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Zukunft der Linkspartei: Die Klassenfrage ist das Modernste

Bis zum Parteitag im November muss der Prozess der strategischen Verständigung und Einigung der Linken abgeschlossen sein

  • Heinz Bierbaum und Michael Brie
  • Lesedauer: 14 Min.
Linkspartei: Zukunft der Linkspartei: Die Klassenfrage ist das Modernste

Am Abend des 26. September 2021 wurde klar, dass viel zu wenige Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik der Auffassung sind, sie bräuchten die Partei Die Linke noch als ihre Vertreterin im Bundestag. Gebraucht wurde sie danach auch nicht für die Bildung der neuen Regierung, obwohl doch der Wahlkampf genau auf eine bundesweite Regierungsbeteiligung abzielte. Und der dramatische Verlust an Mitgliedern der Partei zeigt: Selbst viele von ihnen brauchen diese Partei nicht mehr, und sei es deshalb nicht, weil sie an ihr verzweifeln. Eine Partei, die weder von den Bürgerinnen und Bürgern, noch im politischen System und nicht einmal von ihren eigenen Mitgliedern gebraucht wird, ist in der Existenzkrise.

Seit 1990 gab es bisher zwei größere Versuche, eine sozialistische Partei links von der Sozialdemokratie aufzubauen. Der erste Versuch war der der PDS. Aus der kommunistischen Staatspartei der DDR wurde die Partei des Demokratischen Sozialismus formiert. Sie konnte sich, mühselig, behaupten, weil ihr Gebrauchswert klar war – eine linke regionale Volkspartei, die den Ostdeutschen Gehör verschaffte, Mitgestalterin des Beitritts zur Bundesrepublik in den Kommunen und auf Landesebene, Verteidigerin der Lohnabhängigen der DDR-Betriebe, die arbeitslos wurden, und jener, die ihre Grundstücke verloren, politische Heimat für jene aus der SED, die sich weiter dem Sozialismus verpflichtet sahen. Es gab mit Gregor Gysi, Lothar Bisky und anderen eine starke Führungsgruppe, die die Widersprüche des Projekts vorwärtsweisend vermittelte. Als die drängendste Tagesordnung des Beitritts abgearbeitet war, verfehlte die PDS eine überzeugende Neuorientierung, fiel 2002 aus dem Bundestag und konnte erst durch einen Sonderparteitag im Frühsommer 2003 wieder stabilisiert werden.

Der zweite Versuch wurde durch die WASG (Arbeit & soziale Gerechtigkeit – Die Wahlalternative) unternommen, verbunden mit einer Neuorientierung der PDS und dem schließlichen Zusammenschluss beider zur Partei Die Linke. Die aggressive neoliberale Agenda 2010 von Gerhard Schröder hatte zu einer tiefen Entfremdung von SPD und Gewerkschaften geführt. Die Agenda 2010 war ein offener Angriff auf die hart erkämpften sozialen Rechte der Lohnabhängigen. Dem war mit dem Krieg gegen Serbien ein Bruch in der Friedensfrage vorhergegangen. Wiederum war der dreifache Gebrauchswert klar: Die Partei Die Linke setzte dem Neoliberalismus und Finanzmarkt-Kapitalismus sowie der imperialen Agenda der USA eine eigene soziale und friedenspolitische Agenda entgegen, setzte Alternativen wie den Mindestlohn und armutsfeste Renten auf die Tagesordnung. Sie machte ihren Gebrauchswert in Kommunen und Ländern deutlich und wurde zur politischen Heimat einer pluralen Linken mit sehr verschiedenen Herkünften. Auf einige Jahre hinaus verkörperte das Duo Gysi-Lafontaine die neue Gemeinsamkeit, gestützt von vielen erfahrenden Gewerkschaftlerinnen und Gewerkschaftlern sowie Aktivistinnen und Aktivisten der politischen und gesellschaftlichen Linken.

Seit der Mitte der 2010er Jahre hat sich die politische Tagesordnung erneut verändert. Der Neoliberalismus verlor an Kraft. Die große Finanz- und Wirtschaftskrise von 2007 bis 2009, die Krise der Europäischen Union, die Migrationsschübe in Folge der nicht zuletzt durch die USA und ihre Verbündeten heraufbeschworenen Kriege und Bürgerkriege im Nahen und Mittleren Osten sowie Nordafrika, die Pandemie, die sich manifestierende Klimazerstörung und jetzt der Krieg auf dem Boden der Ukraine fordern einen umfassenden Umbau von Wirtschaft, Gesellschaft, Innen- wie Außen- und Sicherheitspolitik. Die 1989 vom Westen ausgeschlagene Einleitung eines Neuen Denkens und einer Neuen Politik (Gorbatschow) und einer »Globalen Revolution« der Nachhaltigkeit (Club of Rome) meldet sich 30 Jahre später mit Macht zurück. Es geht um fundamentale Weichenstellungen auf allen Ebenen des heutigen Krisen-, Katastrophen- und Kriegskapitalismus, verbunden mit fundamentalen globalen Machtverschiebungen. Diese neue Tagesordnung bestimmt auch die Politik in der Bundesrepublik.

