Thälmann wird immer beschmiert

Andreas Fritsche beklagt den Zustand des Denkmals und der Gesellschaft

»Thälmann ist niemals gefallen«, so dichtete der Lyriker Kurt Barthel, bekannt unter seinem Künstlernamen Kuba, im Text seines Thälmannlieds. Doch Thälmann wird immer beschmiert, könnte man hinzufügen, wenn man das Denkmal des KPD-Vorsitzenden in Berlin vor Augen hat.

Man kann über Ernst Thälmann denken, wie man will. Man kann sich auch kritisch zu ihm äußern, beispielsweise darauf hinweisen, dass er angesichts von Richtungsstreitigkeiten in der Kommunistischen Internationale derjenige war, der in der deutschen Sektion den Kurs von Josef Stalin durchgesetzt hat. Man darf aber nie vergessen, dass er für seine politische Überzeugung mit dem Leben gebüßt hat, dass ihn die Faschisten erst elf Jahre ins Gefängnis gesperrt und schließlich 1944 im Konzentrationslager Buchenwald ermordet haben. Auch darauf gibt Kubas Liedtext einen Hinweis: »Maßlos gequält und gepeinigt/Blieb er uns treu und hielt stand.«

Ein Denkmal für ein Naziopfer dürfte niemals besudelt werden, was auch immer der Einzelne über Thälmann und den Kommunismus denkt. Unverständlich ist, dass jemand im vergangenen Jahr »L34 bleibt!« auf die Brust der Büste sprühte. Die Liebigstraße 34 war ein linkes Hausprojekt, das am 9. Oktober geräumt wurde. Wer ein solches linkes Projekt unterstützen will, sollte doch so viel politisches Bewusstsein oder wenigstens so viel menschliches Mitgefühl besitzen, dass er seine Losung überall hin sprüht, aber auf gar keinen Fall auf ein Denkmal für ein Opfer des Faschismus.

Wenn ich mich schon daran gewöhnen muss, dass dieses Denkmal von Graffiti übersät ist, dann möchte ich wieder das Graffito sehen, dass dort jahrelang angebracht war: »Eingekerkert, ermordet, beschmiert!« Das war eine beeindruckende Anklage gegen eine Gesellschaft, die das zulässt.

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