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Der Dixie des Ostens

Dynamo-Legende Hans-Jürgen Dörner stirbt mit nur 70 Jahren in Dresden

So gut wie er war wohl kein anderer DDR-Fußballer: Hans-Jürgen Dörner 1980 bei einem UEFA-Cup-Spiel in Stuttgart
So gut wie er war wohl kein anderer DDR-Fußballer: Hans-Jürgen Dörner 1980 bei einem UEFA-Cup-Spiel in Stuttgart

Ach, immer diese schiefen Gleichnisse! Ein letztes Mal haben sie es nun alle wieder so geschrieben, und auch diesmal ist es so ignorant, so überheblich und falsch wie nur irgendwas: Nein, Hans-Jürgen Dörner war nicht der »Beckenbauer des Ostens«! Nein und nochmals nein! Denn dazu fehlte es dem gebürtigen Oberlausitzer an zu vielem: an Chuzpe, an Eitelkeit, an Selbstgefälligkeit, vielleicht auch an Geld und womöglich am Geschäftssinn - von der Bereitschaft, auch mit dem einen oder anderen schwarzen Milliönchen zu hantieren, ganz zu schweigen.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Woran es Dixie Dörner ganz sicherlich nicht fehlte - neben überragendem Spielverständnis und grandioser Spielübersicht - waren Eleganz und Ballgefühl. Er hob sich deutlich ab von der kämpferischen, athletischen Art, wie sonst in der DDR Fußball gespielt wurde. Den Dirigenten nannten sie ihn damals, weil er als Kapitän seine Mitspieler so taktgenau über das Spielfeld zu geleiten vermochte: Plötzlich waren da elf Künstler in kurzen Hosen unterwegs.

Seine Bilanz als Spieler ist makellos: Olympiasieger, 100 Länderspiele, fünf Meistertitel, fünf FDGB-Pokalsiege: Ganz sicher braucht es keinen »Kaiser«, um Hans-Jürgen Dörner in Relation zu setzen. Er war ein Spitzenfußballer, womöglich der größte, den die DDR je hervorgebracht hat.

In der Nacht zum Mittwoch ist Dixie Dörner in seiner Wohnung in Dresden gestorben, nach langer, schwerer Krankheit. Die SG Dynamo Dresden, der Klub, dessen Trikot Dörner von seinem 17. Lebensjahr an bis zu seinem Karriereende trug, trauerte gestern um den Ehrenkapitän, dessen Porträt auf einem überlebensgroßen Plakat im Dynamo-Stadion hängt: »Wir haben eine bewundernswerte Persönlichkeit verloren, das reißt ein großes Loch in unsere Mitte«, schrieb Vereinspräsident Holger Scholze.

Als Dörner als Jungspund zu Dynamo kommt, spielen die Dresdner in der zweithöchsten Spielklasse, der DDR-Liga. Noch bevor er mit den Elbestädtern aufsteigt, wird er ins blau-weiße Nationalteam berufen. In der Auswahl und auch im Klub erweist sich der gelernte Stürmer schon bald als Idealbesetzung auf dem Liberoposten: die Schaltstelle in der Abwehrmitte, Ausgangspunkt aller Offensivaktionen, mit reichlich Narrenfreiheit für Ausflüge ins Mittelfeld - dem Vorstopper sei Dank.

1974 verpasst Dörner die WM in der BRD, er hat sich auf einer Südamerikareise mit der Nationalelf Gelbsucht eingefangen. Den legendären 1:0-Sieg über den Beckenbauer des Westens verpasst Dörner, stattdessen ist er beim einzigen großen Titelgewinn der DDR-Nationalmannschaft dabei, dem Olympiasieg 1976 in Montreal. Für Dörner der sportliche Höhepunkt, wie er 2016 im nd-Interview erzählt: »Es ist für mich auf jeden Fall der größte Erfolg im Fußball, der Tag wird mir immer in Erinnerung bleiben. Olympiasieger ist man sein ganzes Leben lang.« 558 Spiele hat Dörner für Dresden absolviert und dabei 101 Tore geschossen, als er 1986 abtritt. Die Fans vergöttern ihn, auch wegen seiner unvergleichlichen Frisur - die Kaltwelle mit blonden Strähnchen ist in Sachsen stilprägend.

Wie sein Kollege Beckenbauer wird der ehrgeizige Dörner danach Trainer: Erst bei Dresdens Nachwuchs, nach der Wende bei den DFB-Junioren. 1996 erlangt er höchsten Ruhm als Coach: Willi Lemke vom SV Werder Bremen engagiert ihn. Dörner ist die erste Ostfußball-Persönlichkeit, die als Cheftrainer einen Bundesligisten anleitet. Der Klub ist 16., als Dörner kommt, und Neunter, als Dörner nach anderthalb Jahren gehen muss. Ein fachlich herausragender Trainer, der vom Zirkus Profifußball überfordert ist.

So hoch hinaus wie in Bremen geht es für den Trainer Dörner nie wieder, das hat er selbst nie richtig verstehen können, wie er später immer wieder sagen wird. FSV Zwickau, Al-Ahly SC in Kairo und VfB Leipzig (2001 bis 2003) heißen die folgenden Stationen, danach hört er als Profitrainer auf.

In Dresden bleibt er Legende: 2013 wählen ihn die Fans mit den meisten Stimmen in den Aufsichtsrat. Fortan widmet er sich Familie und Herzensverein - bis zu seinem Tod.

Seine Dynamos wollen nun am Sonntag beim Zweitliga-Auswärtsspiel in Hannover mit Trauerflor auflaufen - in Erinnerung an einen unvergesslichen DDR-Fußballer. Eine letzte Ehre für: den Dixie Dörner des Ostens!

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