Vier mittelgroße Parteien bestimmen die bundesdeutsche parlamentarische Politik: Die SPD hat sich erneut den Gewerkschaften zugewandt und profiliert sich als Stimme der Mäßigung in Zeiten von Kriegskapitalismus und eingeleitetem ökologischen Umbau. Die Grünen sehen sich einer grünkapitalistischen Agenda und einem engen Anschluss an die USA und ihre neue Blockkonfrontation verpflichtet. CDU/CSU profitieren in Maßen von den Schwächen der anderen und bleiben auf der Suche nach ihrer eigenen Rolle. Die AfD hat sich fest etabliert als Partei des rechten Ressentiments gegen die herrschende Politik, verbunden mit Geschichtsrevisionismus, Kulturrassismus und einem konsequenten marktorientierten Wirtschaftsnationalismus. Sie wollen Deutschland als Festung in den kommenden Stürmen ausbauen. Die FDP spielt die Rolle des Wächters der Märkte und Vertreters eines Weiter-So bei Auto und Atomkraft. Die Partei Die Linke wird dagegen öffentlich fast nur noch wahrgenommen, wenn sie sich zerfleischt. Welchen Gebrauchswert kann eine linke sozialistische Partei in der Bundesrepublik heute haben? Auf diese Frage hat die Partei DIE Linke bisher keine zureichende Antwort gefunden.

Die Partei Die Linke hat nur eine Chance, wenn sie in diesem Jahr nach den Versuchen von 1990 und 2003 konsequent einen dritten Versuch der Erneuerung der politischen Linken jenseits der SPD einleitet und bei den Europawahlen 2024 beweist, dass sie dabei Erfolg hat. Ausgangspunkt muss die Verortung der Partei in den neuen gesellschaftlichen Umbrüchen sein. Eine zweifache Transformation steht heute auf der Tagesordnung – die der Wirtschaft unter den Stichworten von Klimaneutralität und digitaler technologischer Revolution und die der geopolitischen Verhältnisse. Die Frage ist nicht, ob sich diese Transformationen vollziehen, sondern nur, wie und in wessen Interesse. Damit rückt die Klassenfrage ins Zentrum, wird die sozialistische Alternative wieder aktuell.

Kapitalistische Klassengesellschaft erneut im Umbruch

Erstens stellen die existenziellen ökologischen Herausforderungen Art und Weise des Produzierens und Konsumierens des Kapitalismus grundsätzlich in Frage. Eine auf fossilen Energien beruhende Produktion hat keine Zukunft mehr. Notwendig sind umfassende Transformationsprozesse in der Wirtschaft und vor allem in der Industrie. Und in der Tat sind solche Transformationsprozesse im Gange, laufen in den widersprüchlichen Verhältnissen einer kapitalistischen Entwicklung ab, die immer wieder zu Krisen führt und mit alter und neuer sozialer Ungleichheit und Polarisierung einhergeht. Die kapitalistische Klassengesellschaft ist erneut im Umbruch. Die Lohnarbeit nimmt zu, sie wird noch stärker durch den steigenden Anteil von Frauen, von Migrantinnen und Migranten, von der Spaltung in »Gewinner« und »Verlierer« geprägt. Die Angst vor dem Abstieg geht um.

Die Partei Die Linke muss sich als gesellschaftlich-politische Kraft, die vom Standpunkt der Lohnabhängigen die Verbindung von Sozialem und Ökologischen ins Zentrum rückt, beweisen. Diese Verbindung verlangt zugleich eine Transformation im Kapitalismus über ihn hinaus – einen Systemwechsel. Die Sozialismusfrage wird wieder aktuell. Dies ist der Linken durchaus bewusst. Die Bemühungen des letzten Jahrzehnts jedoch, neue Fragen wie die der Verbindung der sozialen und ökologischen Probleme zu stellen, haben bisher nur einen sehr begrenzten Erfolg. Die Partei Die Linke muss für die Bürgerinnen und Bürgern ihren gesellschaftspolitischen Gebrauchswert, bezogen auf die neue Tagesordnung, überzeugend unter Beweis stellen, wirksam auf die Kräfteverhältnisse und die Projekte im politischen System Einfluss nehmen und auf neue Weise politische Heimat der gegenwärtig bis an den Rand des Bruder- und Schwestermords verfeindeten innerparteilichen Gruppen und neuer Akteure werden. Werden die Fragen von einem klassenbezogenen Standpunkt der Interessen und des Gebrauchswerts gestellt, rückt nicht mehr das Trennende, sondern das Einigende in den Vordergrund.

