Moderne Sklaverei: Zwangsarbeit nimmt zu

Die Zahl der Opfer von moderner Sklaverei ist stark gestiegen

Viele Menschen in den Industrieländern glauben, sie sei heute ein Randphänomen, das nur in autoritären Gesellschaften zu finden ist: moderne Sklaverei. Dabei ist sie insbesondere für Frauen weltweit Alltag, sei es in Zwangs- und arrangierten Ehen oder Zwangsprostitution, sei es in Anstellungsverhältnissen in Privathaushalten, die Gefangenschaft und oft brutale Gewalt bedeuten. Aber sklavereiähnliche Arbeitsverhältnisse breiten sich in den letzten Jahren weltweit in allen Bereichen der Gesellschaft wieder stärker aus. Am Mittwoch legte die Menschenrechtsorganisation Walk Free in London die neue Ausgabe des »Global Slavery Index« vor, also einen Bericht zu deren Verbreitung. Demnach waren im Jahr 2021 etwa 50 Millionen Menschen betroffen und damit zehn Millionen mehr als fünf Jahre zuvor. Zum Vergleich: 2008 ging die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) noch von 27 Millionen Betroffenen weltweit aus.

Besonders gefährdet sind dem Bericht zufolge Menschen, die vor den Folgen des Klimawandels und vor Konflikten fliehen müssen. Auch eine weltweite Einschränkung der Frauenrechte sowie wirtschaftliche und soziale Auswirkungen der Corona-Pandemie verschärfen demnach die Situation.

Am verbreitetsten ist moderne Sklaverei laut Bericht in Nordkorea mit 105 Menschen je 1000 Einwohner, Eritrea (90), Mauretanien (32), Saudi-Arabien(21) und der Türkei (15,6). Doch auch in den Industrie- und Schwellenländern gibt es viele Betroffene: In Indien wird ihre Zahl auf elf Millionen geschätzt, in China auf fünf Millionen, in Pakistan auf 2,3 Millionen, in Russland auf 1,8 Millionen und in den USA auf 1,1 Millionen.

Kritisch sieht Walk Free auch die Rolle der G20-Staaten. Jedes Jahr importieren diese nach Angaben der Organisation mutmaßlich unter Zwang hergestellte »Risikoprodukte« im Wert von 468 Milliarden US-Dollar (434 Milliarden Euro). Sie seien also über ihre Lieferketten mitverantwortlich für das Leid etwa der Hälfte der Betroffenen. »Die moderne Sklaverei durchdringt jeden Aspekt unserer Gesellschaft. Sie ist in unsere Kleidung eingewoben, beleuchtet unsere Elektronik und würzt unser Essen«, erklärte die Gründungsdirektorin von Walk Free, Grace Forrest.

Die Organisation mit Sitz in Australien fordert wirksame Lieferkettengesetze, die Unternehmen in Industriestaaten für die Arbeitsbedingungen in Zulieferbetrieben in die Pflicht nehmen. Außerdem appelliert Walk Free an die Regierungen, auch im Zusammenhang mit humanitärer Hilfe und beim Aufbau einer grünen Wirtschaft in ihren Einflussbereichen dafür zu sorgen, dass es nicht zu Zwangsarbeit kommt. Zudem müssten Kinder, insbesondere Mädchen, durch das Ermöglichen von Schulbildung und das Verhindern von Zwangsehen besser geschützt werden. mit dpa

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