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Von Berlin über Cottbus bis Zwickau: Winter im Fußballosten
BallHaus Ost: Vom fußballernden Bodensatz und dem Land der Verdammnis
Vertrackte Winterpause! Wer hat diese Unterbrechung der Meisterschaft nur erfunden? Vermutlich Friedrich Merz oder ein anderer Spaßverderber aus dem Land der Verdammnis. Haben wir das Schlimmste hinter uns, oder beginnt es gerade erst, so richtig ungemütlich zu werden?
Nun werden die Tage wieder länger, und ich muss nur noch zwei Wochen schlafen, um vor den Schrecken der Winterpause auf die fernen Kanarischen Inseln entfliehen zu dürfen. Im fernen Las Palmas wird unter einer milden Sonne für mich drei Wochen durchgespielt, indes das Geschnatter grüner Halsbandsittiche sämtliche Gehörgänge freudvoll flutet. Ich werde mit kurzen Hosen am Strand defilieren und majestätisch in die Ferne blicken. Gegenüber liegt Afrika, wo der Afrika-Cup in Marokko ausgespielt wird. Gelingt die Überfahrt nach Casablanca mit einer furchtlosen Kapitänin? Oder genügen mir bedeutende kanarische Viertligamannschaften, um nicht aus dem Flow zu geraten, wo der FC Carl Zeiss Jena in der Regionalliga Nordost doch gerade auf Platz zwei liegt? Noch einen Platz höher – und schwupp, warten im Mai die Aufstiegsspiele zur 3. Liga auf uns.
Das Leben ist eine Tombola, und höchstwahrscheinlich ziehe ich das große Los? Darauf wartet auch Konkurrent Lok Leipzig – neben weiteren Kandidaten aus Zwickau, Erfurt oder Halle. Der Fußballosten hat sich abhängen lassen, ein Blick auf die ersten drei Ligen macht das Bild nicht schöner.
Frank Willmann blickt auf den Fußball zwischen Leipzig, Łódź und Ljubljana.
Union Berlin kämpft tapfer eigensinnig und einsam in der höchsten Spielklasse. Weil Geld Spiele gewinnen hilft und Union keins hat, stehen sie im Mittelfeld und hoffen auf Väterchen Fortunato. Reiche Vereine aus dem Westen bestimmen das Bild, der reichste Klub unter den Reichen sorgt seit einem Jahrzehnt für Langeweile in der ersten Liga, womit alles gesagt ist.
In Liga zwei geht es spannend zu, die beiden ostdeutschen Vertreter, der 1. FC Magdeburg und Dynamo Dresden, streiten um die rote Laterne. Zur Winterpause (du garstiges Wort!) darf die SGD sie tragen, doch der einzig wahre Klub FCM steht nur knapp über dem bösen Strich und hat ein schweres Jahr vor sich. Beide müssen alle Register ziehen, um nicht in der 3. Liga zu landen. Dort agiert Cottbus manierlich und steht auf dem ersten Platz. Rostock chillt auf Platz fünf, vier Punkte entfernt vom FC Energie, wo Trainerzombi Wollitz 110 Prozent aus seinen Mannen herausholt. Erzgebirge Aue auf dem 16. Platz komplettiert den Fußballosten in Liga drei.
Wünschen wir allen Ostvereinen viel Kraft und Willen, um sich gegen die betuchteren Klubs durchzusetzen. Nur der Wille erlöst. Oder eine kleine Revolution. Aber Revolutionen gibt es im Fußball nicht, da Solidarität im Haifischbecken nicht zu erwarten ist. Auch in der Regionalliga, wo sich der traurige fußballernde Bodensatz stets bemüht zeigt, keimt allzeit zaghaft Hoffnung. Viele Tausend Menschen pilgern regelmäßig in Zwickau, Halle, Chemnitz, Jena und Leipzig (okay, auch in Erfurt) zum Fußball. Ich trage sie nicht alle im Herzen, wünsche trotzdem auch dem liebsten Feind: Möget ihr in luftiger Höhe dereinst nach den süßen Trauben haschen.
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