Zweitens haben wir es mit fundamentalen geopolitischen Veränderungen zu tun. Die USA ringen um ihre niedergehende hegemoniale Rolle in der Welt. Als Haupt- und Systemrivale wird die VR China ausgemacht. Es ist ein ideologisch immer weiter aufgeheizter Kalter Krieg im Gange, der die Gefahr offener militärischer Konfrontation bis hin zum Atomkrieg extrem verschärft. Nato und EU stellen sich auf die Seite der USA. Im Gegensatz zu den USA strebt China eine multipolare Ordnung an wie auch Indien und eine ganze Reihe Staaten in Lateinamerika (Brasilien) und Afrika (Südafrika), verbunden mit eigener Aufrüstung und Machtprojektion. Militärische Konflikte und Kriege finden weltweit statt und es entstehen neue bedrohliche Militärbündnisse wie Aukus (Australia, United Kingdom, United States). Der Krieg in der Ukraine ist Teil dieser geopolitischen Auseinandersetzung. Er hat verschiedene Dimensionen: Er ist ein Angriffskrieg Russlands und ein Verteidigungskrieg der Ukraine, bei dem der Westen Russland dauerhaft geopolitisch schwächen will. Es geht um die Sicherheit der Staaten der EU und ihrer Nachbarn und um die Stabilität in der Region des Schwarzen Meeres und von Zentralasien. Die Linke, die sich als Partei des Friedens versteht, hat bisher keine überzeugende Position in dieser Auseinandersetzung, sondern wirkt unbestimmt.

Ulrike Eifler, Susanne Ferschl und Jan Richter monieren zurecht, dass die Linke zwar sich um die soziale Frage kümmere, aber dabei keine ausreichende Klassenorientierung habe, ihr der Klassenkompass verlorengegangen sei. Damit einher gehe eine ungenügende Orientierung auf die Welt der Arbeit und die abhängig Beschäftigten und ihrer Gewerkschaften. (vgl. Eifler et al. »Die Linke braucht einen Klassenkompass«, in: Sozialismus 12-2022, S. 39)

Die lohnarbeitende Klasse wird durch die Zwänge der Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt beherrscht und in Abhängigkeit vom Kapital gehalten. Die Differenzen in der Qualifikation, zwischen den Beschäftigungssektoren, Zuschreibungen von Geschlecht, Alter, Kultur, sexueller Orientierung oder Herkunft bzw. Lebensort erzeugen Machtgefälle und unterschiedliche Lebenschancen. Schon Friedrich Engels wusste, dass die Konkurrenz der Arbeiterinnen und Arbeiter untereinander »die schlimmste Seite der jetzigen Verhältnisse« (Engels 1844) ist, denn sie setzt genau jene immer wieder der Spaltung aus, die dauerhaft in gemeinsamer Solidarität miteinander würdig bestehen können. Gerade die hohe Heterogenität der lohnarbeitenden Klasse verlangt, ihre Gemeinsamkeit zu entwickeln. Diese Gemeinsamkeit erschließt sich vor allem, wenn man vom Standpunkt jener, die besonders gefährdet sind, Abhängigkeiten mehr als andere erfahren, auf die Klasse als Ganzes blickt. Sie muss ihre Fragen ausgehend von dem Alltag der lohnabhängigen Klasse stellen, von ihrer Arbeitswirklichkeit, von ihren Erfahrungen bei Miete oder Inflation, von den Erfahrungen ihrer Kinder in Schulen, die überfordert sind, von den Renten.

So unerwartet dies sein mag: Es finden aktuellste existentielle Auseinandersetzungen um die Richtung, die die radikale Transformationen in der Welt der Arbeit, Produktion und Sorge, des Lebens und der Verhältnisse zur Natur, der Menschen und Staaten sowie Völker zueinander einschlägt, statt. So neu sie sind, so alt sind die damit verbundenen Fragen an die Linke. In dieser Fundamentalkrise des heutigen Kapitalismus muss sie sich erneut als klassenbewusste sozialistische Kraft konstituieren – oder sie versagt und geht unter. Sie muss die Gesellschaft mit Blick auf die Klassen in ihrer modernen Gestalt analysieren, die Frage des eigenen Gebrauchswerts ausgehend von der lohnarbeitenden Klasse und mit dem Ziel der Stärkung ihrer solidarischen Handlungskraft stellen. Das Konservativste in der Linke, die Klassenfrage, ist auch das Modernste, das Zeitgemäße!

