- Politik
- Adbusting
Antimilitaristen werden kriminalisiert
Auch Monate nach Plakataktion zum Veteranentag laufen polizeiliche Ermittlungen auf Hochtouren
Die Poster sorgten im Mai und Juni 2025 in vielen Städten für Aufmerksamkeit. »Abhängen mit Nazipreppern?« stand auf einem davon. Auf einem anderen ist in großer Schrift zu lesen: »Deutscher Mix: Nazis, Patronen, Einzelfälle«. Damit sollte darauf hingewiesen werden, dass immer wieder extrem rechte Chatgruppen bekannt wurden, an denen Bundeswehrangehörige beteiligt waren.
Auf allen Plakaten war die Parole »Nein zum Veteranentag« zu lesen. Der Veteranentag wurde dieses Jahr am 15. Juni in 60 Städten erstmals zelebriert. Mit ihm sollen ehemalige und aktive Soldat*innen geehrt werden. Antimilitarist*innen sahen darin einen Rückgriff auf fragwürdige Rituale im Zeichen der neuen Kriegstüchtigkeit. Im Rahmen der Proteste dagegen wurden an zahlreichen Orten auch Plakate in Bushaltestellen ausgetauscht. Dazu hatte ein Netzwerk aufgerufen, zu dem auch die Jugendorganisation der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner*innen (DFG-VK) gehört.
Das Adbusting, wie das Verändern von Plakaten genannt wird, sorgte wie bei früheren Anlässen bei der Polizei für besondere Aufmerksamkeit. Ermittler*innen machten sich auf die Suche nach den Plakaten und stellten sie als vermeintliche Beweismittel für Straftaten sicher.
Wie das antimilitaristische Aktionsnetzwerk jetzt mitteilte, ermittelt die Polizei in Schwerin, Stralsund, Tübingen und Dresden. In Mecklenburg-Vorpommern war die Aktion sogar Thema im Innenausschuss des Landtages. »Wir freuen uns, dass die Polizei unseren Plakaten so viel Beachtung schenkt«, sagt Netzwerksprecher*in Kai Krieger. »Schön wäre es, wenn die Behörden den Inhalt beherzigen und etwas gegen Nazis in Polizei und Militär tun würden. Doch leider verfolgen sie mal wieder lieber Meinungsäußerungen, die ihnen nicht passen.«
»Schön wäre es, wenn die Behörden etwas gegen Nazis in Polizei und Militär tun würden. Doch leider verfolgen sie mal wieder lieber Meinungsäußerungen, die ihnen nicht passen.«
Kai Krieger Antimilitaristisches Aktionsnetzwerk
Die Stadtverwaltung von Tübingen hat dem Bundesverband der DFG-VK eine Rechnung geschickt. Da deren Jugendnetzwerk die Adbusting-Plakate entworfen habe, solle die DFG-VK nun den Stundenlohn der Polizeibeamten für die Suche nach Plakaten zahlen, so die Begründung.
In Mecklenburg-Vorpommern ermittelt die Polizei gegen Unbekannt wegen Beleidigung der Bundeswehr. In Schwerin haben zwei Personen Vorladungen bekommen. In Stralsund wurde nach Angaben des Netzwerks am 2. September ein Mitglied der Linken von einem Beamten der Kriminalpolizei angerufen. Dieser fragte nach Namen von Verdächtigen aus der Linke-Jugendorganisation Solid. »Erfolgreich war der Versuch jedoch nicht«, berichtete Kai Krieger im Gespräch mit »nd«.
Krieger bietet den Ermittlungsbehörden durchaus eine Zusammenarbeit an. Allerdings nicht bei der Suche nach Personen, die an den Aktionen beteiligt waren, sondern um Nachhilfe bei der rechtlichen Einordnung des Plakatierens zu geben: »Die zuständigen Polizist*innen könnten sich mal unsere Sammlung an erfolgreichen Klagen und Gerichtsprozessen anschauen. Wir schicken sie ihnen auch gerne zu, falls es ihnen die Arbeit erleichtert«, betont Krieger.
Tatsächlich haben haben mehrere Gerichte Adbusting-Aktionen für nicht strafbar erklärt. 2023 wurde eine Hausdurchsuchung wegen eines Bundeswehr-Adbustings vom Bundesverfassungsgericht für illegal erklärt. Zudem bezeichneten die Rechtswissenschaftler Andreas Fischer-Lescano und Andreas Gutmann Adbusting in einem Beitrag für den Verfassungsblog sogar als eine grundrechtlich geschützte Meinungsäußerung. Die Einschätzung der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages fällt ganz ähnlich aus.
Das antimilitaristische Bündnis schließt weitere Adbusting-Aktionen zum nächsten Veteranentag nicht aus.
Wir sind käuflich. Aber nur für unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser*innen und Autor*innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen
Mit »Freiwillig zahlen« machen Sie mit. Sie tragen dazu bei, dass diese Zeitung eine Zukunft hat. Damit nd.bleibt.