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Heißt Ja zur Abrüstung Nein zur Aufrüstung?

Ostermärsche: Die Haltung der Gewerkschaften zur Militärpolitik

  • Eva Roth
  • Lesedauer: 4 Min.

Die geplante Erhöhung der Militärausgaben in Deutschland und der russische Krieg gegen die Ukraine sind zentrale Themen der diesjährigen Ostermärsche. Die deutsche Friedensbewegung sei gegen das Vorhaben der Bundesregierung, ein Sondervermögen Bundeswehr von 100 Milliarden Euro einzurichten und jährlich mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts fürs Militär auszugeben, sagt Marvin Medyka vom Netzwerk Friedenskooperative. Es sei nicht einmal ein Sachgrund genannt worden, wofür die 100 Milliarden gebraucht würden.

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) ruft zur Teilnahme an den Ostermärschen auf. Er beurteilt die Zwei-Prozent-Vorgabe lediglich »kritisch«. Einzelne seiner Mitgliedsgewerkschaften haben eine klarere Position.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

»Das ist sinnentleert«

So lehnen Verdi und die Bildungsgewerkschaft GEW die Aufrüstungspläne von Kanzler Scholz ab. »Das Zwei-Prozent-Ziel ist eine ideologisch getriebene Festlegung. Sie würde dazu führen, dass mehr Wachstum in Deutschland automatisch zu mehr Militär führt. Das ist sinnentleert und freut lediglich die Waffenindustrie«, sagte Verdi-Chef Frank Werneke in einem Interview. Am 25. März hat sich der Verdi-Gewerkschaftsrat auf ein Nein zur Aufrüstung festgelegt.

Einen Tag später sprach sich der GEW-Hauptvorstand gegen die Militärpläne aus. »Die Hochrüstung hilft den Menschen in der Ukraine nicht und wird die Sicherheit in Europa weiter gefährden«, heißt es in dem Beschluss.

Die IG Metall setzt sich laut Satzung zwar ebenfalls für Abrüstung ein. Im aktuellen Aufrüstungsfall zeigt ihr Vorsitzender hingegen ein gewisses Verständnis. So verwies Jörg Hofmann in einem Interview bei »Jung & Naiv« mit Blick auf den 100-Milliarden-Plan auf mögliche Ausstattungsprobleme der Bundeswehr. Skeptischer zeigte er sich bei dem Plan, die Rüstungsausgaben dauerhaft auf zwei Prozent des BIP festzulegen.

Diese Haltung ähnelt sehr dem DGB-Aufruf zum Ostermarsch, in dem gar nichts zu den 100 Milliarden steht und die geplante dauerhafte Aufstockung des Militärhaushalts »kritisch« beurteilt wird. Insofern kann man schlussfolgern, dass sich die IG Metall bisher im DGB durchgesetzt hat. Wie er sich künftig positioniert, wird sich beim DGB-Kongress im Mai zeigen.

Wir haben auch die anderen DGB-Gewerkschaften gefragt, wie sie die Rüstungspläne einschätzen. Guido Zeitler, Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten, kritisierte, dass eine »breite gesellschaftliche Diskussion über das Für und Wider dieser massiven Aufrüstung« fehle. Zwar müsse die Bundeswehr ordentlich ausgestattet sein. »Ob es allerdings die enormen Summen, die plötzlich zur Verfügung gestellt werden, braucht, ist unklar. Zumal der Wehretat dauerhaft erhöht werden soll«, sagte Zeitler »nd.DieWoche«. IG BAU und EVG erklärten, sie könnten aktuell keine Einschätzung geben, die GdP verwies auf die DGB-Position. Die IG BCE, immerhin drittgrößte Gewerkschaft, reagierte gar nicht.

Verdi, IG Metall und der Mainstream

Dass sich gerade die beiden größten Gewerkschaften, Verdi und IG Metall, unterschiedlich positionieren, hat für den Arbeitsrechtler und Kenner der Gewerkschaften Wolfgang Däubler nicht nur damit zu tun, dass die IG Metall Beschäftigte in der Rüstungsindustrie organisiert. Sie achte auch mehr darauf, gute Beziehungen zu den Regierungsparteien zu haben, insbesondere zur SPD, und sei stärker in den politischen Mainstream eingebunden.

Verdi habe hingegen auch bei anderen Themen, etwa der Tarifeinheit, eine vom Mainstream abweichende Position vertreten. Dies wiederum habe etwas mit den Mitgliedern zu tun: »In Verdi sind ganz unterschiedliche Gruppen organisiert, die Leute sind oft gesellschaftspolitisch engagiert«, sagt Däubler. »In der IG Metall sind mehr Beschäftigte, weil das halt üblich ist, etwa bei VW oder in Stahlkonzernen.«

Und was wäre, wenn sich alle Gewerkschaften klar gegen die Aufrüstung stellen? In ihrer derzeitigen Verfassung seien sie bei politischen Fragen nicht so wichtig wie in anderen Ländern, sagt Däubler: »Die Politik muss keinen politischen Streik befürchten.«

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