohen bei einer Verurteilung bis zu 24 Jahre Haft. Bislang wurden vor Gericht keine Beweise für die Schuld vorgebracht. Auch die geladenen Zeug*innen konnten T. nicht als Täter*in identifizieren.

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Die Auslieferung nach Ungarn hatte das Bundesverfassungsgericht nachträglich als rechtswidrig eingestuft. Über eine Rücküberstellung nach Deutschland müssten ungarische Gerichte entscheiden, die dazu aber bislang keine Anstalten machen. Mit dem Hungermarsch will Jarosch deshalb den politischen Druck erhöhen: »Ich fordere Außenminister Dr. Johann Wadephul und den ungarischen Präsidenten Dr. Sulyok Tamás auf, Majas Isolationshaft zu beenden und die Rückführung nach Deutschland zu ermöglichen.«

Ob Jarosch Budapest zu Fuß erreicht, ist offen. Die Strecke ist lang, das radikale Fasten eine starke körperliche Belastung. Was jedoch feststeht, ist das angestrebte Ziel seiner Aktion: die Beendigung der Isolationshaft, die Rücküberstellung nach Deutschland und keine weiteren Auslieferungen nach Ungarn. »Die Umsetzung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts muss endlich erfolgen«, so Jarosch.

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