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Gegen Angst und Zwangshijab im Iran

Mahtab hofft auf einen Erfolg der Revolution im Iran

Wenn Mahtab von ihren Erinnerungen an die vergangenen sechs Monate erzählt, spricht sie so furchtlos, als spräche sie über Dinge des Alltags. Dabei hat sie ungewöhnliche Dinge getan, Schlimmes ist ihr passiert, noch Schlimmerem konnte sie bisher entkommen. Während der Proteste brachen Polizisten ihren Arm mit einem Knüppelschlag. Aus Angst, identifiziert und verhaftet zu werden, floh Mahtab ohne Versorgung und Gips aus dem Krankenhaus. Ein anderes Mal warf sie während einer Demonstration in Teheran handgemachte Granaten, um andere Demonstrant*innen vor Polizeigewalt zu schützen.

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Für Mahtab war der Zwangshijab schon immer unerträglich. Wie viele andere Frauen im Iran bekam sie auch oft Probleme, wenn sie keinen Hijab trug. Schon als die ersten Proteste begannen, war sie dabei. »Als Menschen in Teheran auf die Straßen kamen und der Stadtteil Tajrish überfüllt von Protestierenden war, gingen meine Freundin und ich dazu und protestierten. Wir schrieben Parolen an die Wände und auf die Straßen«, sagt sie. Überall »Zan, Zendegi, Azadi«, also »Frauen, Leben, Freiheit« auf Persisch. Mahtab ist 33 Jahre alt und tätig im Lehrbereich. Sie hat bis vor Kurzem im Distrikt 1 von Teheran gelebt, ein wohlhabender Stadtteil ganz im Norden der Stadt. 

Der 16. September 2022, an dem die 22-Jährige Jina Mahsa Amini nach ihrer Verhaftung wegen »unangemessenen Hijabs« in Polizeigewahrsam starb, war das Begräbnis der islamischen Republik. Seitdem wurden breite Bevölkerungsschichten zu Gegner*innen des Systems, auch aus religiösen Bevölkerungsgruppen, und viele Politiker*innen, die einmal Teil des Systems waren. Der Sturz des Regimes ist das gemeinsame Ziel für viele unterschiedliche Teile der Gesellschaft, die sich bis dato nie einigen konnten. Plötzlich scheint das ganze Land geeint hinter der Forderung: Die Mullahs müssen weg.

»Ich hatte immer ein Problem mit der Verfassung des Landes, vor allem in Bezug auf Frauenrechte. Genau aus diesem Grund war ich bei der jüngsten Revolution sehr aktiv. Für mich ist diese Revolution eine Frauenrevolution.« Mahtab sitzt in einem Café in Istanbul und erzählt per Face Time von ihren Tagen in Teheran während der letzten sechs Monate. Weil sie außerhalb des Iran Urlaub macht, hat sie einen guten Internetzugang und kann einfacher von ihrer Rebellion sprechen: »All diese Nächte, in denen immer ich Rufe von Menschen hörte, bin ich rausgegangen und habe protestiert. Ich ging zu allen Protesten, überall in Teheran. Anfang Oktober, als die Demo in dem großen Basar stattfand, nahm ich ein Motorradtaxi, um mich den Protesten anzuschließen.« Der Motorradfahrer gab ihr Granaten mit.

Der Protest verlief zuerst friedlich, bis die Polizei begann, Menschen zu erschrecken und sie mit Schlagstöcken zu bedrohen: »Ich habe die Granaten geworfen, weil sie Rauch verursachen. So konnten die Leute ohne Angst Parolen skandieren und im Rauch vor den Polizisten davonlaufen«, erzählt Mahtab. Hatte sie keine Angst, in einem der berüchtigten Gefängnisse zu landen? »Ich habe keine Angst vor Folter und Gefängnis. Angst habe ich aber davor, nicht mehr Teil dieser Revolution sein zu können, wenn ich festgenommen werde.« 

*Name von der Redaktion geändert

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