Die deutsche Regierung ebnet den Weg für die extreme Rechte

Zehntausende von Menschen demonstrieren gegen die AfD. Doch die Regierung von Olaf Scholz setzt bereits viele Maßnahmen der AfD um

In der vergangenen Woche haben zehntausende Menschen in ganz Deutschland gegen die AfD demonstriert. Das Recherchezentrum Correctiv hatte über ein geheimes Treffen zwischen AfD-Spitzenpolitikern und Nazis im vergangenen November berichtet, bei dem über »Remigration« gesprochen wurde – also die Abschiebung von Millionen von Menschen, einschließlich derer mit deutschem Pass.

An einer #NoAfD-Demonstration in Potsdam nahmen auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) teil. Das Motto lautete: »Verteidigen wir unseren Staat«. Es wäre ein großer Tag in Deutschland, wenn sich die Regierung gegen Rassismus wehren würde. Doch noch vor drei Monaten erschien derselbe Kanzler auf der Titelseite des Magazin »Spiegel« mit den Worten: »Wir müssen endlich im großen Stil abschieben«.

Das ist der ständige Trommelwirbel der AfD: Massenhaft müssen Menschen abgeschoben werden, aber es werde nichts getan. Die SPD und auch die Grünen schlagen in die gleiche Kerbe, wenn sie sagen, wir müssen »endlich« Menschen aus Deutschland abschieben.

Red Flag

»Red Flag« ist eine Kolumne über Berliner Politik von Nathaniel Flakin. Sie erschien von 2020 bis 2023 im Magazin »Exberliner« und fand ein neues Zuhause bei der Zeitung »nd« – als deren erster Inhalt, der auch auf Englisch zu finden ist. Nathaniel ist auch Autor des antikapitalistischen Reiseführers Revolutionary Berlin.

Read this arcticle in English.

Hinter dem bürokratischen klingenden Begriff Abschiebung verbirgt sich eine alptraumhafte Realität. Menschen leben in Deutschland – sie sind vielleicht hier geboren und haben nie woanders gelebt – und ohne Vorwarnung kommen schwer bewaffnete Beamte in ihre Wohnung oder an ihren Arbeitsplatz und bringen sie weg. Von einer Sekunde auf die andere werden Menschen aus ihrem Leben gerissen und an einen weit entfernten Ort geschickt, nur weil ihnen ein Stück Papier fehlt. Es ist unfassbar, dass ein Staat, der sich für demokratisch hält, so etwas tun kann. Doch SPD, Grüne und CDU/CSU sagen, wir brauchen viel mehr davon. Das ist der Schlüssel zum Verständnis, warum die AfD in den Umfragen über 20 Prozent liegt.

Die anderen Parteien glauben offenbar, dass die Wähler*innen das Gefühl haben, die AfD nicht zu brauchen, wenn sie selbst nur genug Einwander*innen abschieben. Oder anders formuliert: Um die Rechtsextremen zu stoppen, müssten wir ihre Politik umsetzen. Aber natürlich passiert genau das Gegenteil. Wenn jede einzelne Partei mit der AfD darin übereinstimmt, dass Migration das größte Problem Deutschlands sei, warum sollten sich die Menschen dann nicht der Partei zuwenden, die am lautesten nach Abschiebungen schreit?

Die »Migrationskrise« ist frei erfunden. Deutschland gibt derzeit 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr aus – zusätzlich zu einem ohnehin schon astronomischen Militärhaushalt. Wenn Finanzminister Christian Lindner (FDP) sagt, dass die Subventionen für Landwirt*innen gekürzt wurden, um Asylsuchende zu unterstützen, ist das nichts als rassistische Hetze. Es scheint, als wäre die einzige finanzielle Priorität der Regierung die Aufrüstung der Armee.

Man könnte argumentieren, dass sich die AfD von den anderen Parteien unterscheidet, weil sie auch deutsche Bürger*innen abschieben will. Doch im November, zur gleichen Zeit, als die AfD in Potsdam mit Nazis plauderte, schlug Markus Söder (CSU) im Zuge der Debatte um propalästinensische Demonstrationen vor, denen, die sich »nicht zu unseren Werten und unserer Verfassung« bekennen, die deutschen Pässe wegzunehmen. Der bayerische Ministerpräsident behauptet, es gehe um die »Bekämpfung des Antisemitismus« – doch Söder bildete eine Regierung mit Hubert Aiwanger, nachdem bekannt wurde, dass dieser antisemitische Flugblätter herumgetragen hatte. Die Debatte über »importierten Antisemitismus« ist nichts anderes als Rassismus im Stil der AfD.

Wir müssen den Aufstieg des Faschismus bekämpfen. Aber das können wir nicht, indem wir die Agenda der extremen Rechten umsetzen. »Unseren Staat verteidigen« hilft nicht, wenn der Staatsapparat voller Rechter ist. Nein, die einzige Möglichkeit, die Demokratie zu verteidigen, besteht darin, für gleiche Rechte für alle zu kämpfen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal