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Es lebe die Menschlichkeit

Gedenken im Bundestag: Eva Szepesi und Marcel Reif erinnerten an die Shoah – im Beisein der AfD

Berlin. Wie muss das Gedenken an die Shoah aussehen, wenn im Bundestag eine mit dem Faschismus sympathisierende Partei sitzt? Die passende Antwort hatte die Auschwitz-Überlebende Eva Szepesi. Sie war als Hauptrednerin für die Gedenkdebatte am Mittwoch in den Bundestag eingeladen und rief zu mehr Menschlichkeit auf: »Es war nie wichtiger als jetzt. Denn ›Nie wieder‹ ist jetzt.«

Die heute 91-jährige Szepesi überlebte als Kind Auschwitz, weil sie sich als Jugendliche ausgab und damit als arbeitsfähig galt. Sie zeigte sich besorgt, dass jüdische Kinder und Jugendliche heute Angst davor haben, in die Schule zu gehen, »nur weil sie Juden sind«. Szepesi, deren Eltern und jüngerer Bruder von den Nazis getötet wurden, sagte: »Es schmerzt mich, wenn meine Urenkel von Polizisten mit Maschinengewehren beschützt werden müssen, nur weil sie Juden sind.«

Szepesi erinnerte daran, dass die Ermordung von über sechs Millionen Juden und Zehntausenden anderer ausgegrenzter Gruppen eine Vorgeschichte hatte: »Die Shoah begann nicht mit Auschwitz«, betonte die Zeitzeugin, »sie begann mit Worten, sie begann mit Schweigen und Wegschauen der Gesellschaft.« Sie wünsche sich, dass »nicht nur an Gedenktagen an die ermordeten Juden erinnert wird, sondern auch im Alltag an die lebenden. Sie brauchen jetzt Schutz.«

Dass in den vergangenen Wochen Hunderttausende Menschen gegen Rechtsextremismus auf die Straße gegangen sind, nannte Szepesi »großartig«. Sie wünsche sich jedoch, »dass diese Demonstranten im Bekanntenkreis und am Arbeitsplatz laut widersprechen, wenn menschenfeindliche Äußerungen fallen«. Wer schweigt, mache sich »mitschuldig«.

Nicht geschwiegen haben mehr als 804 000 Menschen, die in den vergangenen Wochen eine Petition unterzeichnet haben, in der die Prüfung eines AfD-Verbots gefordert wird. Am Mittwoch wurde sie der Bundesratspräsidentin Manuela Schwesig (SPD) übergeben. Eine weitere Petition wird am Donnerstag der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Britta Hasselmann überreicht. Darin fordern mehr als 1,6 Millionen Menschen, dem Faschisten Björn Höcke bestimmte Grundrechte nach Artikel 18 des Grundgesetzes zu entziehen. Sollte das umgesetzt werden, dürfte sich der Partei- und Fraktionsvorsitzende der Thüringer AfD nicht mehr wählen lassen.

Nach Szepesi sprach der Sportreporter Marcel Reif, dessen Vater, ein polnischer Jude, knapp der Verschleppung ins KZ entkommen konnte. Reif sagte, er sei dankbar dafür, dass die Shoah-Überlebende gekommen sei. Damit habe sie Deutschland eine zweite Chance gegeben. Er mahnte dazu, dass diese nicht vertan werden dürfe. Das »Nie wieder«, von dem zurzeit oft die Rede sei, dürfe nicht nur als Appell verstanden werden, sondern müsse »eine gelebte, unverrückbare Wirklichkeit sein«.

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