Linkspartei kann nie systemkonform sein

Die tiefen Gräben in der Partei Die Linke haben sich vor allem immer dann gezeigt, wenn heftige Konflikte die bundesdeutsche Gesellschaft erfassten – mit Blick auf die Migration, die Pandemie und jetzt den Ukraine-Krieg. Genau dann, wenn eine überzeugende linke Position vor allem gebraucht wird, gibt es völlig gegensätzliche Positionen und die Partei erscheint mehrheitlich als bloßes soziales oder friedenspolitisch mäßigendes Korrektiv. Bei Teilen der Partei sind Klassenfragen in den Hintergrund getreten, sodass linksliberale und linkslibertäre Tendenzen sich ausbreiten. Dies wird begünstigt, wenn Politik sich weitgehend auf Korrekturen herrschender Politik beschränkt und Moral an die Stelle von materieller Analyse tritt, wenn die Interessen einzelner Gruppen oder auch Staaten nicht im Kontext kapitalistischer wie imperialer Verhältnisse, nicht im Bezug zu den Klassenbeziehungen thematisiert werden. Um für reale Veränderungen im bestehenden System zu kämpfen, braucht es eine Klassenperspektive. Ohne diese findet faktisch eine Anpassung an den »Mainstream« statt. Eine Partei wie Die Linke kann nie systemkonform sein, sondern muss immer herrschaftskritisch, kapitalismuskritisch, elitenkritisch sein und darf die sozialistische Zielperspektive nicht aus dem Auge verlieren. Es geht um eine »revolutionäre Realpolitik« (Rosa Luxemburg), die im Hier und Heute ansetzend gesellschaftlich umgestaltende Impulse freisetzt. Dies verlangt von ihr, sich der realen Widersprüche bewusst zu sein, ihnen nicht bequem auszuweichen oder die Linke in falsche auseinandertreibende Gegensätze zu spalten.

Ein solcher falscher Gegensatz ist es, wenn eine populäre Partei, in der viele Bürgerinnen und Bürger ihre Vertretung und ihre politische Sprecherin sehen, einer »bewegungsorientierten Mitgliederpartei« gegenüber gestellt wird. Die erfolgreichen sozialistischen und kommunistischen sowie Arbeiterparteien waren immer beides und gewannen aus der Fähigkeit, beides zu verbinden, ihre Kraft. Ein falscher Gegensatz ist es auch, die Identitäten verschiedenster Gruppen und die Klassenfrage als den gemeinsamen Boden zu trennen.

Seit dem 24. Februar 2022 ist aus einer geschwächten Partei Die Linke eine Partei im offenen Zerfallsprozess geworden. Es ist ihr nicht gelungen, eine überzeugende gemeinsame Position zum Krieg in der Ukraine zu entwickeln, ganz im Gegenteil. Der Versuch, den damit verbundenen Konflikten auszuweichen, hat diese bis zur Unerträglichkeit verschärft. Ein Krieg beherrscht immer die Tagesordnung. Alle sozialen, kulturellen, ökologischen, internationalen Fragen werden auf ihr Verhältnis zu diesem Krieg befragt. Man kann in der Frage von Krieg und Frieden nicht unbestimmt sein und zugleich linke Politik betreiben. Die abhängige, die lohnarbeitende Klasse fragt mit Recht: Welche Politik nützt uns in dieser konkreten Situation. Die untere Mitte der Klasse kommt immer schwerer über die Runden, die noch tiefer stehen, werden mehr als je zuvor Sozialstaatsabhängige oder sind auf die Tafel angewiesen. Besonders ausgeprägt ist dies in Ostdeutschland, wo die Linke ihre lange erfolgreiche Rolle als Verteidigerin dieser spezifischen Interessen und ihre Verankerung in der Zivilgesellschaft weitgehend verloren hat. Die Zukunft erscheint vielen Bürgerinnen und Bürgern immer bedrohlicher – bezogen auf die Unternehmen, von deren Wohl und Wehe die Lohnarbeitenden abhängig sind, bezogen auf die Fähigkeit des Staates, Sicherheit zu gewähren, bezogen auf die Klimakrise oder die globale Unsicherheit und Flucht.

