Kriegsbeile ausgraben

Das italienische Autorenkollektiv Wu Ming über Kommunisten der 1950er Jahre und den Indochina-Krieg

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Bücher des italienischen Autorenkollektivs Wu Ming erfreuen sich hierzulande gerade großer Beliebtheit. Die Neuauflage ihres Romans »Q« über die Kämpfe von Häretikern und Revolutionären zur Zeit der Reformation - passend zum Lutherjahr -, den sie Ende der 1990er noch unter dem Pseudonym »Luther Blisset« verfasst hatten, wurde gerade erst von Thomas Ebermann und Berthold Brunner auf die Bühne gebracht. Zur Zeit touren die beiden mit ihrem Stück durch das Land.

Mit »Kriegsbeile« veröffentlicht der Verlag Assoziation A, der die historischen Politromane der Postautonomen aus Bologna sukzessive herausbringt, nun den im Original bereits im Jahr 2000 erschienenen zweiten Roman des Kollektivs. In dem voluminösen, fast 500-seitigen Buch, das sie zusammen mit dem 1934 geborenen Antifaschisten Vitalino Ravagli geschrieben haben, geht es um die italienischen Kommunisten der 1950er Jahre, den Indochina-Krieg und die Kämpfe der radikalen Linken in Italien zur Jahrtausendwende. Für Wu-Ming-Fans dürfte das Buch von besonderem Interesse sein, da es auch einen zwar fiktionalisierten, aber doch sehr intimen Blick in die Lebensumstände und die Schreibpraxis des linksradikalen Autorenkollektivs bietet.

»Kriegsbeile« ist nach Auskunft von Wu Ming kein Roman, sondern ein »erzählerisches Objekt mit Fabrikationsfehlern«, das in alle Richtungen ausufert und versucht, aus dem Käfig auszubrechen, in das es gesperrt wurde. »Kriegsbeile enthält einige der schlechtesten Seiten, die wir je geschrieben haben. Kriegsbeile enthält einige der besten Seiten, die wir je geschrieben haben.« So heißt es im Vorwort.

Entstanden ist die Idee, über eine internationalistische Beteiligung italienischer Kommunisten am Indochina-Krieg zu schreiben, während ihrer Recherchen zu dem Roman »54«. Sie stießen auf die faszinierende Geschichte des Antifaschisten Vitaliano Ravagli, der in den 1950er Jahren als Freiwilliger in Laos und Vietnam gekämpft hatte. Seine Geschichte war zu umfangreich, um sie in den Roman »54« einzubauen, so dass ein eigenes Buch dazu entstand. Es war die erste Veröffentlichung unter dem Namen »Wu Ming«, mit dem die Autoren nach dem Erfolg von »Q« in ganz Italien auf Lesereise unterwegs waren. Neben Ravaglis Erinnerungen besteht »Kriegsbeile« aus einer Chronik des Indochina- und Vietnam-Krieges und einem Handlungsstrang, der im Jahr 2000 in Bologna angesiedelt ist, wo ein linker Anwalt die Geschichte der italienischen Internationalisten im Indochina-Krieg recherchiert. Daneben geht es in diesem Handlungsstrang, der viel über das kulturelle und politische Umfeld von Wu Ming erzählt, um antirassistische Kämpfe, militante Demonstrationen, die Bewegung der Tute Bianche und Hausbesetzungen.

Auch wenn der Roman in der Lektüre mitunter einige Längen aufweist, verknüpfen Wu Ming hier auf geniale Weise die Geschichte der italienischen Linken verschiedener Jahrzehnte von den 1920er Jahren bis in die Gegenwart. Dabei wird klar, wie prägend der Antifaschismus für diese Bewegung war und ist. Immer wieder geht es um den konterrevolutionären Antikommunismus, in den die prügelnden und folternden Sicherheitskräfte ebenso wie die Kirche und die demokratischen Parteien der Nachkriegszeit verstrickt waren.

Von dort schlagen Wu Ming einen weiten Bogen bis zum Vietnamkrieg. »Die Vietcong sind gestaltlose Gespenster im Dickicht, sie tauchen nie auf. Es sind die Geister des imperialistischen schlechten Gewissens.« Wu Ming machen die Geschichte dieser Unsichtbaren sichtbar - ebenso wie die vielen Biografien der von den Faschisten ermordeten italienischen Kommunisten, die in diesem Buch eine Rolle spielen. Die faschistische Repression ebenso wie die Kriegsgeschichten aus Asien sind an einigen Stellen verstörend brutal und tun beim Lesen richtiggehend weh.

»Damit wir verstehen, muss der uns überlieferte Mythos zerstört, und aus seinen Trümmern müssen lebendige Geschichten geborgen werden. Die Geschichten, die uns niemand erzählt hat, sind die Kriegsbeile, die ausgegraben werden müssen.«, so Wu Ming im Nachwort dieses Romans, der die erzählerische Bandbreite des italienischen Autorenkollektivs deutlich erweitert.

Wu Ming: Kriegsbeile. Aus dem Italienischen von Klaus-Peter Arnold. Assoziation A, 448 S., geb., 26 €.

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