Die alte Klassenfrage muss neu auf den Tisch

Die Partei Die Linke muss sich endlich fragen, was ihre ureigene Funktion in diesem Bündel der Konflikte und Widersprüche ist und sie kann dies nur, wenn sie ihren Klassenkompass aktiviert. Es muss die alte Klassenfrage neu auf den Tisch: Wem nützt die Politik der Bundesregierung mit ihren eskalierenden Waffenlieferungen, Sanktionen und dem Abwarten auf eine neue militärische Offensive? Die Linke muss sich entschieden dieser Politik entgegenstellen. Sie muss diese Frage der Interessen bei dem Wie der industriellen Transformation, im Bildungs- und Sorgebereich, bei der Integration von Geflüchteten und Migrantinnen und Migranten, bei allen brennenden Zeitfragen ins Zentrum rücken. Grundlage dafür ist ein der Klasse der Lohnabhängigen verbindendes Mitte-Unten-Bündnis, das jene, die der kapitalistischen Unsicherheit und Ungleichheit besonders ausgeliefert sind, mit allen vereint, die sich für eine solidarische Gesellschaft einsetzen.

Von Standpunkt der arbeitenden Klassen aller Länder müssen heute die Forderungen »Die Waffen nieder«, Waffenruhe, Verhandlungen mit der Perspektive einer neuen Friedens-, Sicherheits- und Entwicklungsordnung im Osten und Südosten Europas sowie Verhinderung eines katastrophalen Kalten Kriegs lauten. Der Krieg in der Ukraine begann nicht im Februar 2022 und seine Ursachen liegen nicht allein in Russland, sondern auch in den USA und der EU sowie der Ukraine selbst. Lösungen kann es deshalb nur gemeinsam geben. Der Druck auf die Bundesregierung, auf die bundesweite Öffentlichkeit, auf die Medien, auf jene Unternehmen, die Kriegsgewinnler sind, um eine Wende in der Politik zu erzielen, ist die Hauptaufgabe der Linken im eigenen Land. Nur so kann auch erfolgreich für die Verteidigung der sozialen Rechte, den schnellen Übergang zur Klimaneutralität von Wirtschaft und Gesellschaft, die Sicherheit in der Transformation der Wirtschaft, die Stärkung der öffentlichen Daseinsvorsorge, den Ausbau des Gemeineigentums gekämpft werden.

Partei braucht überzeugendes strategisches Zentrum

Die Partei Die Linke wird nur aus der Existenzkrise herausfinden, wenn es ihr gelingt, in der neuen Situation globaler Umbrüche und hoher Unsicherheit ihren Gebrauchswert als sozialistische Gerechtigkeitspartei zu bestimmen und, davon ausgehend, endlich wieder strategisch geeint zu handeln. Dies ist ohne die Herstellung der Führungsfähigkeit auf Bundesebene unmöglich. Immer noch gibt es kein überzeugendes strategisches Zentrum, das in der Lage ist, die falschen Gegensätze zu überwinden und den richtigen Widerspruch zur herrschenden Politik zu formulieren. Ohne eine solches Führungszentrum hat die Partei Die Linke bei diesem dritten Anlauf keine Chance. Das strategische Zentrum der Partei Die Linke kann sich nicht durch mehr oder minder knappe Mehrheiten auf Parteitagen bilden, die zudem den Angestellten der Partei übergroßen Einfluss geben. Führung besteht gerade darin, die verschiedenen legitimen linken Ansätze zu bündeln, zusammenzuführen und in eingreifende Politik zu übersetzen. Werden wesentliche linke Ansätze dauerhaft ignoriert, zurückgedrängt oder sogar denunziert, ziehen sich deren Anhängerinnen und Anhänger zurück, verlassen die Partei oder es kommt zur Spaltung. Nicht Gründung einer neuen Partei jenseits der Partei Die Linke, sondern deren konstruktive Erneuerung wird gebraucht.

Der Parteitag im November 2023 markiert das Datum, bis zu dem dieser Prozess der strategischen Verständigung und Einigung abgeschlossen sein muss. Daran wird sich messen, ob die Partei ein integratives, führungsfähiges strategisches Zentrum der Partei geschaffen hat, ohne das sie nicht bestehen kann. Auf dem Wege dahin geht es um zusammenführende, klassenbasierte strategische Analyse und Verständigung, Erarbeitung gemeinsam getragener Projekte, die den Gebrauchswert einer Linken im dritten Anlauf verkörpern. Ohne das »Trotz alledem«, ohne den Mut, die Herrschenden, die Machtstrukturen des Kapitalismus, die Kriegstreiber herauszufordern, wird es dabei nicht gehen.

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